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  • Kind bekommt eine Fluoridbehandlung vom Zahnarzt
3 min

Kann Fluoridlack bei Kindern Karies verhindern?

Viele Zahnärzte raten bei kleinen Kindern zu Fluoridlack. Doch stellt sich die Frage, ob diese Anwendung tatsächlich sinnvoll ist und wirklich vor Karies schützt. Aktuelle Studien bestätigen die Zweifel.

Fachärztliche Prüfung: Dr. med. Jochen Handel
Aktualisiert: 19 Januar 2023

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Fluoridlack zur Kariesprophylaxe bei Kindern: Sinnvoll oder nicht?

Zur Kariesprophylaxe kommen im Allgemeinen die unterschiedlichsten Fluorid-Präparate zum Einsatz. Dazu zählen fluoridhaltige Zahncremes, Mundspülungen und Gele. Da bei Kindern unter sechs Jahren jedoch die Gefahr besteht, dass sie versehentlich etwas davon verschlucken, wird bei ihnen nicht selten zu Fluoridlack geraten.

Denn Fluoridlack wird vom Zahnarzt meist zweimal jährlich mit einem Pinsel direkt auf die Zahnoberfläche aufgetragen, härtet durch den Kontakt mit Speichel schnell aus und bleibt auf den Zähnen haften. Befürwortern zufolge wird dadurch der Zahnschmelz gehärtet, wodurch das Entstehen und Fortschreiten von Karies verhindert werden soll.

Es steht ausser Frage, dass Fluoridlack bei kleinen Kindern Vorteile bietet, schliesslich kann er nicht verschluckt werden. Doch ist diese Anwendung deshalb auch effektiv und sinnvoll?

Fluoridlack: Studienergebnisse nicht einheitlich

Das Thema Fluorid erhitzt die Gemüter. Weder unter Laien noch unter Experten herrscht Einigkeit darüber, ob Fluoride (und wenn ja, in welcher Anwendungsform) die Zähne nun wirklich vor Karies schützen und welche Nebenwirkungen damit verbunden sind.

Im Jahr 2018 hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) das Ergebnis (3) eines Rapid Reports (Schnellbericht) veröffentlicht. Es wurden 15 randomisierte kontrollierte Studien unter die Lupe genommen, in denen insgesamt mehr als 5.000 Kinder mit Fluoridlack behandelt wurden, während rund 4.700 Kinder keine Fluoridierung erhielten.

Die Studienergebnisse fielen sehr unterschiedlich aus. Dennoch gaben die Wissenschaftler an, dass Fluoridlack deutliche Vorteile biete, weil dadurch Karies an Milchzähnen seltener auftrat. Sie gaben an, dass Karies durch Fluoridlack etwa bei jedem 10. Kind zur Gänze verhindert werden könnte.

Fluoridlack schützt nicht vor Karies

Eine im Jahr 2019 veröffentlichte Studie (1) spricht eine ganz andere Sprache. Hierbei haben brasilianische und US-amerikanische Forscher 20 Untersuchungen, die in 13 Ländern durchgeführt wurden, in ihre Bewertung aufgenommen.

Sie stellten fest, dass alle Studien Verzerrungen aufwiesen. Keines der untersuchten Studienergebnisse wurde als statistisch signifikant eingestuft. Neuere klinische Studien hätten ausserdem gezeigt, dass Fluoridlack weder in Niedrigrisiko- noch in Hochrisikogruppen vor Karies schützt.

Auch nach Anwendung von Fluoridlack kommt es zu Karies

Die Wissenschaftler vertreten zwar nicht die Auffassung, dass Fluoridlack in keinem Fall funktioniere. Denn ihre Analyse ergab, dass das Risiko für die Entstehung von Karies bei jenen Kindern, die mit Fluoridlack behandelt wurden, um 12 Prozent geringer war. Auch kann Fluoridlack eine kostengünstige Alternative zu z. B. Versiegelungen sein, bei denen eine dauerhafte Kunststoffschicht aufgetragen wird.

Dr. Joana Cunha-Cruz von der State University of Rio de Janeiro (2) bezeichnete dies allerdings als einen nur geringfügigen Vorteil, da es bei den meisten Kindern erneut zu einer Kariesbildung komme, ganz unabhängig von der Anwendung von Fluoridlack.

Die Forscher kamen zum Ergebnis, dass Fluoridlack bei Vorschulkindern lediglich eine bescheidene und unsichere Antikarieswirkung zeigte. Die Kosten der Zahnfluoridierung mit Fluoridlack werden bei Kindern jedoch von den Krankenkassen übernommen und daher nicht selten auch vom Zahnarzt empfohlen.

Fluoridzahnpasta bei Kindern: Wirksamkeit nicht belegt

Laut Dr. Joana Cunha-Cruz (2) gibt es in Hinblick auf Fluoridlack für Kinder gute Alternativen, so etwa die Anwendung von Fluoridzahnpasta. Denn diese sei sowohl einfach und effektiv als auch sicher. Andere Studien widersprechen dieser Aussage jedoch - wie etwa der Review (4) der University of North Carolina at Chapel Hill. Dort ist zu lesen, dass man nicht wirklich wisse, ob Fluoridzahnpasta bei Kindern unter 6 Jahren bei der Karieskontrolle nun wirksam sei oder nicht, da die wissenschaftliche Datenlage dazu äusserst dürftig sei.

Ob eine Kariesprophylaxe mit Fluoriden Sinn macht, ist also fraglich. In einem Punkt sind sich Forscher und Zahnärzte jedoch ausnahmsweise einig: Die allerbeste und sicherste Methode, um Kinder vor Karies zu schützen, ist und bleibt eine gute Mundhygiene in Kombination mit einer gesunden Ernährung inkl. einer Beschränkung der Zuckeraufnahme!

Abgesehen von einer möglichen Nichtwirksamkeit von Fluoriden können Fluoride auch gesundheitliche Nachteile mit sich bringen, insbesondere deshalb, da sie sich im Körper anreichern können. Es kommt also eher nicht zu einer akuten Vergiftung. Eine schleichende Entwicklung fluoridmitbedingter Beschwerden ist jedoch durchaus denkbar, wozu Sie im vorigen Links die Details erfahren.

Fluoridlack bei Kreidezähnen

Auch bei Kreidezähnen (MIH für Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation), die immer mehr Kinder betreffen, wird stark mit Fluoridprodukten wie Fluoridzahngel, fluoridierter Zahncreme und (beim Zahnarzt) Fluoridlack gearbeitet. Damit will man eine Härtung der kariesanfälligen, schmerzempfindlichen und brüchigen Zähne erreichen. Die wahrscheinliche Ursache wird dabei aber nicht berücksichtigt. Kreidezähne betreffen meist die bleibenden Backen- und Schneidezähne, gelegentlich aber auch schon die Milchzähne. Entdeckt werden sie von den Eltern meist anhand ihrer weissen bis bräunlichen Flecken. Lesen Sie in unserem Text über Kreidezähne alles über das weit verbreitete Zahnproblem und seine tatsächlichen Ursachen.


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Wichtiger Hinweis

Dieser Artikel wurde auf Grundlage (zur Zeit der Veröffentlichung) aktueller Studien verfasst und von MedizinerInnen geprüft, darf aber nicht zur Selbstdiagnose oder Selbstbehandlung genutzt werden, ersetzt also nicht den Besuch bei Ihrem Arzt. Besprechen Sie daher jede Massnahme (ob aus diesem oder einem anderen unserer Artikel) immer zuerst mit Ihrem Arzt.