Der Club der Hundertjährigen feiert in Japan einen Rekord
Weltweit ist die Lebenserwartung der Menschen im Steigen begriffen. Doch ist es entscheidend, wo man lebt. Das Land mit der höchsten Lebenserwartung ist nach wie vor Japan. Seit dem Jahr 2019 leben hier mehr als 70.000 Menschen, die 100 Jahre alt sind oder älter ( 1 ).
Seit geraumer Zeit interessiert sich die Forschung dafür, was den Anti-Aging-Effekt ausmacht. Liegt es an den Genen, dem gesunden Essen oder der sportlichen Betätigung? Wir haben für Sie einige Studienergebnisse unter die Lupe genommen.
Haben Japaner die besseren Gene?
Lange Zeit hiess es, dass die Gene bis zu 30 Prozent über die individuelle Lebenserwartung entscheiden. Eine im Jahr 2018 in der Fachzeitschrift Genetics veröffentlichte Studie ( 2 ) hat jedoch mit dem Gen-Mythos aufgeräumt.
Die Forscher haben dabei einen Datensatz von 400 Millionen Menschen analysiert. Sie kamen zum Schluss, dass der direkte Anteil der Gene an der Lebensdauer nur bei 7 Prozent liegt. Die ausschlaggebenden Einflussfaktoren seien der Lebensstil und die Umweltbedingungen. Es liegt demnach zum Grossteil in unserer Hand, unsere Lebenserwartung zu steigern.
Hat die Ernährung etwas mit der Langlebigkeit zu tun?
Okinawa, die Insel der Hundertjährigen, war für Jahrzehnte weltweit die Region mit der höchsten Lebenserwartung. Ein Schlüssel für die sagenhafte Langlebigkeit ist die traditionelle Okinawa-Küche. Laut Wissenschaftlern ( 7 ) von der Okinawa International University zeichnet sich diese dadurch aus, dass sie arm an Kalorien und gleichzeitig antioxidantienreich sowie reich an gesunden Kohlenhydraten ist.
Die Inselbewohner essen besonders viel Gemüse wie Süsskartoffeln und Bittermelonen, dafür kaum Fleisch, kaum Produkte aus Auszugsmehlen (Weissmehl), kaum Milchprodukte, kaum gesättigte Fette und auch wenig Zucker und Salz. Dadurch wird das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und andere chronische Leiden verringert.
Die Okinawa-Küche ( 4 ) unterscheidet sich von der Kost auf dem Festland vordergründig dadurch, dass weniger tierische Produkte und kaum Weissmehl auf den Tisch kommen. Grundsätzlich ist die japanische Kost der mediterranen Ernährungsweise sehr ähnlich – und dennoch leben die Japaner länger als die Menschen im Mittelmeerraum. Es muss also weitere Gründe für die besondere Langlebigkeit der Japaner geben.
Möglicherweise ist es die Tatsache, dass man in Japan fast täglich Natto isst (fermentierte Sojabohnen), dem man sehr gute Effekte auf die Gesundheit nachsagt. Man spricht sogar vom Jungbrunnen aus Japan.
Sport und soziale Kontakte verlangsamen den Alterungsprozess
Ob Qi Gong, Tai Chi oder Judo: Sport spielt in Japan eine bedeutende Rolle. Es gilt als Ideal, sich bis ins hohe Alter körperlich zu betätigen. Forscher ( 5 ) von der University of Tsukuba haben im Jahr 2019 untersucht, inwiefern sich dieser Aspekt auf die Lebenserwartung auswirken könnte.
Dabei wurde analysiert, wieviel Sport Menschen mittleren Alters in den 47 japanischen Präfekturen betrieben. Es zeigte sich: Je sportlicher die Leute in einer Präfektur waren, desto höher war dort auch die Lebenserwartung. Die besten Ergebnisse wurden erzielt, wenn die sportliche Betätigung mit Familienmitgliedern und Freunden stattfand.
In Japan spielt die Familie auch ausserhalb der sportlichen Aktivitäten eine ausserordentlich wichtige Rolle. Zahlreiche Senioren verbringen ihre letzten Lebensjahre nicht im Altenheim, sondern im behüteten Kreis der Familie. Laut einer an der University of Alabama at Birmingham durchgeführten Studie ( 6 ) erhöht in Japan keineswegs der sozioökonomische Status, sondern die soziale Unterstützung der Familie und Freunde die Lebenserwartung.
Moderner Lebensstil bedroht Langlebigkeit der Japaner
Zu Beginn der Statistik im Jahr 1963 gab es in Japan nur 153 Hundertjährige. Die Lebenserwartung konnte laut einer im Jahr 2017 durchgeführten Studie ( 3 ) in den vergangenen Jahrzehnten auch durch das erhöhte Gesundheitsbewusstsein und die Fortschritte in der Medizin gesteigert werden. Japan sei es insgesamt gelungen, die Sterblichkeit in Bezug auf viele schwere Krankheiten zu senken.
Allerdings stellten die Forscher fest, dass die hohe Lebenserwartung in Japan auf Messers Schneide steht. Zu den Ursachen zählen Schwankungen im Gesundheitssystem, die Urbanisierung, der rasant zunehmende Konsum von Fastfood, Alkohol und Tabak sowie das Nachlassen des starken sozialen Zusammenhalts.