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Nahrungsergänzungen bei Depressionen: Wirksam oder nicht?

Die tägliche Einnahme von Nahrungsergänzungen kann nicht vor Depressionen schützen, so eine Studie. Die Vitalstoffe KONNTEN in dieser Studie jedoch gar nicht wirken. Wir erklären, warum nicht.

Fachärztliche Prüfung: Gert Dorschner
Aktualisiert: 21 September 2023

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Nahrungsergänzungsmittel gegen Depressionen

Depressionen betreffen immer mehr Menschen – und immer mehr Betroffene suchen nach gesunden Alternativen zu nebenwirkungsreichen Medikamenten. Bücher, Dokumentationen und das Internet sind voll mit Tipps und Informationen, wie man Depressionen auch ohne Medikamente überwinden kann oder was man tun muss, um sie gar nicht erst zu bekommen.

Es wird erklärt, welche Ernährung sinnvoll ist und welche Nahrungsergänzungsmittel eingenommen werden sollten. Doch sind diese Informationen äusserst vielfältig und nicht selten enorm widersprüchlich. Manchmal heisst es, Nahrungsergänzungen können Depressionen lindern und vor ihnen schützen, ein andermal liest man, Nahrungsergänzungen helfen kein bisschen.

Nahrungsergänzungen schützen nicht vor Depressionen

Im März 2019 erschienen im Fachjournal Journal of the American Medical Association (JAMA) die Ergebnisse der grössten randomisierten klinischen Studie zum Thema „Ernährung und Nahrungsergänzung in der Therapie und Prävention von Depressionen“( 1 ).

In dieser Untersuchung – der sog. The MooDFOOD Studie – soll sich nun gezeigt haben, dass zwar eine Umstellung auf eine gesunde Lebens- und Ernährungsweise, nicht aber Nahrungsergänzungsmittel vor Depressionen schützen können.

Da Depressionen bevorzugt bei übergewichtigen Personen auftreten, hatte das Forscherteam rund um Professor Ed Watkins von der University of Exeter 1.025 übergewichtige Probanden aus vier europäischen Ländern rekrutiert (Deutschland, Niederlande, UK und Spanien). Sie alle hatten einen BMI von mehr als 25. (BMI steht für Body-Mass-Index)

Ein BMI von 19 bis 24,9 gilt noch als normalgewichtig. Ein BMI ab 30 zeigt eine Adipositas (Fettsucht) an.

Diese Nahrungsergänzungen wurden in der Studie verwendet

Die Hälfte der Teilnehmer nahm Nahrungsergänzungen ein, die andere Hälfte erhielt Placebopräparate. Jeweils die Hälfte wiederum erhielt eine Psycho- und Verhaltenstherapie, die insbesondere bei der Umstellung der Ernährungsweise helfen sollte.

In dieser Therapie erlernten die Probanden sowohl Strategien zur Überwindung von Stimmungstiefs als auch Strategien, die das Bedürfnis nach häufigem Snacken reduzieren sollten. Gleichzeitig erhielten sie Tipps und Anleitungen zur Umstellung auf eine mediterrane Ernährung.

Die mediterrane Ernährung ist reich an Früchten, Gemüse, Vollkornprodukten, Fisch, Hülsenfrüchten und Olivenöl sowie arm an rotem Fleisch und Milchprodukten mit hohem Fettgehalt.

Die Nahrungsergänzungsgruppe erhielt in dieser Studie ein Jahr lang die folgenden Nahrungsergänzungen:

  1. 20 µg Vitamin D (= 800 IE)
  2. 100 mg Calcium
  3. 1.412 mg Omega-3-Fettsäuren
  4. 30 µg Selen
  5. 400 µg Folsäure

Schon beim Blick auf die einzelnen Dosierungen verwundert es nicht mehr, dass diese Vitalstoffmischung nicht besser als das Placebopräparat wirken konnte. Denn es handelt sich um eine teilweise massive Unterdosierung.

So wird Vitamin D bei Depressionen dosiert

Die Gabe von 800 IE Vitamin D kann eigentlich in Anbetracht der heute vorliegenden Erkenntnisse zur richtigen Vitamin-D-Supplementierung nicht ernst genommen werden.

Will man Vitamin D so dosieren, dass der Patient davon auch profitieren kann, dann wird zunächst der individuelle Status bestimmt. Entsprechend des aktuellen Wertes wird sodann höchst individuell jene Dosierung gewählt, die für den einzelnen Patienten erforderlich ist, damit dieser möglichst schnell einen gesunden Vitamin-D-Spiegel erreichen kann.

800 IE reichen jedoch im Allgemeinen nicht einmal dazu aus, einen gesunden Vitamin-D-Spiegel (z. B. über den Winter) aufrecht zu erhalten. Ein bereits bestehender Mangel kann mit dieser Dosis schon gar nicht behoben werden.

In unserem Artikel zur ganzheitlichen Vorgehensweise bei Depressionen haben wir bereits erklärt, dass Studien, in denen man bei Depressionen keine Wirkung nach einer Vitamin-D-Supplementierung feststellen konnte, meist zu niedrige Vitamin-D-Dosen einsetzen, die Gabe zu kurz erfolgte (nur wenige Wochen lang) oder Menschen damit behandelt werden, die zuvor gar keinen Mangel hatten.

Studien hingegen, in denen wöchentlich z. B. 20.000 oder 40.000 IE Vitamin D eingesetzt wird, zeigen sehr wohl eine Linderung von Depressionen.

In einer Studie vom Januar 2019 beispielsweise gab man Patienten mit Multipler Sklerose, die häufig an Depressionen leiden, ein Jahr lang täglich 10.000 IE Vitamin D, was zu einer Besserung ihrer Depressionen führte ( 3 ).

Und in einer Studie von 2017 erhielten depressive Frauen 7.000 IE Vitamin D pro Tag bzw. 50.000 IE pro Woche über ein halbes Jahr hinweg. Auch hier besserten sich ganz signifikant ihre Depressionen und Angstzustände ( 4 ).

So wird Calcium bei Depressionen dosiert

Warum in der MooDFOOD-Studie 100 mg Calcium gegeben werden, ist nicht erkennbar, da es keine Hinweise darauf gibt, dass dies in irgendeiner Weise sinnvoll sein könnte. Läge ein Calciummangel vor, könnte dieser – bei einem Tagesbedarf von 1.000 mg Calcium – mit 100 mg natürlich nicht annähernd behoben werden.

Da jedoch heute meist eher ein Calciumüberschuss vorliegt, der zudem noch einen Magnesiummangel begünstigen kann und dieser wiederum zu Depressionen beitragen kann, ist eine Calciumgabe bei Depressionen bzw. zur Vorbeugung derselben eher kontraproduktiv – vor allem dann, wenn von einer gleichzeitigen Magnesiumgabe weit und breit nichts zu sehen ist.

Bei Depressionen bzw. zur Prävention von Depressionen sollte also in jedem Fall die Magnesiumversorgung überprüft und optimiert werden. Calcium jedoch sollte nur bei nachweislich calciumarmer Ernährung eingenommen werden.

Omega-3-Fettsäuren bei Depressionen

Bei Omega-3-Fettsäuren kommt es nun gerade bei Depressionen nicht nur darauf an, einfach „irgendwelche“ Omega-3-Fettsäuren einzunehmen. Stattdessen weiss man aus einer Übersichtsarbeit vom März 2014 ( 6 ), dass es im Falle von Depressionen nicht nur auf die richtige Dosierung, sondern auch auf das Verhältnis von EPA zu DHA ankommt (EPA und DHA sind – im Gegensatz zur kurzkettigen Alpha-Linolensäure, die z. B. im Leinöl vorkommt – zwei langkettige Omega-3-Fettsäuren, die eine sehr gute Wirkung auf das Gehirn und psychische Beschwerden haben können).

EPA sollte zu mehr als 60 Prozent vorhanden sein, DHA folglich zu höchstens 40 Prozent. Die Gesamtdosis kann auf bis zu 2.200 mg pro Tag steigen. Gleichzeitig muss das Omega-3-Omega-6-Verhältnis der Ernährung beachtet werden, wie wir in unserem Artikel zur richtigen Deckung des Omega-3-Bedarfs erklären.

Alle diese Aspekte wurden in der FooDMOOD-Studie nicht berücksichtigt.

Selen bei Depressionen richtig dosieren

Die bisherigen wissenschaftlichen Studienergebnisse in Sachen Selen sind enorm uneinheitlich. Ja, man vermutet sogar, dass sowohl zu niedrige als auch zu hohe Selenspiegel Depressionen begünstigen können, so dass eine Gabe von Selen – ohne zuvor den Selenspiegel überprüft zu haben – Depressionen sogar verstärken könnte.

Allerdings ist auch beim Selen die Dosis der MooDFOOD-Studie sehr gering, so dass Überdosis-Symptome kaum erwartet werden können, bei einem Mangel vermutlich aber auch keine sonderlichen Wirkungen.

Wie schon beim Vitamin D, so sollte auch beim Selen zunächst der aktuelle Status überprüft und sodann jene Selenmenge bestimmt werden, die der jeweilige Patient auch benötigt.

Folsäure richtig dosieren

Es ist bekannt, dass Folsäure die Psyche positiv beeinflussen kann ( 8 ), da sie offenbar an der Serotoninsynthese beteiligt ist. Allerdings wirkt Folsäure am besten gemeinsam mit Vitamin B12, das jedoch in der FooDMOOD-Studie gleich ganz vergessen wurde.

Doch kann bereits ein Vitamin-B12-Mangel zu massiven psychischen Störungen beitragen, so dass auch hier in jedem Fall zunächst der persönliche Status ermittelt werden sollte, bevor man entscheiden kann, ob das Vitamin eingenommen werden soll oder aufgrund sehr guter Versorgung im individuellen Nahrungsergänzungsplan nicht berücksichtigt werden muss ( 7 ).

Schon seit einer Untersuchung aus 2005 weiss man ferner, dass bei Depressionen begleitend zu 1.000 µg Vitamin B12 eine Folsäuredosis von täglich 800 µg sinnvoll wäre, also eine Dosis, die doppelt so hoch ist wie jene aus der MooDFOOD-Studie.

Bei Depressionen helfen Nahrungsergänzungsmittel

Wer somit an Depressionen leidet oder diesen vorbeugen möchte, sollte sich nicht von fragwürdigen Studien davon abhalten lassen, hochwertige und vor allen Dingen individuell dosierte Nahrungsergänzungsmittel in sein ganzheitliches Therapieprogramm einzubeziehen.

Sollten Sie sich damit selbst überfordert fühlen, suchen Sie bitte einen Arzt mit orthomolekularmedizinischer Zusatzausbildung auf, da – wie die MooDFOOD-Studie zeigt – nicht einmal Professoren und Wissenschaftler im Rahmen einer gross angelegten Studie in der Lage zu sein scheinen, Vitalstoffe dem aktuellen Wissenschaftsstand gemäss individuell zu dosieren und korrekt einzusetzen.

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Wichtiger Hinweis

Dieser Artikel wurde auf Grundlage (zur Zeit der Veröffentlichung) aktueller Studien verfasst und von MedizinerInnen geprüft, darf aber nicht zur Selbstdiagnose oder Selbstbehandlung genutzt werden, ersetzt also nicht den Besuch bei Ihrem Arzt. Besprechen Sie daher jede Massnahme (ob aus diesem oder einem anderen unserer Artikel) immer zuerst mit Ihrem Arzt.