Gesunde Ernährung beugt chronischer Nierenkrankheit vor
Die chronische Nierenkrankheit (auch chronisches Nierenversagen oder Niereninsuffizienz genannt) bezeichnet eine Erkrankung, bei der die Nieren über Monate oder Jahre kontinuierlich ihre Funktionsfähigkeit verlieren. Schadstoffe und Stoffwechselabbauprodukte können immer weniger gut aus dem Blut gefiltert werden. Im Endstadium müssen die Patienten daher eine regelmässige Dialysebehandlung in Anspruch nehmen oder auf eine Nierentransplantation hoffen.
Bei der Krankheit sinkt die Lebenserwartung, da die Patienten häufiger an Infektionskrankheiten (z. B. Lungenentzündungen) und Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Bluthochdruck bis hin zum Schlaganfall) leiden als nierengesunde Menschen. Hoher Blutdruck entsteht bei Niereninsuffizienz, weil die kranken Nieren ein blutdruckerhöhendes Hormon ausschütten, damit sie durch den höheren Blutdruck besser durchblutet werden und auf diese Weise besser funktionieren können. Bluthochdruck ist dabei nicht nur eine Folge der Nierenkrankheit, er ist auch eine wichtige Mitursache.
In einer Studie stellten Wissenschaftler der University of Virginia School of Medicine fest: Patienten mit chronischem Nierenversagen essen weniger Obst und Gemüse als Personen, die diese Krankheit nicht haben ( 6 ). Zwar könnte es sei, dass der geringe Obst-und-Gemüse-Verzehr auch eine Folge der chronischen Nierenkrankheit darstellt. Doch wiesen schon frühere Studien darauf hin, dass eine gesunde Ernährung vor der chronischen Nierenkrankheit schützen kann, etwa eine Untersuchung, die Clinical Journal of American Society of Nephrology veröffentlicht wurde. Eine gesunde Ernährung könne demnach in Anbetracht von 500 Millionen Betroffenen (weltweit) nicht nur das Leid des Einzelnen und seiner Familie massiv reduzieren, sondern auch die Kosten der Gesundheitssysteme ( 1 ).
Risiko für chronische Nierenkrankheit sinkt um 30 Prozent
Forscher der medizinischen Fakultät der Bond University in Queensland/Australien hatten für die Übersichtsarbeit alle relevanten Studien (die bis Februar 2019 erschienen waren) mit insgesamt über 630.000 Teilnehmern analysiert. Wissenschaftlich begleitet wurden die Teilnehmer der 18 Studien im Durchschnitt 10,4 Jahre lang.
Wer sich gesund ernährte, so zeigte sich, konnte einer chronischen Nierenkrankheit vorbeugen. Das Risiko, Opfer einer solchen Erkrankung zu werden, sank um 30 Prozent. Mit „gesunder Ernährung“ ist hier eine Ernährung gemeint, die den folgenden Kriterien entspricht:
- Viel Obst und Gemüse
- Reichlich Nüsse und Hülsenfrüchte
- Vollkornprodukte
- An tierischen Produkten Fisch und fettarme Milchprodukte
- Nur wenig rotes Fleisch und wenige verarbeitete Fleischprodukte
- Wenig Salz
- Selten oder nie mit Zucker gesüsste Getränke
Gesunde Ernährung verhindert jene Krankheiten, die zu Nierenschäden führen
„Unsere Ergebnisse unterstützen bereits bestehende Belege für die Vorteile einer gesunden Ernährungsform – wie etwa der mediterranen Ernährung, der DASH-Diät oder auch einer Ernährung nach den offiziellen Richtlinien“, sagte Studienautor Dr. Jaimon Kelly. Schliesslich sei bekannt, dass eine gesunde Ernährung sehr gut zur Prävention vieler chronischer Krankheiten eingesetzt werden könne, z. B. zur Prävention von Typ-2-Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen (z. B. Bluthochdruck, Arteriosklerose), Demenz und Krebs.
Da gerade ein Typ-2-Diabetes und Bluthochdruck mit zu den wichtigsten Krankheiten gehören, die überhaupt erst zur einer chronischen Nierenkrankheit führen, kann man mit einer gesunden Ernährung doppelt vorbeugen: Erst dem Diabetes und Bluthochdruck und damit automatisch einer Nierenkrankheit.
Gesunde Ernährung fördert auch die Heilung dieser Krankheiten!
Bestehen nun aber ein Typ-2-Diabetes und Bluthochdruck bereits, dann kann man ebenfalls mit einer gesunden Ernährung sehr viel erreichen. Typ-2-Diabetes gilt in vielen Fällen sogar als heilbar, wenn man seine Lebens- und Ernährungsweise gesünder gestaltet – und auch der Blutdruck pendelt sich meist wieder ein, wenn man gesund isst und lebt.
Aber auch die schon bestehende chronische Nierenkrankheit kann in ihrem Fortschreiten deutlich gebremst werden, wenn man noch im Nachhinein die Ernährung umstellt ( 3 ). Wie genau die Ernährung aussehen soll, hängt von der Schwere der Erkrankung ab.
Die richtige Ernährung für die Nieren
Ist noch keine Dialyse erforderlich, kann die Ernährung meist problemlos auf die bei uns beschriebene Ernährungsweise umgestellt werden, da diese automatisch auch die Grundregeln einer nierengesunden Ernährung berücksichtigt. Diese Regeln lauten:
- Nicht zu viel Eiweiss, aber auch nicht zu wenig (unter 1,3 g, besser zwischen 0,8 und 1 g Eiweiss pro Kilogramm Körpergewicht bleiben)
- Nicht zu viel Salz, am besten bei 5 bis 6 g pro Tag bleiben, dabei unbedingt den hohen Salzgehalt vieler Fertigprodukte berücksichtigen (salzige Snacks, Wurst, Käse, Backwaren, Fertigsuppen etc.), was bedeutet, dass man diese besser weitgehend meidet und seine Mahlzeiten aus frischen Zutaten selbst zubereitet und salzarm würzt.
- Kranke Nieren können Phosphate nicht mehr so gut ausscheiden. Steigende Phosphatspiegel aber erhöhen das Risiko für Knochenerkrankungen und Verkalkungen der Gefässe mit nachfolgenden Herz-Kreislauf-Ereignissen. Da Phosphate insbesondere in eiweissreicher Kost und auch in vielen Fertigprodukten (in vielen Wurst- und Käsesorten, Backwaren mit Backpulver, Softdrinks etc.) enthalten sind, ist die Einschränkung des Phosphatverzehrs gerade mit einer eiweissarmen und gesunden Ernährung kein Problem ( 5 ).
- Reichlich Salate, Gemüse, Obst und Kräuter: Diese Lebensmittel sind kaliumreich - und gerade Nierenpatienten wird häufig zu einer kaliumarmen Ernährung geraten. Was also tun?
Kalium bei Nierenkrankheiten: Ja oder nein?
Wer bereits die Diagnose „chronische Nierenerkrankung“ bekommen hat, erhält meist auch die ärztliche Empfehlung, weniger Kalium zu sich zu nehmen (maximal 1500 - 2000 mg). Doch sind gerade Obst und Gemüse jene Lebensmittel mit dem höchsten Kaliumgehalt. Nun sind Nierenpatienten - wie oben erwähnt - besonders anfällig für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Herz und Kreislauf aber benötigen unbedingt ausreichend Kalium. Wird nun kaliumarm gegessen, steigt das Risiko für Folgeerkrankungen ( 7 ).
In einer Übersichtsarbeit von 2020 wurden 9 Studien zu diesem Thema ausgewertet. Es zeigte sich, dass eine kaliumreiche Ernährung (mehr als 2500 mg Kalium pro Tag) bei einer Niereninsuffizienz (Stadium 1 und 2) das Fortschreiten der Krankheit bremste und dass gleichzeitig eine kaliumarme Ernährung die Krankheit förderte. Wer also eine Niereninsuffizienz im frühen Stadium hat, sollte keinesfalls kaliumarm essen.
Kaliumarm muss die Ernährung tatsächlich nur dann sein, wenn auch tatsächlich hohe Kaliumwerte gemessen werden, was meist erst im Endstadium bzw. bei Dialysepflicht der Fall ist. Gesunde kaliumreiche Lebensmittel, wie Kräuter, Gemüse und Salate, müssen also keinesfalls gemieden werden, wie früher öfter behauptet wurde. Im Gegenteil.
Der Verzehr von Gemüse und Obst kann eine metabolische Azidose genauso gut beheben wie die Gabe von Natriumhydrogencarbonat. Bei der metabolischen Azidose können die Nieren die im Stoffwechsel anfallenden Säuren nicht mehr umfassend ausscheiden, was zu einem noch rascheren Verlust der Nierenfunktion beiträgt ( 4 ).
Nierenspezialistin Dr. Julia J. Scialla von der University of Virginia weist darauf hin, dass Ärzte gerade Nierenpatienten keine Angst vor Obst und Gemüse machen sollten, indem sie vor kaliumreichen Lebensmitteln warnen. Denn Obst und Gemüse enthalten natürlich nicht nur Kalium, sondern auch Vitamine, Ballaststoffe und antioxidativ wirksame sowie entzündungshemmende sekundäre Pflanzenstoffe, die den Betroffenen nun fehlen und ihre Gesundheit weiter schwächen.
Nierenkrankheiten mit gesunder Ernährung verhindern
„Mit Hilfe unserer Studie könnte man nun Präventionsprogramme für die chronische Nierenkrankheit entwickeln“, hofft Dr. Kelly. Denn – wie oben erklärt – kann eine gesunde Ernährung nicht nur eine Nierenkrankheit verhindern, sondern sie auch in ihrem Fortschreiten bremsen, wenn sie bereits besteht.
Dazu wäre es jedoch erst einmal erforderlich, Ärzte in Sachen Ernährung auszubilden, damit Patienten von Anfang an entsprechend beraten werden können, denn das Medizinstudium umfasst den Bereich Ernährung so gut wie gar nicht, so dass man besser selber tätig wird und sich eigenverantwortlich um eine gesunde Ernährungs- und Lebensweise kümmert oder sich einen Arzt mit Kompetenzen im Bereich der Ernährungsmedizin sucht.
Liebe Ärztinnen und Ärzte, liebe Studierende der Medizin: So lange das Medizinstudium und auch die Facharztausbildung zum Internisten oder Allgemeinmediziner das Thema Ernährung nur am Rande enthält, liegt es an Ihnen, sich weiterzubilden, um Ihre PatientInnen umfassend beraten zu können. Denn immer mehr Menschen möchten nicht nur Medikamente nehmen, sondern selbst etwas für Ihre Gesundheit tun.