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6 min

Falschmeldung: Essen Sie gesättigte Fette, so viel Sie möchten!

In einer Studie wollen Forscher entdeckt haben, dass gesättigte Fette sich nicht negativ auf den Cholesterinspiegel auswirken. Man könne daher so viel Fleisch, Eier und Milchprodukte essen, wie man mag. Kann man den Wissenschaftlern Glauben schenken?

Aktualisiert: 23 Februar 2024

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Gesättigte Fette bei hohem Cholesterinspiegel nun doch kein Problem

Seit Jahrzehnten wird Menschen mit hohem Cholesterinspiegel geraten, gesättigte Fette zu meiden, besonders natürlich Menschen, die sehr hohe Cholesterinspiegel haben, wie es etwa bei der familiären Hypercholesterinämie der Fall ist.

Von einer familiären Hypercholesterinämie spricht man, wenn Menschen meist schon im mittleren Alter an sehr hohen Cholesterinwerten leiden (ab einem LDL-Wert von mehr als 200 mg/dl) und gleichzeitig Familienmitglieder haben, die schon mit unter 55 Jahren an der koronaren Herzkrankheit litten oder gar in diesem frühen Alter am plötzlichen Herztod verstorben sind.

Nahezu alle Ärzte und Ernährungsberater, aber auch viele hochrangige Herzspezialisten inklusive der American Heart Association, einer Non-Profit Organisation, die in den 1920er Jahren von einer Gruppe Kardiologen gegründet wurde, stellen bei Ernährungsempfehlungen grundsätzlich das Meiden gesättigter Fette in den Vordergrund. Gesättigte Fette sind u. a. im Kokosöl und in Butter enthalten, aber natürlich auch in Fleisch, fetten Milchprodukten und Eiern.

Für das Herz ist es viel besser, Zucker zu meiden

Ein internationales Team aus Herzspezialisten und Ernährungswissenschaftlern schrieb nun jedoch im Juli 2020 im Fachmagazin BMJ ( British Medical Journal), sie könnten in der Literatur keinen Beleg für die Sinnhaftigkeit einer Ernährung finden, die arm an gesättigten Fetten sei ( 1 ) ( 2 ).

"In den letzten 80 Jahren hat man Menschen mit familiärer Hypercholesterinämie gesagt, sie sollten ihren Cholesterinspiegel senken und dazu gesättigte Fette meiden", so Studienautor David Diamond, Professor und Herzforscher an der University of South Florida. "Unsere Studie zeigte, dass es für das Herz viel besser ist, Zucker zu meiden als gesättigte Fette."

Fleisch, Eier und fette Milchprodukte: All you can eat?

Diamond und Kollegen sagen, eine Low Carb Ernährung sei deutlich hilfreicher für Menschen, die ein erhöhtes Herz-Kreislauf-Risiko haben, die also z. B. übergewichtig sind, an hohem Blutdruck leiden und Diabetiker sind.

Diamonds Ergebnisse stimmen mit einer weiteren Studie überein, die im Juni 2020 im Journal of the American College of Cardiology veröffentlicht wurde. Darin verkündeten Arne Astrup (Professor für Ernährung und Sport) und Team, man solle zugunsten des Herz-Kreislauf-Systems besser Lebensmittel meiden, die den Blutzuckerspiegel erhöhten (Brot, Kartoffeln, Süssigkeiten). Es gäbe hingegen keinerlei Hinweise dafür, dass man den Verzehr von Fleisch, Eiern und fetten Milchprodukten einschränken müsse ( 3 ).

Das alles sind Forscher mit Rang und Namen. Dennoch macht gerade die letzte Aussage ein wenig stutzig. Kann das wirklich sein? Endlos schlemmen mit Fleisch, Eiern und fetten Milchprodukten und dabei gesund bleiben?

Fleisch- und Milchindustrie als Studiensponsoren

Könnten die fleisch- und milchfreundlichen Studienergebnisse vielleicht auch ganz andere Gründe haben? Von den elf an der zuletzt genannten Studie beteiligten Forschern stehen acht auf der Lohnliste der Milch-, Fleisch- oder Keto-Industrie, was ihre Glaubwürdigkeit nicht gerade fördert.

Die Keto-Industrie stellt Nahrungsergänzungen (z. B. exogene Ketone) oder auch Fertig-Lebensmittel für die ketogene Ernährung her. Die ketogene Ernährung ist eine extreme Form der Low Carb Ernährung. Sie besteht insbesondere aus Fetten, Proteinen und nur Spuren von Kohlenhydraten.

Um den Rahmen des Textes nicht zu sprengen, stellen wir nachfolgend lediglich die Sponsoren von fünf dieser acht Forscher vor. Bei der Studie selbst können Sie die Förderer der übrigen drei nachlesen.

  1. Arne Astrup beispielsweise erhält Forschungsgelder von der Danish Dairy Foundation, von Arla Foods Amba (schwedisch-dänische Molkereigenossenschaft) und von der European Milk Foundation. Auch Vortragshonorare erhält er von der Milchindustrie.
  2. Bei Dennis M. Bier, Arzt für Kinderheilkunde und Ernährungsmediziner, ist die Liste der Sponsoren nahezu endlos. Hier eine Auswahl: International Council on Amino Acid Science, Nutrition and Growth Solutions, Ajinomoto, Lorenzini Foundation, CrossFit Foundation, International Glutamate Technical Committee, Nestlé S.A., Ferrero SpA usw. Er lässt sich als Ernährungsfachmann also von der Glutamat-Industrie sowie von Multikonzernen wie Nestlé und Ferrero "fördern", die so wunderbare (Ironie!) Produkte wie löslichen Kaffee, Fertigfood (Maggi, Thomy), Süssigkeiten (Smarties, Kitkat, After Eight) und Eiscreme (Mövenpick, Schöller) im Sortiment haben.
  3. Ernährungswissenschaftler J. Thomas Brenna lässt sich von den folgenden drei Riesen unterstützen: von der National Cattlemen’s Beef Association (Vereinigung der amerikanischen Viehzüchter mit dem Ziel, die weltweite Rindfleischnachfrage zu steigern), dem North Dakota Beef Council und dem Dairy Management Inc. (amerikanischer Handelsverband zur Förderung des Verkaufs von Milchprodukten aus amerikanischer Produktion).
  4. Jeff S. Volek ist Professor für Humanwissenschaften, weithin bekannter Experte für Low-Carb- und Keto-Ernährungsformen sowie Autor zahlreicher Bücher für ketogene Ernährung. Er ist ausserdem Gründer und Anteilseigner des Unternehmens Virta Health, das über eine App Diabetespatienten die ketogene Ernährung nahebringt. Darüber hinaus ist Volek Mitglied des wissenschaftlichen Beirats von Atkins Nutritionals Inc., UCAN, Ketone Sciences und Axcess Global – allesamt Unternehmen, die Nahrungsergänzungen und Lebensmittel für die ketogene Ernährung anbieten. Zusätzlich erhält er regelmässig Gelder von der Milchindustrie ( National Dairy Council/Dutch Dairy Organization).
  5. Ronald M. Krauss ist Voleks Kollege bei Vita Health und steht wie J. Thomas Brenna auf der Gehaltsliste des Dairy Management Inc.

Das Ergebnis der Studie dieser Wissenschaftler war also fast schon vorhersehbar.

Auch die Keto-Industrie "unterstützt" Wissenschaftler

Auch die Wissenschaftler der eingangs vorgestellten Studie sind u. U. nicht ganz unvoreingenommen: Professor Diamond beispielsweise erhält Honorare von Pruvit, einem Hersteller für Keto Supplements (Nahrungsergänzungsmittel für die ketogene Ernährung, z. B. exogene Ketone).

Diamonds Kollege war der Ihnen inzwischen bekannte und reich bezuschusste Jeff S. Volek. Auch er wird zusätzlich noch von Pruvit gesponsert.

Fettarme Ernährung stoppt Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Gleichzeitig gibt es aus dem Jahr 2014 die beeindruckende Studie von Caldwell B. Esselstyn, Arzt und Befürworter der pflanzenbasierten und fettarmen Ernährung. 177 Herz-Kreislauf-Patienten mit Arteriosklerose bzw. koronarer Herzkrankheit (Durchschnittsalter 63) erlernten die pflanzenbasierte fettarme Ernährung und praktizierten diese durchschnittlich 3,7 Jahre lang ( 4 ).

Die Studienteilnehmer sollten Fleisch, Fisch und Milchprodukte sowie Öle und Fette konsequent meiden. Auch Zucker und damit gesüsste Speisen und Getränke waren tabu, genauso fettreiche Lebensmittel wie Avocados und Nüsse.

Im Laufe der Jahre ging es 144 Patienten besser. 105 davon erlebten eine Verbesserung der Symptomatik, bei 39 bildete sich die Krankheit zurück (Ablagerungen in den Blutgefässen). In der Kontrollgruppe (21 Personen), die sich ganz normal ernährte, verbesserten sich die Beschwerden bei keinem der Patienten – und das obwohl beide Gruppen ihre üblichen Medikamente beibehalten hatten und auch obwohl in der pflanzenbasierten Gruppe Brot und Kartoffeln erlaubt waren, wovon Diamond sowie Astrup abrieten.

Zur ketogenen Ernährung bzw. zu einer Ernährung, bei der man endlos Fleisch, Eier und Milchprodukte essen darf, liegt bislang keine derartige Studie vor, so dass unser Fazit lautet:

Essen Sie pflanzenbasiert – wobei auch ab und zu gesättigte Fette erlaubt sind

Essen Sie pflanzenbasiert, meiden Sie Zucker und Weissmehlprodukte – und wenn Sie Fett essen möchten, dann kann es durchaus auch ein gesättigtes sein, nämlich Kokosöl. So lange Sie damit sparsam sind (es z. B. nur zum gelegentlichen Braten oder Backen verwenden) und so lange der Rest Ihrer Ernährung stimmig ist (frisch zubereitet, gemüselastig), wird es keine negativen Auswirkungen haben.

Liegt bei Ihnen bereits eine Herz-Kreislauf-Erkrankung vor oder liegen bei Ihnen einige Risikofaktoren vor (Bluthochdruck, Übergewicht, hoher Cholesterinspiegel etc.), lesen Sie hier nach natürlichen Möglichkeiten, um den Cholesterinspiegel und den Blutdruck zu senken. Testen Sie ausserdem einfach einmal Esselstyns Konzept und beobachten Sie, was sich tut. Vielleicht sind Sie bald Ihre Beschwerden los. Sein Buch ist mittlerweile auch auf Deutsch erschienen:

* Buchempfehlung: Essen gegen den Herzinfarkt von Caldwell B. Esselstyn

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Dieser Artikel wurde auf Grundlage (zur Zeit der Veröffentlichung) aktueller Studien verfasst und von MedizinerInnen geprüft, darf aber nicht zur Selbstdiagnose oder Selbstbehandlung genutzt werden, ersetzt also nicht den Besuch bei Ihrem Arzt. Besprechen Sie daher jede Massnahme (ob aus diesem oder einem anderen unserer Artikel) immer zuerst mit Ihrem Arzt.