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  • Kuhmilch im Glas mit Kühen im Hintergrund
3 min

Streicht Kanada die Milch aus der Ernährungspyramide?

Die kanadische Regierung überarbeitet derzeit ihre Ernährungsempfehlungen. Schon jetzt brodelt die Gerüchteküche. Kanada verbanne die Milch aus der Ernährungspyramide, heisst es in vielen Schlagzeilen.

Aktualisiert: 08 März 2021

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Kanadas Ernährungspyramide – Fliegt die Milch raus?

In Kanada kümmert sich das Gesundheitsministerium (Health Canada) derzeit um eine Überarbeitung der Ernährungsleitlinien für die Bevölkerung. Schenkt man verschiedenen Medienberichten Glauben, dann soll in der entsprechenden Ernährungspyramide – was einer Sensation gleichkäme – die Milch künftig nicht mehr auftauchen.

Milch und Milchprodukte gelten offiziell als enorm gesunde Lebensmittel. Man bewirbt sie als wichtige Calcium-, Protein- und auch Vitaminlieferanten. Milch und Milchprodukte sollen daher von jedem Menschen – jedem Kind und jedem Erwachsenen – regelmässig konsumiert werden.

Deutsche Ernährungsempfehlungen – Milch am besten mehrmals täglich!

In Deutschland rät die Deutsche Gesellschaft für Ernährung zum täglichen Verzehr von Milchprodukten. In den entsprechenden Empfehlungen zum Thema Milch und Milchprodukte heisst es gar: „Sie dürfen in einer vollwertigen Ernährung nicht fehlen.“ Man solle am besten schon mit einem Glas Milch den Tag beginnen. Auch als Pausensnack seien Milchprodukte ideal. Ferner könnten sie wunderbar das Mittag- und Abendessen abrunden, gerne auch in Form von Nachtischen. Und wer Milchprodukte pur nicht möge, solle sie einfach in Saucen, Suppen oder Aufläufe verarbeiten. In der Schweiz und in Österreich ist es nicht viel anders.

Kanadas alte Version – Täglich einen halben Liter Milch!

Auch in Kanadas Ernährungspyramide hatte die Milch bislang einen wichtigen Platz inne. In der aktuellen Version der kanadischen Ernährungsempfehlungen (Canada’s Food Guide von 2007) heisst es, man solle täglich einen halben Liter Milch trinken. Interessant ist hierbei der angegebene Zweck, nämlich zur Versorgung mit Vitamin D („Have 500 ml (2 cups) of milk every day for adequate vitamin D”).

Milch jedoch liefert pro 100 g laut Nährwerttabellen entweder ganze 0 µg Vitamin D oder aber Vitamin-D-Spuren (0,028 µg) – ganz gleich ob fettarme Milch oder Vollfettstufe. Angesichts des offiziell angegebenen täglichen Vitamin-D-Bedarfs von 20 µg pro Tag – der zudem als zu niedrig angesehen werden darf – kann die Milch zur Deckung des Vitamin-D-Bedarfs entweder gar nicht oder nur äusserst sparsam beitragen. Vermutlich ist dies auch mit ein Grund, warum Kanada diesen Punkt nun höchstwahrscheinlich aus den Ernährungsempfehlungen streichen wird.

Kanadas neue Version – Milch bleibt in der Ernährungspyramide – wenn auch in reduzierter Form

Entgegen so mancher Schlagzeilen jedoch werden Milch und Milchprodukte sicher nicht gänzlich aus der kanadischen Ernährungspyramide verbannt, heisst es in den bisher veröffentlichten Entwürfen doch:

„Tierische Produkte wie Eier, Fisch und Meeresfrüchte, Geflügel, fettarmes rotes Fleisch, fettarme Milch, Joghurt und fettarme sowie salzarme Käsesorten sind nährstoffreiche Lebensmittel für jeden Tag.“

Man solle lediglich schädliche (gesättigte) Fette, Salz und Zucker meiden. Auch sollte man verstärkt zu pflanzlichen Lebensmitteln greifen, beispielsweise lieber pflanzliche als tierische Proteinquellen wählen (Hülsenfrüchte, Sojaprodukte, Nüsse und Samen statt verarbeiteter Fleischprodukten und salzigem Käse), was jedoch nicht bedeute, dass man tierische Lebensmittel nun vollkommen aus dem Speiseplan entfernen müsse.

An Umwelt und Tierschutz denken!

Wichtig sei, dass die Kanadier, die sehr viel auswärts essen, kaum Frischkost verzehren und gerne zuckerhaltige Getränke konsumieren, wieder mehr zu Hause kochen und aus frischen Lebensmitteln vitalstoffreiche Mahlzeiten für die Familie zubereiten, was insbesondere dazu führen soll, dass Kinder schon von klein auf eine gesunde Ernährung praktizieren. Letztendlich wolle man mit den neuen Ernährungsempfehlungen auch an die Umwelt und den Tierschutz denken. Beide Aspekte könnten nur mit Hilfe einer gesunden (pflanzenbasierten) Ernährung berücksichtigt werden.

Landwirte fürchten Umsatzeinbussen

Natürlich bleiben derartige Ernährungsempfehlungen nicht ohne Kritik. John Barlow etwa von der Konservativen Partei Kanadas befürchtet ernsthafte Einbussen für Kanadas Landwirte und die kanadische Lebensmittelindustrie. Die neuen Leitlinien seien allenfalls ideologisch, jedoch keinesfalls wissenschaftlich begründbar, so Barlow, der angeblich täglich von Briefen kanadischer Landwirte überschüttet werde.

Das kanadische Gesundheitsministerium gab jedoch schon im Jahr 2016 bekannt, dass es für die Ausarbeitung ihrer neuen Ernährungsempfehlungen Vertreter der Lebensmittelindustrie nicht in ihre Beratergremien holen werde. Diese dürften jedoch immerhin online ihre Meinung kundtun. Folglich ist die Stimmung bei den kanadischen Landwirten alles andere als rosig.

Ernährungspyramide wurde bislang stark von der Lebensmittelindustrie beeinflusst

Nicht nur Milch- und Fleischproduzenten sind aufgebracht. Auch Getreideproduzenten machen sich Sorgen. Denn ihre Erzeugnisse werden weniger für Brot und Pasta, sondern grösstenteils als Viehfutter verwendet. „Sie alle wollen erfolgreich sein“, verteidigt Barlow die Landwirte und gibt damit zu, worum es eigentlich geht: Um Erfolg und Geschäfte, nicht aber um gesunde Ernährung für die Bevölkerung. Offenbar wurde die Ernährungspyramide – und sicher nicht nur die kanadische – bislang stark von der Lebensmittelindustrie beeinflusst.

Die neuen Leitlinien würden die Verbraucher verunsichern und seien nicht evidenz-basiert, entrüstet sich die Vereinigung der kanadischen Milchproduzenten in einem Brief an Barlow vom 7. Februar 2018. Einerseits hiess es, Milchprodukte gehörten zu einer ausgewogenen Ernährung, andererseits aber solle man besser pflanzliche Proteinquellen wählen.

Eigentlich – so finden wir – ist es ganz einfach: Wo immer möglich wählt man pflanzliche Proteinquellen, die oft auch gleichzeitig den Calciumbedarf decken und wer mag, ergänzt seinen Speiseplan dann und wann mit tierischen Produkten. Von Verwirrung keine Spur.

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Dieser Artikel wurde auf Grundlage (zur Zeit der Veröffentlichung) aktueller Studien verfasst und von MedizinerInnen geprüft, darf aber nicht zur Selbstdiagnose oder Selbstbehandlung genutzt werden, ersetzt also nicht den Besuch bei Ihrem Arzt. Besprechen Sie daher jede Massnahme (ob aus diesem oder einem anderen unserer Artikel) immer zuerst mit Ihrem Arzt.