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  • Antinährstoff Weizenmehl
26 min

Sind Antinährstoffe schädlich?

Lektin, Gluten, Oxalsäure, Solanin, Phytinsäure und etliche Pflanzenstoffe mehr werden gerne als Antinährstoffe bezeichnet. Sie seien schädlich, heisst es oft. Entsprechende Lebensmittel sollten daher besser gemieden werden. Was ist dran an solchen Aussagen? Wir stellen den aktuellen Stand der Wissenschaft vor.

Fachärztliche Prüfung: Gert Dorschner
Aktualisiert: 11 April 2024

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Was sind Antinährstoffe?

Antinährstoffe oder Antinutritiva sind Stoffe, die die Aufnahme und Verwertung von Nährstoffen beeinträchtigen können (meist von Mineralstoffen oder Spurenelementen). Sie hemmen beispielsweise die Arbeit von Verdauungsenzymen oder binden manche Nährstoffe an sich, so dass diese nicht mehr vom Körper genutzt werden können. Auch könnten manche Antinährstoffe die Darmschleimhaut schädigen, was ebenfalls die Resorption von Nährstoffen stören kann ( 1 ).

Viele der als „Antinährstoffe“ bezeichneten Stoffe zählen zu den sekundären Pflanzenstoffen und helfen der Pflanze bei der Abwehr von Fressfeinden, Schädlingen und Krankheiten (1). In der menschlichen Ernährung stehen sie im Verdacht, die Entstehung von verschiedenen Erkrankungen zu begünstigen, wie z. B. von chronischen Darmerkrankungen, Allergien, Autoimmunerkrankungen, Störungen des Hormonsystems und Mangelerkrankungen ( 2 ).

Andererseits gibt es Pflanzenstoffe, die ebenfalls der Abwehr von Fressfeinden u. a. dienen, aber als für den Menschen äußerst heilsam und gesund gelten, z. B. die Senfölglycoside im Kohlgemüse (z. B. Sulforaphan). Auch Curcumin schützt die Kurkumawurzel (gemeinsam mit anderen Stoffen) vor Krankheitserregern. Beim Menschen gelten diese Stoffe als entzündungshemmend, antibakteriell, schützend vor Pilzerkrankungen, immunsystemstärkend und antikarzinogen (krebshemmend). Hier stellt sich daher die Frage: Wo zieht man die Grenze zwischen nützlichem Pflanzenstoff und Antinährstoff?

Welche Antinährstoffe gibt es?

Die in der Literatur am häufigsten genannten Gruppen von Antinährstoffen sind:

  1. Lektine
  2. Gluten
  3. Oxalsäure bzw. Oxalate
  4. Tannine
  5. Glykoalkaloide
  6. Saponine
  7. Phytinsäure
  8. Goitrogene
  9. Phytoöstrogene (Isoflavone)
  10. Trypsininhibitoren

In diesem Artikel stellen wir Ihnen Lektine, Gluten, Oxalsäure, Tannine und Glykoalkaloide vor. Zu den übrigen Stoffen gibt es jeweils gesonderte Artikel, die Sie finden, wenn Sie oben in der Aufzählung die entsprechenden Links verfolgen.

Welche Lebensmittel enthalten Antinährstoffe?

Im Zusammenhang mit Antinährstoffen werden oft Hülsenfrüchte, Nüsse und Getreide genannt. Doch auch viele weitere Lebensmittel enthalten Stoffe, die als Antinährstoffe bezeichnet werden (2).

Tabelle: Antinährstoffe in Lebensmitteln

Antinährstoff Lebensmittel
Lektine Hohe Gehalte: Hülsenfrüchte (z. B. Sojabohnen, Kidneybohnen, schwarze Bohnen, Gartenbohnen, Erbsen, Kichererbsen, Linsen, Erdnüsse, Lupinen), Getreidekörner Niedrigere Gehalte: Samen, Nüsse, Obst, Gemüse
Gluten Getreidekörner (z. B. Weizen, Dinkel, Roggen, Gerste, Hafer)
Oxalsäure Hohe Gehalte: z. B. Petersilie, Spinat, Rhabarber, Mangold, Sauerampfer, Nüsse, Hülsenfrüchte, Süßkartoffeln, Kakao Niedrigere Gehalte: viele weitere Obst- und Gemüsesorten
Tannine Hohe Gehalte: Tee, Kakao, Weintrauben, Beeren, Äpfel, Steinobst Niedrigere Gehalte: Nüsse, Hülsenfrüchte, Getreidekörner, weitere Obst- und Gemüsesorten
Glykoalkaloide Hohe Gehalte: Nachtschattengewächse (z. B. Kartoffeln, Tomaten, Auberginen, Paprika) Niedrigere Gehalte: viele weitere Obst- und Gemüsesorten

Viele dieser Lebensmittel können trotz ihres Gehalts an Antinährstoffen bedenkenlos roh verzehrt werden (z. B. Obst, viele Gemüsesorten). Bei anderen Lebensmitteln (z. B. Sojabohnen, Kidneybohnen) wird durch eine entsprechende Zubereitung (z. B. Fermentation, Kochen) der Antinährstoffgehalt auf unbedenkliche Mengen reduziert.

Antinährstoff: Lektine

Lektine sind die wohl am häufigsten in der Öffentlichkeit diskutierten Antinährstoffe und werden immer wieder als die Ursache von vielen chronischen Erkrankungen dargestellt. Mindestens zwei Ernährungsformen beruhen zu großen Teilen auf der Theorie, dass Lektine krank machen könnten: Die Blutgruppendiät nach D'Adamo und die lektinfreie Ernährung nach Dr. Gundry.

Was sind Lektine?

Lektine sind Kohlenhydrat-bindende Proteine, die in fast allen Organismen (Pflanzen, Pilzen, Tieren, Mikroorganismen) vorkommen und vielfältige Funktionen für den jeweiligen Organismus erfüllen. Die Wirkung dieser Antinährstoffe beruht auf dem Binden von Kohlenhydratstrukturen, die sich auf der Oberfläche von Zellen oder auch innerhalb von Zellen befinden können. Durch das Binden der Lektine an diese Strukturen kann es z. B. zu einem Verklumpen von Zellen kommen oder zur Beeinflussung verschiedenster Stoffwechselvorgänge – je nach Lektin.

In Pflanzen wurden über 500 verschiedene Lektine identifiziert, die vor allem als Abwehrstoffe gegen Fressfeinde und Krankheitserreger dienen. Dies gelingt z. B. dadurch, dass ein bestimmtes Lektin an Kohlenhydratstrukturen auf der Oberfläche von Bakterien bindet und diese dadurch „miteinander verklumpen“ und so unschädlich gemacht werden. Ein anderer Abwehrmechanismus ist die Hemmung der Proteinbildung im Schädling, sodass dessen Stoffwechselvorgänge gestört werden ( 3 ).

Lektine erfüllen weiterhin wichtige Funktionen bei der Zellerkennung und der Kommunikation zwischen Zellen sowie bei verschiedenen Abläufen innerhalb von Zellen (z. B. Zellteilung, Proteinbildung). Die genannten Prozesse sind insbesondere für die korrekte Funktion des Immunsystems von großer Bedeutung ( 4 ) ( 5 ). Auch wir Menschen und andere Säugetiere haben körpereigene Lektine, die vielfältige Funktionen für unsere Gesundheit erfüllen. Besonders die Rolle der Lektine für das Immunsystem (z. B. Signalmoleküle, Zellerkennung) ist dabei Gegenstand der Forschung.

Lebensmittel mit hohem Gehalt an Lektinen

Besonders hohe Gehalte dieser Antinährstoffe finden sich in rohen Hülsenfrüchten und Vollkorngetreide. Aufgrund ihres häufigen Vorkommens in der menschlichen Ernährung befassen sich Studien dabei vor allem mit den Lektinen von Bohnen sowie mit WGA (wheat germ agglutinin, Weizenkeimagglutinin), dem Lektin des Weizens (5) ( 6 ).

Der Gehalt an WGA im Weizen wurde durch Züchtung in den letzten Jahrzehnten gezielt gesteigert, um die Abwehrkraft des Weizens gegen Schädlinge zu steigern ( 7 ). Der Gehalt an WGA in Weizenkeimlingen beträgt dabei bis zu 500 µg/g, in Vollkornmehl bis zu 50 µg/g und in Weißmehl-Pasta bis zu 3,2 µg/g. In Müslimischungen mit Weizenflocken wurden Gehalte bis zu 53 µg/g gefunden ( 8 ).

Schadwirkungen durch Lektine

Lektine sind resistent gegenüber den menschlichen Verdauungsenzymen und können auch von der Darmflora nicht abgebaut werden. Sie passieren deshalb den Verdauungstrakt unverändert. Während ihrer Passage durch den Darm können die Antinährstoffe jedoch an Kohlenhydratstrukturen auf den Zellen der Darmschleimhaut binden und dadurch – je nach aufgenommener Menge – die Darmwand schädigen ( 9 ) ( 10 ).

Schädigung des Darms durch Lektine

In Tierstudien, in denen die Versuchstiere über mehrere Tage große Mengen an isolierten Antinährstoffen (Lektinen) aus Hülsenfrüchten, isolierten Antinährstoffen (Lektinen) aus Weizen oder gemahlenen rohen Hülsenfrüchten erhielten, konnten verschiedene Schadwirkungen am Darm beobachtet werden ( 11 ) ( 12 ) ( 13 ) ( 14 ) ( 15 ) ( 16 ) ( 17 ):

  1. Schädigung und Verkürzung der Darmzotten
  2. Verminderte Aktivitäten von Verdauungsenzymen
  3. Erhöhte Durchlässigkeit des Darms (Leaky Gut Syndrom)
  4. Aktivierung des Immunsystems und Zunahme von Entzündungen
  5. Veränderung der Darmflora

Die Veränderungen der Darmwand führten zu einer Störung der Nährstoffaufnahme und zu einem verminderten Wachstum der Versuchstiere. Betont werden muss, dass die Tiere zu einer Aufnahme dieser Stoffe in einer für den Menschen unnatürlichen Form gezwungen wurden. Denn niemand nimmt isolierte Antinährstoffe in Form von Lektinen zu sich, auch isst man keine gemahlenenen rohen Hülsenfrüchte. 

Vergiftungen durch Hülsenfrüchte

Lediglich wenn Hülsenfrüchte nicht lange genug gekocht werden, kann es zu Vergiftungen kommen. Diese zeigen sich durch Übelkeit, Erbrechen und Durchfall wenige Stunden nach dem Verzehr ( 18 ). Dies kommt in der Realität jedoch kaum vor, da die Antinährstoffe (Lektine) aus Hülsenfrüchten bei der herkömmlichen Lebensmittelzubereitung nahezu vollständig entfernt werden (2).

Autoimmunkrankheiten durch Antinährstoffe?

In einer Studie ( 19 ) aus dem Jahr 2020 wurden die Blutproben von 500 gesunden Erwachsenen auf das Vorkommen von Antikörpern gegen verschiedene Lektine (Weizen, Kidneybohne, Sojabohne, Erdnuss) untersucht. Dabei wurden je nach getestetem Lektin in 8 bis 15 % der Proben entsprechende Antikörper gefunden. Dies zeigt, dass bei diesen Personen die Antinährstoffe (Lektine), die mit der Nahrung aufgenommen wurden, eine Immunreaktion im Körper ausgelöst haben.

Zusätzlich stellte man fest, dass die Anti-Lektin-Antikörper auch kreuzreagieren können, was bedeutet, dass sie sich nicht nur gegen den Antinährstoff wenden können, sondern in manchen Fällen auch gegen körpereigene Strukturen (Antigene), die den Lektinstrukturen ähneln, was man als Kreuzreaktion bezeichnet, die nun wiederum eine Autoimmunreaktion in Gang setzen könnte.

Die Antikörper gegen WGA reagierten dabei mit 34 von 62 getesteten menschlichen Antigenen, gefolgt von den Antikörpern gegen das Lektin in Kidneybohnen, die mit 20 von 62 menschlichen Antigenen kreuzreagierten. Die Antikörper gegen WGA zeigten also die höchste Kreuzreaktivität in dieser Studie. Die höchste Aktivität (Bindungsstärke) zeigte WGA gegenüber TPO (Thyreoperoxidase), einem Enzym im Schilddrüsengewebe. Neben Gluten ist WGA ein weiterer Inhaltsstoff des Weizens, der mit der Hashimoto-Thyreoiditis, einer weit verbreiteten Autoimmunerkrankung der Schilddrüse, in Zusammenhang steht.

Wie können Antinährstoffe aus Lebensmitteln entfernt werden?

Lektine aus Hülsenfrüchten können - im Gegensatz zu manch anderen Antinährstoffen - durch Kochen und Fermentieren auf unschädliche Mengen reduziert werden. Auch durch Einweichen kann der Gehalt dieser Antinährstoffe reduziert werden, in der aufgeführten Studie waren dies jedoch nur wenige Prozent.

  1. Einweichen: Beim Einweichen verschiedener Hülsenfrüchte in destilliertem Wasser konnte der Lektingehalt um 0,11 – 5,18 % reduziert werden ( 20 ).
  2. Kochen: Das Kochen verschiedener Hülsenfrüchte bei 95 °C für 1 Stunde reduzierte die Bindungsaktivität der Lektine um 93,77 – 99,81 % (20).
  3. Fermentieren: Die Antinährstoffe (Lektine) in Linsen konnten bei einem Fermentationsprozess von 72 Stunden fast vollständig deaktiviert werden ( 21 ).

WGA ist in besonders hohen Gehalten in Vollkornprodukten aus Weizen enthalten. Bei der Herstellung von Weißmehl wird der Gehalt an WGA deutlich reduziert (8). Im Gegensatz zu den Antinährstoffen (Lektinen) aus Hülsenfrüchten ist WGA resistent gegenüber Hitze und kann daher nicht durch Kochen entfernt werden. Eine Möglichkeit zur Reduktion des Gehalts an WGA in Vollkornproduktion ist jedoch die Sauerteig-Fermentation mit langer Teigführung. In einer Studie konnte der WGA-Gehalt bei einer Fermentation mit Laktobazillen (Milchsäurebakterien) innerhalb von 24 Stunden etwa um die Hälfte reduziert werden ( 22 ).

Lektine im Essen: Schädlich oder nicht?

Hülsenfrüchte enthalten zahlreiche wertvolle Inhaltsstoffe und eine Ernährungsweise, die reich an diesen Lebensmitteln ist, steht in Zusammenhang mit reduzierten Entzündungswerten bei Mensch und Tier ( 23 ) ( 24 ). Die Antinährstoffe (Lektine) kommen in Kombination mit vielen weiteren Stoffen vor und die Aufnahmemenge eines bestimmten Lektins ist bei einer abwechslungsreichen Ernährung nur gering ( 25 ). Außerdem werden die Gehalte an Antinährstoffen (Lektinen) in Hülsenfrüchten bei der Lebensmittelzubereitung deutlich reduziert.

Der Konsum von Weizen (besonders aus konventioneller Landwirtschaft) ist aus verschiedenen Gründen (Gluten, WGA, Belastung mit Glyphosat etc.) kritisch zu betrachten. Vor allem bei Vorliegen von Autoimmunerkrankungen wie Hashimoto kann ein Verzicht auf Weizen vorteilhaft für die Gesundheit sein. Um herauszufinden, auf welche Inhaltsstoffe das Immunsystem reagiert, kann in einem solchen Fall auch eine Untersuchung auf Antikörper gegen WGA, Gluten und weitere Stoffe in Kombination mit einer Untersuchung der Darmgesundheit sinnvoll sein.

Lektine als zukünftiges Medikament gegen Krebs?

Lektine können Krebszellen anhand der auf der Zelloberfläche exprimierten Kohlenhydratstrukturen erkennen und somit zielgenau auf Krebszellen wirken. Deshalb sehen Forscher hier ein Potenzial der Antinährstoffe zur Diagnostik und Therapie verschiedener Krebsarten. Ob sich Lektine als adjuvante Therapie in Kombination mit konventionellen Chemotherapeutika eignen oder ob z. B. die Nebenwirkungen zu groß sind bei entsprechend hoher Dosierung ist aktueller Gegenstand der Forschung ( 26 ) ( 27 ) ( 28 ).

Antinährstoff: Gluten

Gluten ist ein brisantes Thema und man findet unzählige Artikel dazu im Internet. Hier erhalten Sie einen kompakten Überblick mit Links zu weiteren Beiträgen über den Antinährstoff auf unserer Seite.

Was ist Gluten?

Gluten ist ein Überbegriff für Speicherproteine im Korn verschiedener Getreidesorten. Es ist ein komplexes Gemisch aus Hunderten von verwandten, aber unterschiedlichen Proteinen ( 29 ). Das Gluten des Weizens besteht dabei hauptsächlich aus den beiden Proteinfraktionen Gliadin und Glutenin. Im Roggen werden die Proteine als Secalin und Secalinin, in der Gerste als Hordein und Hordenin und im Hafer als Avenin und Avenalin bezeichnet ( 30 ). Gluten wird auch Klebereiweiß genannt, da es beim Kontakt mit Wasser zur Entstehung einer klebrigen Teigmasse führt und den Teig schön zusammenhält (29).

Wo ist der Antinährstoff Gluten enthalten?

Der Antinährstoff Gluten ist in den Körnern von Getreiden wie Weizen, Dinkel, Roggen, Triticale (Kreuzung aus Weizen und Roggen), Gerste, Emmer, Kamut, Einkorn und Hafer enthalten. Weizen und Dinkel haben dabei einen besonders hohen Glutengehalt. Man geht davon aus, dass die durchschnittliche tägliche Glutenaufnahme bei westlicher Ernährungsweise bei 5 – 20 g pro Tag liegt (29). Nicht nur in Backwaren ist Gluten enthalten. Auch in vielen Fertigprodukten ist der Antinährstoff als Streck- und Bindemittel oder als Träger von Aromastoffen zugesetzt (letzteres jedoch in geringsten Mengen).

Warum ist der Antinährstoff Gluten schädlich?

Gegenstand der Forschung ist aufgrund des häufigen Vorkommens in der Ernährung und der bekannten gesundheitlichen Schadwirkungen vor allem das Gluten des Weizens. Gliadin, eine der Proteinfraktionen des Weizenglutens, ist dabei besonders relevant.

Gliadin enthält Proteinsequenzen, die hoch resistent gegenüber den menschlichen Verdauungsenzymen sind. Diese Proteinsequenzen werden also nicht abgebaut und können an die sogenannten CXCR3-Rezeptoren binden. Diese Rezeptoren kommen u. a. auf Epithelzellen (wie den Zellen der Darmschleimhaut) und auf Immunzellen vor. Durch das Binden von Gliadin an den CXCR3-Rezeptor kommt es zu einer Ausschüttung von Zonulin, einem Protein, das zu einer erhöhten Durchlässigkeit der Dünndarmschleimhaut führt, indem es die Tight-Junctions im Darmepithel schädigt. Die Tight-Junctions verschließen den Raum zwischen den Epithelzellen und verhindern, dass unerwünschte Substanzen in das Blut übertreten ( 31 ).

*Zonulin kann auch zu Hause im Selbsttest getestet werden. Hier erhalten Sie einen Zonulin-Test.

Sind die Tight-Junctions geschädigt, kommt es zu einer erhöhten Durchlässigkeit des Darms (Leaky Gut Syndrom) und Bakterien, bakterielle Toxine, Stoffwechselprodukte, mit der Nahrung aufgenommene Toxine usw. können relativ ungehindert in den Körper gelangen (31). Die Folgen sind chronische Entzündungsreaktionen im Körper und daraus resultierende chronisch, degenerative Erkrankungen, die sich auf vielfältige Weise im Körper manifestieren können. Dies ist eine knappe Zusammenfassung der Schadwirkungen des Antinährstoffs Gluten. Viele weitere Mechanismen spielen ebenfalls eine Rolle.

Krankheiten in Zusammenhang mit Gluten

Immer mehr Studien zeigen den Zusammenhang zwischen dem Verzehr des Antinährstoffs Gluten und verschiedenen Erkrankungen.

Zöliakie

Zöliakie ist eine Autoimmunerkrankung, die durch den Verzehr von Gluten ausgelöst wird. Im Zuge der Erkrankung kommt es zu einer Entzündung der Darmschleimhaut, die mit einer erhöhten Durchlässigkeit einhergeht. Betroffenen wird zu einer lebenslangen glutenfreien Ernährung geraten ( 32 ). Studien zeigen auch, dass bei Patienten mit Zöliakie häufiger pathogene Bakterien im Darm vorkommen als bei nicht betroffenen Personen. Das Ausmaß der Dysbiose verbessert sich nach dem Weglassen des Antinährstoffs Gluten ( 33 ) ( 34 ).

Weizenallergie

Die Weizenallergie ist eine IgE-vermittelte Reaktion auf die Gliadine des Weizens. Die Symptome treten in der Regel innerhalb von Minuten bis Stunden nach der Aufnahme auf und umfassen Juckreiz, Schwellungen und Hautausschlag, bis hin zur lebensbedrohlichen Anaphylaxie (29).

Weizensensitivtät / Glutensensitivität

Ein Krankheitsbild, das lange nicht von der Schulmedizin anerkannt wurde, ist die sogenannte Weizen- oder Glutensensitivität. Betroffene zeigen verschiedene chronische Magen-Darm-Beschwerden, können aber auch unter anderen Symptomen wie Kopfschmerzen, Angstzuständen, Depressionen, Konzentrationsstörungen, Fibromyalgie, Erschöpfung, häufigen Atemwegsinfekten und Hautproblemen leiden ( 35 ). Bei einem Verzicht auf den Antinährstoff Gluten bzw. Weizen verbessern sich die Symptome oft deutlich bereits nach wenigen Wochen ( 36 ).

Neben dem Antinährstoff Gluten stehen auch weitere Inhaltsstoffe des Weizens in Zusammenhang mit diesem (und anderen) Krankheitsbildern. Lesen Sie hier über die ATIs (Amylasetrypsininhibitoren) und die FODMAPs (fermentierbare kurzkettige Kohlenhydrate). Über Weizenkeimagglutinin erhalten Sie im Abschnitt über Lektine weitere Informationen.

Autoimmunerkrankungen

Ein typisches Beispiel für eine Autoimmunerkrankung, die bei manchen Betroffenen durch den Verzehr glutenhaltiger Lebensmittel mitverursacht oder verschlimmert werden könnte, ist – wie wir im folgenden Link erklären – die chronisch entzündliche Schilddrüsenerkrankung Hashimoto-Thyreoiditis.

Übergewicht und Insulinresistenz

Unter folgendem Link finden Sie einen Beitrag über den Zusammenhang von Weizen (insbesondere Gliadin) mit der Entstehung von Übergewicht sowie der gesundheitlichen Vorteile eines kompletten Verzichts auf Getreide.

Autismus

Verschiedene Veröffentlichungen zeigen bei manchen Betroffenen eine Verbesserung ihrer Autismus-Symptome bei einer glutenfreien Ernährung. Im folgenden Link erhalten Sie einen Überblick über den Einfluss der Ernährung bei Autismus.

Einfluss der Lebensmittelzubereitung

Der Antinährstoff Gluten ist hitzestabil, sodass durch Kochen, Braten und Backen der Gehalt des Antinährstoffs nicht reduziert werden kann (29). Durch die Fermentation im Rahmen der Sauerteigherstellung jedoch reduziert sich der Glutengehalt ( 37 ). Die Angaben, um wie viel Prozent der Glutengehalt reduziert wird und ob dadurch eine Verbesserung der Verträglichkeit erreicht wird (oder gar eine Verschlechterung durch die Entstehung toxischer Abbauprodukte) sind uneinheitlich in verschiedenen Literaturquellen.

Auf unserer Seite finden Sie zahlreiche Tipps für eine glutenfreie Ernährung und viele Rezeptideen.

Antinährstoff: Oxalsäure

Als weiterer Antinährstoff wird häufig die Oxalsäure genannt. Der Verzehr von Lebensmitteln mit Oxalsäure wurde lange Zeit mit der Entstehung von Nierensteinen und einer Störung der Mineralstoffaufnahme in Zusammenhang gebracht.

Was ist Oxalsäure?

Die als Antinährstoff bezeichnete Oxalsäure ist eine organische Säure, die in vielen Pflanzen, aber auch in Tieren vorkommt. In Pflanzen wirkt sie als Schutzstoff vor Mikroorganismen und Fressfeinden und ist an verschiedenen Stoffwechselvorgängen, wie der Calciumregulation und der Entgiftung von Schwermetallen beteiligt ( 38 ). Bei Säugetieren entstehen Oxalate, die Salze der Oxalsäure, bei verschiedenen Stoffwechselreaktionen, z. B. bei der Umwandlung von Vitamin C (2).

Oxalsäure bzw. Oxalat kann Mineralstoffe wie Natrium, Kalium, Calcium, Eisen und Magnesium binden und bildet besonders mit Calcium unlösliche Komplexe, so dass das jeweilige Calcium dann dem Organismus nicht mehr zur Verfügung steht (2).

Was passiert mit dem Antinährstoff Oxalsäure im Darm?

Zahlreiche pflanzliche Lebensmittel enthalten Oxalsäure in Form von Oxalaten. Dabei muss unterschieden werden, ob die Oxalate wasserlöslich oder wasserunlöslich vorliegen ( 39 ). Unlösliche Oxalate (meist Calciumoxalat) werden einfach wieder über den Darm ausgeschieden ( 40 ), während lösliche Oxalate Mineralstoffe in der Nahrung binden können und damit deren Aufnahme reduzieren oder selbst über den Darm aufgenommen werden und somit im Körper vorliegen ( 41 ).

Lebensmittel mit viel Oxalsäure

Der Gehalt an Antinährstoffen in Form der Oxalsäure in Pflanzen kann stark variieren und hängt z. B. von der Sorte, dem Erntezeitpunkt und den Wachstumsbedingungen ab. Hohe Gehalte finden sich u. a. in Petersilie, Spinat, Mangold, Amaranth und Rhabarber (2). Unter folgendem Link finden Sie eine Liste mit dem Oxalsäuregehalt verschiedener pflanzlicher Lebensmittel.

Oxalsäure: Mangelerkrankungen und Nierensteine?

Nach den Ergebnissen neuerer Studien wird der mit der Nahrung aufgenommene Antinährstoff (Oxalsäure) nicht mehr als einer der Hauptrisikofaktoren für die Bildung von Nierensteinen angesehen ( 42 ). Eine gesunde, ausgewogene Ernährung mit einem hohen Gehalt an verschiedenen Obst- und Gemüsesorten enthält keine bedenklichen Mengen an Oxalaten (41). Weiterhin senken verschiedene pflanzliche Inhaltsstoffe (z. B. Phytinsäure, die ebenfalls gerne als Antinährstoff bezeichnet wird) das Risiko für die Bildung von Nierensteinen ( 43 ). Eine gesunde Ernährung bietet zudem ausreichend Calcium und andere Mineralstoffe, sodass es durch die im Essen vorhandenen Oxalate nicht zu einem Mineralstoffmangel kommt ( 44 ).

Unter den folgenden Links finden Sie umfassende Informationen zu Studienergebnissen zu Oxalsäure und Nierensteinen und zu den Ursachen von Nierensteinen.

Vorsicht bei Darmerkrankungen

Bei chronischen Darmerkrankungen kann es zu einer gesteigerten Aufnahme von Oxalaten und einem erhöhten Risiko für die Bildung von Nierensteinen kommen. Dies kann aufgrund einer erhöhten Durchlässigkeit der Darmschleimhaut erfolgen ( 45 ) und/oder in Zusammenhang mit einer gestörten Darmflora stehen ( 46 ). Verschiedene Darmbakterien verstoffwechseln Oxalsäure, sodass ein Mangel oder Fehlen dieser Bakterienspezies ebenfalls zu einer übermäßigen Aufnahme von Oxalsäure führen kann. Hier erhalten Sie weitere Informationen über probiotische Bakterien, die Oxalsäure abbauen. Zu diesen Bakterien zählen u. a. einige Arten der Laktobazillen und Bifidobakterien. Diese sind auch in verschiedenen im Handel erhältlichen Probiotika enthalten.

Entfernung des Antinährstoffs Oxalsäure beim Kochen

Der wasserlöslich vorliegende Anteil der Oxalate kann besonders gut beim Kochen entfernt werden. In einer Studie wurde durch das Kochen verschiedener Gemüse für 12 min der Gehalt an löslichen Oxalaten um 30 bis 87 % reduziert. Je größer die Oberfläche des Gemüses ist, desto mehr Oxalsäure konnte entfernt werden. Beim Spinat konnten beispielsweise 87 % des löslichen Anteils entfernt werden (40). Die Oxalate gehen dabei in das Kochwasser über, das dann verworfen werden sollte.

Gefahr durch Oxalsäure im Essen?

Bei einer gesunden, ausgewogenen Ernährungsweise (und auch bei besonders gemüsereicher Kost) besteht keine erhöhte Gefahr für die Entstehung von Nierensteinen. Das Risiko ist sogar vermindert, da Risikofaktoren (z. B. hoher Konsum von rotem Fleisch und Salz) vermieden werden. Bei chronischen Darmerkrankungen oder einer genetischen Prädisposition für Nierensteine ist es jedoch empfehlenswert, rohe oxalsäurereiche Lebensmittel nur in geringen Mengen zu verzehren und diese vorsichtshalber zu kochen.

Antinährstoffe: Tannine

Bestimmt haben Sie schon einmal in Zusammenhang mit Rotwein von Tanninen gehört. Die pflanzlichen Gerbstoffe kommen jedoch auch in vielen anderen Lebensmitteln vor und werden oft als Antinährstoffe bezeichnet.

Was sind Tannine?

Die Antinährstoffe namens Tannine gehören zu den am häufigsten vorkommenden sekundären Pflanzenstoffen. Den Pflanzen dienen sie als Schutzstoffe zur Abwehr von Fressfeinden und Mikroorganismen (2). Tannine zählen zu den Polyphenolen und sind aufgrund ihrer chemischen Struktur (mehrere Phenolringe) sehr reaktiv. Die Antinährstoffe können Bindungen innerhalb von und zwischen verschiedenen großen Molekülen wie Proteinen und Kohlenhydraten erzeugen und dadurch diese Moleküle deaktivieren, sodass diese ihre biologische Funktion nicht mehr erfüllen können.

Anhand ihrer chemischen Struktur können Tannine in hydrolysierbare Tannine und kondensierte Tannine eingeteilt werden. In pflanzlichen Lebensmitteln kommen vor allem kondensierte Tannine vor, die auch als Catechine, Flavanole und Proanthocyanidine (z. B. OPC) bekannt sind. Zu den Catechinen zählt auch das viel beforschte Antioxidans Epigallocatechingallat (EGCG), das insbesondere im Grüntee enthalten ist ( 47 ). Industriell werden Tannine z. B. zum Gerben von Leder und bei der Lebensmittelkonservierung eingesetzt.

Wo kommen Tannine vor?

Tannine kommen besonders reichlich in Kakaobohnen, Tee, Wein und verschiedenen Obstsorten vor. Auch in Nüssen, Samen, Hülsenfrüchten und Getreidekörnern sind sie enthalten ( 48 ).

Tabelle: Gehalt an Tanninen in Lebensmitteln pro 100 g

Lebensmittel Gehalt an kondensierten Tanninen in mg/100 g (2)
Dunkle Schokolade 828 – 1332
Dunkle Trauben 203,9
Äpfel 71,1 – 115,4
Aprikosen 110
Pflaumen 61,9
Kirschen 117,1
Birnen 30,6 – 85
Cranberrys 42

Tabelle: Gehalt an Tanninen in Tee und Wein pro Liter

Lebensmittel Gehalt an kondensierten Tanninen in mg/l (48)
Rotwein Bis 300
Grüner Tee 100 – 800
Schwarzer Tee 60 – 500

Tee hat den höchsten Gehalt an EGCG. Besonders hohe Konzentrationen finden sich dabei in Ceylon-Tee mit einem Gehalt an EGCG von 128 – 229 mg/l ( 49 ). Im Tee kommen noch weitere Tannine vor, sodass der Gesamtgehalt bis 800 mg/l erreichen kann.

Warum zählen Tannine zu den Antinährstoffen?

Aufgrund ihrer Fähigkeit als Chelatbildner zu wirken und verschiedene Mineralien wie Eisen, Kupfer und Zink zu binden, werden Tannine immer wieder in Zusammenhang mit Mangelerkrankungen, besonders einer Eisenmangelanämie, gebracht ( 50 ) ( 51 ).

Tierstudien, in denen isolierte (!) Tannine in hohen Dosierungen (!) über mehrere Tage gefüttert wurden, zeigten bei Geflügel ein reduziertes Wachstum und eine verminderte Eiproduktion ( 52 ) und bei Mastschweinen ein reduziertes Wachstum, einen verminderten Gehalt an roten Blutkörperchen sowie ein Sinken des Eisenspiegels im Blut mit zunehmender Menge an Tanninen im Futter ( 53 ). Die in diesen Studien verwendeten Tannine entsprachen jedoch nicht den häufig in der menschlichen Ernährung vorkommenden kondensierten Tanninen. Außerdem war ihre Konzentration deutlich höher und sie wurden isoliert verabreicht, also ohne die sonst vorhandenen anderen sekundären Pflanzenstoffe.

In einer anderen Stude, in denen das Futter von Ferkeln mit Traubenkernen und Traubentrester als natürlichen Phenolquellen ergänzt wurde, konnte kein signifikanter Einfluss auf die Eisen-, Zink- und Kupferwerte festgestellt werden ( 54 ). Eine weitere Studie, bei der Frauen vor der Menopause die Antinährstoffe in Form kondensierter Tannine über 4 Wochen als Supplement erhielten, zeigte ebenfalls keinen Einfluss auf die Bioverfügbarkeit und den Eisenstatus ( 55 ).

Eisenmangel durch Tee?

In verschiedenen Studien konnte ein verminderter Ferritinwert mit dem Trinken von Grün- und Schwarztee in Verbindung gebracht werden. Verschiedene Einflussfaktoren waren hierbei relevant:

  1. Aufnahmezeitpunkt: In einer Studie mit gesunden Erwachsenen war die Eisenaufnahme um 37 % verringert, wenn der Tee zusammen mit einem mit Eisen angereicherten Haferbrei getrunken wurde. Dies war nicht der Fall, wenn der Tee eine Stunde nach der Mahlzeit getrunken wurde ( 56 ).
  2. Geschlecht: In einer 4-wöchigen Studie, in der die Probanden täglich 1 l grünen oder schwarzen Tee zu den Mahlzeiten tranken, wurde ein signifikanter Abfall des Ferritinwerts bei Frauen beobachtet. Bei Männern wurde kein Effekt beobachtet ( 57 ).
  3. Eisenstatus: Bei Frauen mit niedrigem Ausgangsferritinwert (< 25 μg/l) senkten sowohl grüner als auch schwarzer Tee den Ferritinwert signifikant (57).

Epidemiologische Studien zeigen jedoch keinen Zusammenhang zwischen dem Konsum von Tee und anderen tanninreichen Lebensmitteln und dem Auftreten eines Eisenmangels ( 58 ) ( 59 ) ( 60 ). Die Bedingungen in den oben beschriebenen Studien (hohe Aufnahmemenge an Tee und Aufnahmezeitpunkt immer gleichzeitig zur Eisenaufnahme) entsprechen schließlich nicht den realen Bedingungen.

Für Frauen mit einem niedrigen Eisenwert, die gerne Grün- oder Schwarztee trinken, ist es jedoch ratsam, diesen getrennt von den Mahlzeiten bzw. von der Einnahme eines Eisenpräparats zu sich zu nehmen (2). In der genannten Studie (56) hatte ein Abstand von 1 Stunde keinen negativen Einfluss auf die Eisenaufnahme.

Einen Artikel mit weiteren Informationen zum Thema Grüner Tee und Eisen finden Sie unter vorigem Link.

Vitamin C verbessert Eisenaufnahme

Viele tanninreiche Lebensmittel sind ebenfalls reich an Vitamin C. Verschiedene Studien zeigen, dass Vitamin C die hemmenden Effekte von Tanninen auf die Eisenresorption ausgleichen kann ( 61 ) ( 62 ) ( 63 ). Dies ist ein weiterer Grund, warum man bei einer ausgewogenen Ernährung keinen Eisenmangel durch die als Antinährstoffe bezeichneten Tannine befürchten muss.

Gesundheitsförderliche Eigenschaften von Tanninen

Tannine können auf vielfältige Weise unsere Gesundheit stärken.

Antioxidative Wirkung

Die in vielen Pflanzen vorkommenden kondensierten Tannine besitzen eine starke antioxidative Wirksamkeit. Erforscht wurde hierbei besonders das EGCG aus grünem Tee. Eine tanninreiche Ernährung schützt somit unsere Gesundheit gegen chronisch entzündliche Erkrankungen (2).

Wirkung gegen Bakterien und Viren

Verschiedene Studien zeigen eine antibakterielle und antivirale Wirkung der Antinährstoffe. Eine Wirksamkeit von Tanninextrakten in vitro konnte z. B. gegenüber Influenzaviren, Papillomaviren, Noroviren, Herpesviren, HIV sowie gegenüber Staphylokokken, Streptokokken, Pseudomonaden, Listerien u. a. Bakterien nachgewiesen werden ( 64 ). Ob auch mit der Nahrung aufgenommene oder als Supplemente eingenommene Tannine eine antimikrobielle Wirkung zeigen, ist bisher nicht geklärt.

Wirkung gegen Krebs

Tannine und andere Polyphenole zeigen eine starke antikanzerogene Wirkung und haben großes Potenzial in der Behandlung von Krebserkrankungen. Besonders ECGC ist dabei Gegenstand der Forschung ( 65 ). Im folgenden Link finden Sie einen Artikel zur Wirksamkeit von ECGC gegen Oralkrebs und hier ein Fallbeispiel für den Einsatz von grünem Tee bei Krebs.

Wirkung gegen Diabetes mellitus

Tierstudien beschreiben die präventiven Effekte von Tanninen (z. B. Traubenkernextrakt) auf die Entstehung von Diabetes mellitus und die mildernde Wirkung der Antinährstoffe auf Begleiterkrankungen von Diabetes, wie Schädigungen der Nieren, der Netzhaut, des Herzmuskels und des Nervensystems ( 66 ) ( 67 ). Tannine bzw. Polyphenole verbessern dabei u. a. die Insulinsensitivität der Zellen ( 68 ).

Herzkreislaufsystem und Niere

Eine Ernährung, die reich an Polyphenolen ist, ist mit einem verminderten Risiko für Herzkreislauferkrankungen wie Atherosklerose und Schlaganfall verbunden ( 69 ) ( 70 ). Weiterhin wird auch das Risiko einer chronischen Niereninsuffizienz reduziert ( 71 ). Die schützenden Effekte auf das Herzkreislaufsystem und die Nieren werden in Zusammenhang mit der antioxidativen Wirkung und einer verbesserten Funktion des Endothels (Innenwand der Blutgefäße) gesehen ( 72 ) ( 73 ) ( 74 ).

Gehirnfunktion

Eine tanninreiche Ernährung verbessert auf verschiedene Weise die Gehirnleistung und schützt das Nervensystem (68) ( 75 ). Eine Studie aus dem Jahr 2016 (75) zeigte, dass sich die kognitive Leistung von Probanden verschiedener Altersklassen bei einer mehrwöchigen tanninreichen Ernährung (3 Portionen Obst und Gemüse mit hohem Tanningehalt über 18 Wochen) im Vergleich zur Vergleichsgruppe deutlich verbesserte. Ebenfalls stieg der Gehalt des Nervenwachstumsfaktors und Schutzstoffs BDNF (brain-derived neurotrophic factor) im Blut mit einer zunehmenden Aufnahme der Antinährstoffe an. In einer zweiten, separaten Versuchsreihe nahmen die Probanden über 12 Wochen einen Flavanol-reichen Kakaodrink zu sich. Hier konnten die gleichen Effekte festgestellt werden.

Darmgesundheit

Tannine haben weiterhin als Präbiotika positive Wirkungen auf die Darmflora und verbessern damit die Gesundheit des Magen-Darm-Trakts. Da der Neurotransmitter Serotonin überwiegend im Darm gebildet wird, hat eine tanninreiche Ernährung auch über die Förderung der Serotoninbildung einen weiteren positiven Effekt auf die Gesundheit des Gehirns. Serotonin hat viele wichtige Funktionen. Es ist u. a. bekannt als „Glückshormon“, da es unser emotionales Wohlbefinden beeinflussen kann. Weiterhin ist es auch der Ausgangsstoff für das „Schlafhormon“ Melatonin und beeinflusst so unseren Tag-Nacht-Rhythmus (2).

Einfluss der Lebensmittelzubereitung

Die meisten tanninreichen Lebensmittel werden roh verzehrt. Durch Kochen kann der Gehalt der Antinährstoffe in gewissen Maßen reduziert werden. In der verlinkten Studie ist z. B. die Reduktion des Gehalts in Rhabarber um 26 % angegeben ( 76 ). Die Abnahme des Gehalts erfolgt durch einen Übergang der Tannine in das Kochwasser. Da Tannine hitzebeständig sind, werden sie nicht inaktiviert.

Der Tanningehalt im Tee steigt mit zunehmender Ziehzeit. In einer Studie zu schwarzem Tee erreichte der Gehalt nach etwa 4 bis 5 Minuten ein Maximum, jedoch waren bereits nach 2 Minuten die meisten Antinährstoffe (Tannine) im Wasser ( 77 ).

Tannine – Gut oder schlecht?

Die als Antinährstoffe bezeichneten Tannine haben eine Vielzahl an positiven Wirkungen für die Gesundheit und sollten zahlreich in einer gesunden Ernährung enthalten sein. Falls Sie einen niedrigen Eisenwert haben oder Eisenpräparate einnehmen, dann sollten Sie darauf achten, dass Sie mindestens 1 Stunde Abstand zwischen einer tanninreichen Mahlzeit bzw. einem Tee oder der Eiseneinnahme bzw. eisenreichen Mahlzeit einplanen.

Antinährstoffe: Glykoalkaloide

Glykoalkaloide sind sekundäre Pflanzenstoffe, die der Pflanze zum Schutz vor Fressfeinden und Krankheitserregern dienen und daher ebenfalls gerne als Antinährstoffe bezeichnet werden. Sie kommen besonders reichlich in Nachtschattengewächsen, wie Kartoffeln, Tomaten, Auberginen und Paprika vor. Ein bekanntes Beispiel ist das Glykoalkaloid Solanin, das in Kartoffeln vorkommt. Bei hoher Aufnahmemenge kann es zu einer Schädigung des Darms kommen, weshalb man die Stoffe auch zur Gruppe der Antinährstoffe zählt.

In dem oben verlinkten Artikel über Solanin erhalten Sie einen umfassenden Überblick über Glykoalkaloide, deren Vorkommen in Lebensmitteln und deren Wirkungen auf unsere Gesundheit.

Fazit: Antinährstoffe kaum schädlich

Die sogenannten „Antinährstoffe“ sind zumeist sekundäre Pflanzenstoffe, die im natürlichen Kontext mit vielen weiteren Inhaltsstoffen vorkommen und die bei einer abwechslungsreichen, gesunden Ernährungsweise nur in geringen, nicht gesundheitsschädlichen Mengen aufgenommen werden. In einer vollwertigen Ernährung überwiegen die vielfältigen gesunden Eigenschaften dieser Inhaltsstoffe gegenüber potenziellen Schadwirkungen. Der Begriff „Antinährstoff“ sollte also überdacht werden.

Als Ausnahme ist der hochgezüchtete moderne Weizen zu sehen, dessen Gluten und WGA aufgrund ihrer Schadwirkungen (und fehlenden nützlichen Wirkungen) zurecht als Antinährstoffe bezeichnet werden sollten. Bei Vorliegen von z. B. Autoimmunerkrankungen oder chronischen Darmbeschwerden sollte man ein Vermeiden dieser Inhaltsstoffe in Erwägung ziehen.

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