Insekten bedrohen Orangen, Mandarinen und Zitronen
Der Anbau von Orangen, Mandarinen und Zitronen ist kein Kinderspiel. Zitrusschmierlaus, Blattminierer, Mittelmeerfruchtfliege, Australische Wollschildlaus, Gemeine Spinnmilbe, Rote Schildlaus, Weisse Fliege und natürlich die Blattlaus – sie alle (und noch viel mehr) haben in den Anbauregionen von Orange & Co. ein bevorzugtes Ziel: Zitrusbäume.
Zitrusfrüchte werden häufig gespritzt
Alle diese Schadinsekten befallen Blätter, Blüten, junge Triebe und nicht selten auch die reifenden Früchte. Je mehr dieser Insekten sich in einer Orangen- oder Mandarinenplantage einfinden, umso geringer die Ernte. Ja, sogar der Totalausfall einer Ernte droht. Verständlich, wenn Zitrusbauern schon bei den ersten Anzeichen eines Insektenbefalls nach ihren Spritzgerätschaften greifen.
Da natürlich nicht alle Insekten zur gleichen Jahreszeit auftauchen, wird im Jahresverlauf mehrfach und mit unterschiedlichen Chemikalien gespritzt.
Marienkäfer als Helfer im Orangen- und Mandarinenanbau
Bekannt ist jedoch sogar in konventionell bewirtschafteten Plantagen, dass beispielsweise gegen die Australische Wollschildlaus nichts effektiver wirkt als eine gesunde Marienkäferpopulation.
Über weite Entfernungen kommt der Marienkäfer herbei geflogen, wenn er die Australische Wollschildlaus wittert. Marienkäfer benötigen lediglich einen Monat, bis sie eine befallene Zitrusplantage nachhaltig von dieser Lausart befreit haben.
Und so wie der Marienkäfer die Wollschildlaus unter Kontrolle halten kann, gibt es nahezu für jedes Schadinsekt einen oder mehrere natürliche Feinde: Eine kleine Erzwespe frisst die weisse Fliege, eine Gallmücke die Spinnmilbe und bestimmte Schlupfwespen haben sich auf die Zitrusschmierlaus spezialisiert. Aber genau wie der Marienkäfer brauchen auch sie einige Wochen Zeit, um sich anzusiedeln und ihre Arbeit zu tun.
Spritzmittel töten auch Nutzinsekten
Doch nicht jeder Landwirt hat die Nerven, einen Monat lang zu warten, um zu sehen, ob genügend Marienkäfer, Gallmücken und Schlupfwespen eintreffen. Und wenn dann noch andere Schadinsekten zu erblicken sind, wird gespritzt.
Dann jedoch sterben natürlich nicht nur die Zielinsekten, sondern auch der Marienkäfer, der auf Chemikalien ganz besonders empfindlich reagiert, und viele andere Nützlinge ebenfalls.
Jetzt ist die Ernte vollständig auf chemischen Schutz angewiesen, da das biologische Gleichgewicht zerstört ist. Immer häufiger wird nun gespritzt, um Ernteeinbussen zu verhindern und um die eigene Existenz nicht zu gefährden.
Spritzmittel gegen Unkraut, Pilze und dem vorzeitigen Früchtefall
Doch werden Chemikalien nicht nur gegen Insekten eingesetzt, sondern auch gegen Unkräuter, gegen verschiedene Pilzerkrankungen und sogar (in den Wochen vor der Ernte) gegen das vorzeitige Abfallen der Früchte.
Letzteres geschieht mit einem meist synthetischen Wachstumsregulator, der auf den Zitrusbaum eine hormonelle Wirkung ausübt, so dass dieser seine reifen Früchte nicht mehr abwerfen kann (sie würden sonst Druckstellen bekommen), sondern auf die Erntemannschaft warten muss.
Wie grüne Zitrusfrüchte gefärbt werden
Liegen die Früchte dann endlich wohlgeformt und makellos in ihren Kisten, ist die Zeit der Chemiebäder für Orange, Mandarine & Co noch lange nicht vorüber.
War die Temperatur zur Zeit der Ernte noch zu hoch, dann werden Zitrusfrüchte grün geerntet. Die Farbe hat in diesem speziellen Fall nicht viel mit dem Reifegrad zu tun, sondern tatsächlich nur mit der fehlenden Kälteperiode.
Aus diesem Grund sieht man auf den Märkten in tropischen Ländern oft grüne Zitrusfrüchte, die jedoch vollkommen reif sind und daher auch wunderbar saftig, süss und aromatisch schmecken.
Orangen und Mandarinen aus dem Mittelmeerraum jedoch werden nur dann grün geerntet, wenn es sich um sehr frühe Sorten handelt. Spätestens im November nämlich wird es auch in Spanien und Italien herbstlich kühl. Fallen dann die Temperaturen des nachts auf 10 bis 12 Grad, färben sich die Früchte innerhalb weniger Tage in das bei uns wohlbekannte Orange.
Grüne Zitrusfrüchte, wenn also die Kälteperiode auf sich warten liess, müssen jedoch erst in das erwünschte Orange "eingefärbt" werden. Dies geschieht in sog. Reifekammern, in denen die Früchte einem Gas, dem sog. Ethylen ausgesetzt werden. Ethylen sorgt dafür, dass die Früchte schön orange oder - bei Zitronen - schön gelb werden.
Glücklicherweise ist Ethylen keine problematische Chemikalie, sondern ein pflanzliches Hormon, das von sehr vielen Früchten selbst gebildet wird.
Chemikalien nach der Ernte
Deutlich weniger harmlos sind Substanzen, mit denen man die Früchte konserviert. Manche dieser Chemikalien sollen Orangen, Mandarinen und Zitronen während ihrer Lager- und Transportzeit vor Verderb durch Schimmel und Fäulnis schützen. Andere sollen das Austrocknen verhindern.
Und gerade weil diese Stoffe so wenig harmlos sind, muss auf den Etiketten der Obstkisten oder Obstnetze auch vermerkt sein, dass die Zitrusfrüchte behandelt wurden. Zur Auswahl stehen Imazalil, Biphenyl (E230), Orthophenylphenol (E231), Natriumorthophenylphenol (E232) oder Thiabendazol.
Wurde letzteres auf die Früchte versprüht, dann muss dies auch namentlich auf dem Etikett erscheinen. Somit ist nur die konkrete Erwähnung des Thiabendazols gesetzlich vorgeschrieben. Kamen hingegen die anderen Chemikalien zum Einsatz, steht auf dem Etikett meist nur "Konserviert".
Fungizid Imazalil gilt als krebserregend
Imazalil wird weltweit hergestellt. Es ist ein Fungizid, also ein Mittel gegen Schimmel- und Pilzbefall. Im Tierversuch hatte die Chemikalie Leber- und Schilddrüsentumore verursacht und sich negativ auf die Entwicklung und die Fortpflanzungsfähigkeit ausgewirkt ( 1 ).
Auch kam es in manchen Fällen zu einem Blutdruckabfall, zu Koordinationsstörungen und Zittern. Darüber hinaus gilt der Stoff als fischtoxisch und umweltschädlich.
Laut Statistiken, die von der amerikanischen Umweltschutzbehörde EPA und dem United States Department of Agriculture (USDA) Pestizide Data Program(PDP) vorgelegt wurden, liegt bei Kindern mit 20 Kilogramm Körpergewicht die Höchstgrenze an mit Imazalil behandelten Zitrusfrüchten, die bedenkenlos verzehrt werden können, vorsichtshalber bei nur 400 g, was etwa 6 kleinen Mandarinen entsprechen würde ( 3 ) ( 4 ).
Bei Erwachsenen liegt die Toleranzgrenze für Toxine dieser Art höher, so dass man dann – laut den amerikanischen Behörden – 630 Gramm behandelte Zitrusfrüchte verzehren könne, ohne einer Vergiftung zu erliegen.
Orthophenylphenol – Vom Lebensmittelzusatzstoff zum Pflanzenschutzmittel
Zwei weitere Mittel, die zur Behandlung von Orangen, Mandarinen und anderen Zitrusfrüchten eingesetzt werden, sind Orthophenylphenol und Natriumorthophenylphenol. Beide sind als Lebensmittelzusatzstoffe bzw. Konservierungsstoffe für Lebensmittel zugelassen – daher die E-Nummern.
Doch soll sich das in Kürze ändern. Die Stoffe sind wohl zu gefährlich und sollen künftig zur Kategorie der Pflanzenschutzmittel gehören, wohin die Chemikalien auch wirklich deutlich besser passen.
Denn wie viele andere chemische Pflanzenschutzmittel auch, so sind diese beiden Substanzen hochgiftig für Gewässer und die Umwelt. Im Tierversuch lösten sie Blasenkrebs aus und können ferner beim Menschen schon in geringen Mengen Übelkeit und Erbrechen verursachen. Hautempfindliche Leute sollten ferner die Stoffe bzw. damit behandelte Früchte nicht an ihre Haut gelangen lassen.
Thiabendazol – Die Wurmkur auf der Mandarine
Thiabendazol ist wohl das am häufigsten eingesetzte Konservierungsmittel für Zitrusfrüchte. Wird es nicht gerade auf Orangen- oder Mandarinenschalen gesprüht, dann findet es Einsatz als Anthelminthikum, was so viel wie Wurmkur bedeutet.
Doch wird es nicht nur in Wurmkuren für Tiere verwendet, sondern auch beispielsweise dann, wenn sich Menschen vom Urlaub in tropischen Gefilden die Wanderlarve mit nach Hause bringen. Wanderlarven fressen sichtbare Gänge unter der Haut – meist an den Beinen, Armen oder am Gesäss.
Thiabendazol kann ausserdem – natürlich wie immer abhängig von der aufgenommenen Dosis – die Leber schädigen sowie die Gallenfunktionen stören ( 5 ).
Ein Medikament mag nun für den Notfall ganz hilfreich sein. Und mit einer Wanderlarve im Po geht man auch gerne so manch Risiko in Bezug auf Nebenwirkungen ein. Ob man sich jedoch mit jeder Mandarine eine Wurmkur einverleiben möchte, darf bezweifelt werden.
Wachse auf Orangen und Zitronen
Glücklicherweise erkennt man konservierte Früchte ganz einfach auch dann, wenn das Etikett fehlen würde. Sie glänzen nämlich extrem.
Doch glänzen sie nicht wegen der konservierenden Chemikalien, sondern aufgrund des Wachses, in das die Früchte getaucht wurden, damit sie nicht so schnell austrocknen und notfalls monatelang gelagert werden können.
Allerdings gibt es nur wenige Zitrusfrüchte, die nur gewachst, aber nicht mit Chemikalien behandelt wären. Das liegt daran, dass die Chemikalien bereits dem Wachs beigemischt sind.
Verwendet werden entweder natürliche oder synthetische Wachse. Natürlich sind sie, wenn sie z. B. aus Schellack (E904) bestehen, einem Stoff aus der Lackschildlaus. Auch Carnauba-Wachs (E903) ist ein natürliches Wachs. Es wird aus den Blättern der Carnauba-Palme hergestellt.
Zu den synthetischen Wachsen gehören solche auf Paraffinbasis (E905) oder auch die sog. Polyethylenwachsoxidate (E914).
Für den Verzehr sind ursprünglich weder natürliche noch künstliche Wachse gedacht. Schäden durch die Wachse sind jedoch nicht bekannt, da sie meist unverändert wieder ausgeschieden werden. Dennoch werden gewachste Früchte mit dem Vermerk "Gewachst" deklariert.
Kreuzkontaminationen über Packstrassen sind möglich
Nun sind in Zitrusfrüchten aber nicht nur jene Chemikalien enthalten, mit denen man sie wissentlich gespritzt oder behandelt hat, sondern auch ganz andere.
In einer Untersuchung des Deutschen Fruchthandelsverbandes und der Universität Hohenheim aus dem Jahr 2010 stellte man nämlich fest, dass es auf Packstrassen auch leicht zu sog. Kreuzkontaminationen kommen kann.
Stark belastete Früchte hinterlassen dabei auf der Packstrasse Chemikalien-Rückstände, die dann von den folgenden – vielleicht weniger belasteten Früchten – aufgenommen werden. Auch ist eine Kreuzkontamination über Mehrwegkisten denkbar.
Giftige Rückstände in Orangen, Mandarinen & anderen Zitrusfrüchten
Bei all den vor und nach der Ernte eingesetzten Chemikalien dürfte es somit niemanden wundern, wenn bei Rückstandsanalysen 80 Spritzmittelwirkstoffe gefunden werden – wie das beispielsweise bei Untersuchungen des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit ebenfalls im Jahr 2010 der Fall war ( 2 ).
Es wurden damals 94 Proben Zitrusfrüchte aus dem Gross- und Einzelhandel untersucht. Darunter waren 80 konventionelle Fruchtproben und 14 Bio-Proben.
Während die Hälfte der Bio-Früchte völlig rückstandsfrei war und die andere Hälfte nur Spuren von Chemikalien aufwies, fanden sich in allen 80 konventionellen Proben eindeutige Rückstände toxischer Spritz- und Konservierungsmittel – und zwar nicht nur Rückstände von einem Stoff, sondern gleich von mehreren gleichzeitig.
Gar die Hälfte aller konventionellen Früchte enthielt fünf bis sieben verschiedene Chemikalien und weitere 20 Prozent sogar acht und mehr Rückstände. Eine griechische Orange war mit einem Giftcocktail von 12 unterschiedlichen Chemikalien der Spitzenreiter ( 6 ).
Die oben genannten 80 Spritzmittelwirkstoffe konnten auf diese Weise 464mal nachgewiesen werden ( 7 ). Zwar wurden die Grenzwerte nur in 4 Prozent der Fälle überschritten, was möglicherweise auch auf viel zu hoch angesetzte Grenzwerte hinweisen könnte. Doch bezeichnete das Bayerische Landesamt konventionell erzeugte Orangen, Mandarinen und Zitronen dennoch als "eher stark belastete" Früchte.
Wie praktisch ist es da doch, dass auf den Kisten oder Netzetiketten wenigstens vermerkt ist, ob die Früchte nach der Ernte behandelt wurden. Meist sind dies stets Früchte, die auch vor der Ernte reichlich gespritzt wurden, während Bio-Orangen, Bio-Mandarinen etc. so gut wie nie nach der Ernte behandelt werden – und wenn doch, so nur mit natürlichen Wachsen, was natürlich ebenfalls deklariert werden muss.
Meist besitzen Bio-Zitrusfrüchte jedoch eine matte Oberfläche und sind damit unbehandelt.
Behandelte Zitrusschalen sind ungeniessbar!
Die konkrete Deklarierung behandelter Früchte soll in jedem Fall verhindern, dass die Schale für Back- oder Kochrezepte verwendet wird.
Auch auf den Kompost sollten behandelte Zitrusschalen nicht unbedingt wandern, da sie andernfalls den Boden mit Chemikalien anreichern würden, was man ja im naturgemässen Gartenbau gerade vermeiden möchte.
Ideal wäre es, die Früchte vor dem Schälen in heissem oder wenigstens lauwarmem Wasser gründlich zu schrubben. Doch auch dann wird es nicht gelingen, die Rückstände vollständig zu entfernen. Nach dem Schälen der Früchte sollte man sich daher in jedem Fall sofort ausgiebig die Hände waschen (und dies auch Kindern so auftragen), bevor man zum Verzehr schreitet.
Leider gelangen jedoch auch schon während des Schälens Chemikalien, die man an den Fingern hatte, auf die geschälte Frucht.
Mandarinen und Clementinen, die meist direkt aus der Hand genascht werden und auch von Kindern gerne mit in den Kindergarten oder die Schule genommen werden, sollten daher keinesfalls in konventioneller, also behandelter Qualität, sondern immer in Bio-Qualität gekauft werden.
Genauso müssen Früchte, deren Schalen man verwenden möchte, unbedingt aus Bio-Anbau stammen.
Denn wozu das Chemikalien-Risiko eingehen, wenn es im Naturkosthandel wunderbare Mandarinen und Orangen gibt, die nicht nur nach der Ernte unbehandelt bleiben, sondern auch schon davor ohne Chemikalien und statt dessen mit der Hilfe von Marienkäfer & Co heranreiften?
Sie werden alsbald feststellen, dass die Bio-Früchtchen nicht nur mit gutem Gewissen angefasst werden können, sondern ausserdem viel besser schmecken!
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