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  • Patient erhält eine Spritze beim Zahnarzt
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Über 80 Prozent der Antibiotika vom Zahnarzt sind unnötig

Zahnärzte verschreiben gerade älteren Patienten oft rein präventiv Antibiotika. In über 80 Prozent dieser Fälle ist das Arzneimittel offenbar unnötig, wie Forscher der Oregon State University berichten.

Aktualisiert: 14 August 2023

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Zahnärzte verordnen Antibiotika gerne präventiv

Etwa jedes zehnte Antibiotika-Rezept wird von Zahnärzten ausgestellt – oft rein präventiv. Werden Antibiotika jedoch unnötigerweise verordnet, dann muss der Patient mit Nebenwirkungen klarkommen, die eigentlich vermeidbar wären. Geichzeitig trägt man zum Problem der zunehmenden Antibiotikaresistenzen bei, was dazu führt, dass die Arzneimittel irgendwann einmal nicht mehr wirken.

Jessina McGregor und ihre Forscherkollegen von der Oregon State University analysierten annähernd 170.000 zahnärztliche Antibiotika-Rezepte, die zwischen 2011 und 2015 an mehr als 90.000 Patienten im Durchschnittsalter von 63 Jahren abgegeben wurden. ( 1 )

Viele Patienten erhalten Antibiotika, obwohl diese gar nicht nötig wären

Mehr als 90 Prozent der Patienten mussten vor einer zahnärztlichen Behandlung prophylaktisch Antibiotika nehmen, obwohl diese laut den zahnärztlichen Leitlinien z. B. nur bei Vorliegen einer bestimmten Herzerkrankung (z. B. künstliche Herzklappen) erforderlich gewesen wären. In Wirklichkeit hatten nur 21 Prozent dieser Patienten eine entsprechende Herzproblematik. Weitere Voraussetzungen für eine präventive Antibiotikagabe vor zahnärztlichen Behandlungen wären ein Gelenkimplantat oder eine Immunschwäche.

"Durch präventive Antibiotikagaben werden Patienten Risiken ausgesetzt, die jeden Nutzen überwiegen“, sagte McGregor, Dozentin am pharmazeutischen Institut der Oregon State University.

Oft wird Clindamycin verschrieben – ein Reserveantibiotikum

Meist war es Clindamycin, das verschrieben wurde, eigentlich ein Reserveantibiotikum, das einerseits erst gegeben werden soll, wenn andere Antibiotika nicht mehr wirken oder der Patient andere Antibiotika nicht verträgt und das andererseits besonders häufig zu Nebenwirkungen führen soll.

Infektionsrisiko ist häufig geringer als angenommen

Als Grund, warum so oft Antibiotika gegeben wurden, gaben die Zahnärzte vorliegende Gelenkimplantate an (um eine Gelenkprotheseninfektion zu verhindern). Hier war aber schon nach früheren Empfehlungen eine prophylaktische Antibiotikagabe vor einschlägigen Zahnbehandlungen nur in den ersten zwei Jahren nach dem Einsetzen der Implantate erforderlich. ( 2 )

Die Schweizer Expertengruppe Infektionen der Swiss Orthopaedics hingegen erklärten in einem Artikel von 2016 ( 3 ), dass selbst in den ersten Monaten nach dem Einsetzen eines Gelenkimplantats das Infektionsrisiko unter 1 Prozent lag.

"Zahnärzte sind im Allgemeinen sehr sorgfältig, was die Therapien ihrer Patienten angeht. An dieser Stelle jedoch besteht Optimierungsbedarf!”, sagte Susan Rowan vom Institut für Zahnmedizin an der University of Illinois in Chicago.

Empfehlungen für die Zahnarztpraxis: Antibiotika nur bei tatsächlichem Bedarf!

Die Schweizer Expertengruppe fasst die wichtigsten Empfehlungen für die Zahnarztpraxis im oben genannten Artikel zusammen:

  1. So sollte beispielsweise vor der Implantation einer Gelenkprothese eine zahnärztliche Untersuchung stattfinden, um potentielle Infektionen zu entdecken und erforderliche Zahnbehandlungen rechtzeitig durchzuführen.
  2. Nach der Implantation der Gelenkprothese sollte der zahnmedizinische Status regelmässig beurteilt und auf entsprechende Dental- und Mundhygiene hingewiesen werden.
  3. Ist eine Behandlung/ein Eingriff nach Gelenkprothesenimplantation erforderlich, muss unterschieden werden, ob der Eingriff aufgrund einer Infektion erfolgt oder eine solche nicht vorliegt. Liegt eine Infektion vor (z. B. ein Abszess), ist bei Gelenkprothesenträgern ein Antibiotikum erforderlich. Liegt jedoch keine Infektion vor, dann muss keine antibiotische Prophylaxe erfolgen.
  4. Bei Patienten, bei denen noch weitere Risikofaktoren vorliegen (Herzproblematiken, Immunschwäche), sollte man von Fall zu Fall entscheiden und sich als behandelnder Zahnarzt vorab mit Fachspezialisten besprechen.

Als betroffener Patient können Sie daher vor einer präventiv verordneten Antibiotikatherapie Ihren Zahnarzt auf diese Punkte hinweisen und sich vergewissern, ob in Ihrem Fall eine Antibiotikagabe überhaupt nötig ist.

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Wichtiger Hinweis

Dieser Artikel wurde auf Grundlage (zur Zeit der Veröffentlichung) aktueller Studien verfasst und von MedizinerInnen geprüft, darf aber nicht zur Selbstdiagnose oder Selbstbehandlung genutzt werden, ersetzt also nicht den Besuch bei Ihrem Arzt. Besprechen Sie daher jede Massnahme (ob aus diesem oder einem anderen unserer Artikel) immer zuerst mit Ihrem Arzt.