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  • Kind hält eine Schüssel mit Gemüse in den Händen
7 min

Wie sich Autismus von der Ernährung beeinflussen lässt

An der Entstehung von Autismus sind vermutlich viele verschiedene Faktoren beteiligt, unter anderem die Ernährung. Eine ganz bestimmte Ernährung soll laut wissenschaftlicher Ergebnisse sogar einen bestehenden Autismus positiv beeinflussen können.

Fachärztliche Prüfung: Gert Dorschner
Aktualisiert: 19 Februar 2024

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Welche Ernährung könnte bei Autismus helfen?

Viele autistische Kinder (mehr als 80 Prozent laut einer Studie) leiden an Verdauungsbeschwerden, wie Durchfall, Verstopfung, Bauchschmerzen oder auch Reflux, so dass es naheliegend ist, schon allein deshalb auf die Ernährung zu achten. Doch welche Ernährung soll man bei Autismus wählen?

Zöliakie und Autismus: Gibt es einen Zusammenhang?

Immer wieder liest man, dass Autisten häufiger an Zöliakie leiden als andere Menschen. Zöliakie ist eine Autoimmunerkrankung, bei der es nach Glutenverzehr ( 6 ) zu Entzündungen der Darmschleimhaut kommt. Im Verlauf der Krankheit bildet sich die Darmschleimhaut immer weiter zurück, die Nährstoffaufnahme wird erschwert und es kommt nicht nur zu Verdauungsbeschwerden mit Erbrechen, Bauchweh und Durchfall, sondern auch zu Nährstoffmängeln und Gewichtsabnahme.

Könnten die häufigen Verdauungsbeschwerden von Autisten somit auf eine Zöliakie hinweisen? Womöglich auf eine unerkannte Zöliakie?

Mütter mit Zöliakie haben höheres Risiko, ein autistisches Kind zu bekommen

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass es in Familien mit Autoimmunerkrankungen (Zöliakie ist eine Autoimmunerkrankung) häufiger auch Autisten gibt, so eine Studie. Und in einer weiteren Untersuchung hatte sich ergeben, dass Mütter mit Zöliakie ein dreimal so hohes Risiko haben, ein autistisches Kind zur Welt zu bringen als Mütter ohne Zöliakie. 

Der Grund dafür ist unbekannt. Möglicherweise gibt es eine genetische Verknüpfung oder aber der Autismus entwickelt sich, wenn der Embryo den mütterlichen Antikörpern ausgesetzt ist ( 3 ). Eine Verbindung zwischen Autismus und Zöliakie ist somit nicht von der Hand zu weisen.

Zöliakie bei Autisten nicht häufiger als bei anderen Menschen

Könnte es nun aber sein, dass eine glutenfreie Ernährung, die bei Zöliakie angesagt ist, nicht nur die bei Autismus häufig vorkommenden Verdauungsbeschwerden in Luft auflöst, sondern vielleicht auch die autistischen Symptome bessert? Einfach deshalb, weil die Darmprobleme der Zöliakie den Autismus überhaupt erst verursachen oder wenigstens deutlich verstärken?

Dann aber erschien im November 2013 eine Studie, in der es hiess ( 4 ), Autisten hätten nicht häufiger eine Zöliakie als andere Menschen, womit die Idee, eine glutenfreie Ernährung könne hier eventuell helfen, vom Tisch zu sein schien.

Warum geht es manchen Autisten mit glutenfreier Ernährung besser?

Warum aber berichten immer wieder Eltern, die Symptome ihrer autistischen Kinder besserten sich bei glutenfreier Ernährung? Möglicherweise liegt es daran, dass die Kinder keine Zöliakie haben, aber eine andere Form der Glutenunverträglichkeit (auch Glutensensitivität genannt), bei der sich sodann natürlich auch nicht die typischen Zöliakiemarker finden lassen, obwohl Gluten eindeutig nicht vertragen wird.

New Yorker Forscher des medizinischen Instituts der Columbia University sowie des Celiac Disease Centers wollten daher herausfinden, inwiefern Kinder mit Autismus-Diagnose auf den Konsum von Weizengluten reagieren. Die Studienergebnisse wurden im Juni 2013 in der Online-Fachzeitschrift PLoS One veröffentlicht ( 1 ).

Studienteilnehmer waren Kinder (mit und ohne Magen-Darm-Beschwerden), die gemäss den offiziellen Kriterien eine Autismus-Diagnose erhalten hatten, ausserdem deren Geschwister, die keine Autismus-Symptome zeigten sowie eine Kontrollgruppe aus gesunden Kindern.

Man nahm Blutserumproben aller vier Gruppen und untersuchte sie auf Antikörper gegen Gliadin (einem Glutenbestandteil) und gegen Transglutaminase 2 (TG2). Die Transglutaminasen sind körpereigene Enzyme mit unterschiedlichen Aufgaben im Organismus. Bei Zöliakie bildet der Körper Antikörper gegen die Transglutaminase 2, so dass die Zahl dieser Antikörper ein wichtiger Marker zur Diagnosestellung der Zöliakie darstellt. Antikörper gegen Gliadin hingegen sind kein typischer Zöliakiemarker.

Glutensensitivität bei Autismus, nicht aber Zöliakie

Das Serum der autistischen Kinder zeigte im Vergleich zum Serum gesunder Kinder signifikant höhere Werte der IgG-Antikörper gegen Gliadin, wobei autistische Kinder mit Magen-Darm-Beschwerden mit Abstand die höchsten Werte aufwiesen.

(Hier lesen Sie, wie eine Therapie des Darmes Autismus bessert.)

Die zöliakiespezifischen serologischen Marker wie z. B. Antikörper gegen TG2 waren in allen vier Gruppen ähnlich, zeigten also keine Auffälligkeiten. Ein Teil der autistischen Kinder reagierte demzufolge zwar auf Gluten, ohne jedoch an einer Zöliakie zu leiden. Der immunologische Mechanismus war ein anderer als jener bei Zöliakie. Die Forscher schlussfolgerten daraus, dass es sich um eine zöliakieunabhängige Glutensensitivität mit Immunsystembeteiligung handeln müsse.

Eine Glutensensitivität kann sich in ganz ähnlichen Beschwerden wie die Zöliakie äussern, doch können sich hier genauso solche Symptome zeigen, die man auf Anhieb gar nicht mit dem Verdauungssystem in Verbindung bringen würde. Dazu gehören Migräne und chronische Müdigkeit genauso wie Hyperaktivität, das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADS) und – womöglich auch autistische Störungen.

Könnte die Glutenunverträglichkeit also in irgendeiner Weise zu Autismus oder anderen neurologisch bedingten Verhaltensänderungen führen?

Kann Gluten zu Autismus führen?

Die New Yorker Studie könnte auf folgenden Wirkmechanismus hinweisen: Bei Anwesenheit von Gliadin-Antikörpern könnte es zu sog. Kreuzreaktionen mit bestimmten Strukturen innerhalb des Nervensystems kommen. In diesem Falle würden die Antikörper also nicht nur das Gliadin angreifen, sondern genauso körpereigene Strukturen des Nervensystems, wenn diese dem Gliadin ähneln. Entgegen aller Erwartungen könnte sich also auch eine Glutensensitivität mit einem Autoimmungeschehen äussern (nicht nur die Zöliakie).

Wenn nun jedoch körpereigene Bereiche des Nervensystems durch ein solches Autoimmungeschehen beeinträchtigt würden, könnte dies natürlich zu einem grossen Spektrum an neurologischen Problemen führen, wie beispielsweise Neuropathien (Erkrankungen des peripheren Nervensystems mit Symptomen wie z. B. Taubheitsgefühlen in Händen und Füssen, Kribbeln u. a.), Ataxie (Störungen der Bewegungskoordination, z. B. Unfähigkeit zu stehen, zu sitzen etc.) Anfälle und neurologisch bedingte Verhaltensänderungen – darunter Manien, Schizophrenie und Autismus.

Viele der Symptome, die bei Menschen mit Autismus zu beobachten sind, könnten folglich das Resultat einer Immunreaktion auf die Belastung mit (Weizen-)Gluten sein – und zwar unabhängig davon, ob dabei zöliakiespezifische Blutmarker vorhanden sind oder nicht. Eine glutenfreie Ernährung könnte daher ein Versuch wert sein!

Genau das bestätigen Forscher in einer Veröffentlichung von 2018 ( 7 ), in der sie davon ausgehen, dass es eine bestimmte Autismus-Untergruppe (einen sog. Sub-Typus) gibt, der mit einer Glutenunverträglichkeit in Verbindung steht. Den Betroffenen dieses Sub-Typus könnte somit auch mit einer glutenfreien Ernährung geholfen werden. 

Und schon 2012 erschien eine Untersuchung ( 8 ) mit dem Titel: "Gluten- and casein-free dietary intervention for autism spectrum conditions", in der es hiess: Die Mehrheit der zu diesem Thema veröffentlichten Studien zeigen nach einer Umstellung auf eine gluten- und/oder kaseinfreie Ernährung signifikante positive Veränderungen in der Symptomatik.  

Fallstudie: Autistisches Kind mit gluten- und kaseinfreier Ernährung geheilt

Im Fachmagazin Journal of Child Neurology wurde im August 2013 von einer Fallstudie über ein Mädchen mit Autismus berichtet ( 2 ). Das Kind litt ausserdem an Epilepsie und reagierte kaum auf herkömmliche Therapien. Nachdem es jedoch eine gluten- und kaseinfreie Diät erhalten hatte, zeigte es alsbald eine markante Verbesserung sämtlicher Krankheitssymptome.

Mit Einsetzen der Pubertät kam es wieder verstärkt zu Anfällen, die sich mit Medikamenten nicht zufrieden stellend kontrollieren liessen. Daraufhin erhielt das Mädchen eine ketogene Diät, die weiterhin gluten- und kaseinfrei war. Ein wichtiger Bestandteil neben reichlich Gemüse waren mittelkettige Fettsäuren (wie sie auch z. B. im Kokosöl enthalten sind), die gleichzeitig Hauptfettlieferant dieser Ernährung waren – statt z. B. Butter, Sahne oder den herkömmlichen Pflanzenölen.

Mit dieser Ernährungsweise zeigten sich signifikante Verbesserungen im Hinblick auf ihre Epilepsie. Gleichzeitig konnten das ebenfalls vorhandene sehr starke Übergewicht abgebaut und die kognitiven und verhaltensbezogenen Fähigkeiten verbessert werden.

Im Laufe der Jahre sank die von der Patientin erreichte Punktezahl auf der Childhood Autism Rating Skala von 49 auf 17. Die Childhood Autism Rating Skala dient der Einschätzung des Autismus-Grades eines Kindes, wobei ab einem Wert von 30 und höher eine autistische Störung vorliegt.

Bei beschriebener Patientin konnten folglich mit einem letztendlich erzielten Wert von 17 keine autistischen Symptome mehr beobachtet werden. Gleichzeitig stieg ihr Intelligenzquotient um 70 Punkte.

Glutenfreie Ernährung ist bei Autismus ein Versuch wert!

Etliche Eltern mit autistischen Kindern achten daher nicht nur auf eine glutenfreie Ernährung. Meist wird die glutenfreie Ernährung auch gleichzeitig milchfrei oder zumindest kaseinfrei gehalten (Kasein ist eines von mehreren Eiweissen in der Milch).

Zwar nicht immer, aber doch in einigen Fällen konnte diese Ernährung das Befinden der Kinder wesentlich verbessern (5). Es ist also davon auszugehen, dass nicht alle, jedoch wenigstens ein Teil der autistischen Kinder von einer bestimmten Ernährungsform profitieren kann, so dass es offensichtlich eine gute Idee zu sein scheint, bei Autismus bestimmte Ernährungsformen zu testen.

Nun wird aber häufig vor einer glutenfreien Ernährung gewarnt, als handle es sich hier um eine Mangelernährung und als müssten glutenfrei ernährte Kinder schrecklich leiden. Natürlich kann eine glutenfreie Ernährung ganz unterschiedlich gestaltet werden (wie wohl jede Ernährungsform) – nämlich gesund, aber auch sehr ungesund.

Eine gesunde glutenfreie Ernährung versorgt sogar meist mit mehr Vitalstoffen als eine herkömmliche glutenhaltige Ernährung, so dass sie keinerlei Gefahr darstellt. Im Gegenteil! Wir haben zu dieser Thematik hier bereits ausführlich berichtet: Glutenfreie Ernährung – aber richtig! und hier: Glutenfreie Ernährung: Verbraucherzentralen raten ab - Wir klären auf

Da alle unsere Rezepte milchfrei sind, sind sie automatisch auch kaseinfrei, so dass Sie sämtliche glutenfreien Rezepte aus unserem Kochstudio ausprobieren können.

Korrektur/Ergänzung vom 15.4.2020

Wir haben unter "Kann Gluten zu Autismus führen?" zwei weitere Quellen hinzugefügt: Die Studien/Quellen (7) und (8).

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Dieser Artikel wurde auf Grundlage (zur Zeit der Veröffentlichung) aktueller Studien verfasst und von MedizinerInnen geprüft, darf aber nicht zur Selbstdiagnose oder Selbstbehandlung genutzt werden, ersetzt also nicht den Besuch bei Ihrem Arzt. Besprechen Sie daher jede Massnahme (ob aus diesem oder einem anderen unserer Artikel) immer zuerst mit Ihrem Arzt.