Alkaloide im Tee: Die grossen Übeltäter?
In den Medien wird in Verbindung mit ganz alltäglichen Kräutertees – Pfefferminze, Kamille, Melisse usw. – immer wieder vor sogenannten Pyrrolizidinalkaloiden gewarnt – eine Untergruppe der Alkaloide, die je nach Dosis auch giftig sein können. Alkaloide wiederum gehören zu den sekundären Pflanzenstoffen und damit zu den ganz natürlichen Stoffen, die in vielen Pflanzen vorkommen ( 2 ).
Stiftung Warentest stellte überdies fest, dass sogar Bio-Tees teils stark mit diesen "Schadstoffen" belastet seien. Eine konkrete Gefährdung bestehe zwar nicht, doch ist immer wieder die Rede von Risiken und erdachten Höchstmengen, welche man keinesfalls überschreiten sollte. Warum betont wird, dass es "sogar" Bio-Tees seien, die belastet seien, ist seltsam, da eine Pflanze natürlich immer ihre spezifischen sekundären Pflanzenstoffe enthält – ob sie nun aus Bio-Anbau stammt oder nicht ( 1 ).
Todesfälle durch Alkaloide?
Um die vermeintliche Gefahr zu verdeutlichen, wird in den Medien auf Vergiftungen und Todesfälle in Ländern wie Indien, Afghanistan, Pakistan und Jamaika hingewiesen. Dort aber starben die Menschen nicht am Tee an sich, sondern an den unbeabsichtigten Beimischungen giftiger Kräuter (Kreuzkräuter und Sonnenwenden), die sich im Getreide oder in eigentlich ungiftigen Kräutermischungen befanden.
Eben diese giftigen Kräuter weisen einen hohen Anteil an Pyrrolizidinalkaloiden auf – mit ein Grund dafür, dass diese Kräuter von Weidetieren auf der Wiese gemieden werden. Sie haben einen bitteren und unangenehmen Geschmack. Verwendet der Bauer nun Heu von einer Wiese, auf der viele giftige Kräuter wachsen, essen die Tiere auch diese mit, da sie im getrockneten Zustand nicht mehr auszumachen sind.
Die Tiere bekommen nun natürlich gesundheitliche Probleme. Was folgern nun so manche Medien? Alle Pflanzen, die Pyrrolizidinalkaloide enthalten, müssen gefährlich sein.
Diese Vermutungen wollte man nun in Tierversuchen bestätigen. Dazu wurden Ratten (oder andere Tiere) mit hochdosierten, notfalls auch isolierten Pyrrolizidinalkaloiden zwangsernährt, was unweigerlich zu Schäden an der Leber führte und auch Krebs verursachte. Versuche dieser Art sind ganz offensichtlich fern jeder Realität, da das gewünschte Ergebnis mit allen Mitteln regelrecht erzwungen wird.
Eindeutig nachgewiesene Vergiftungen bei Menschen in unseren Breitengraden sind nämlich nirgends zu finden. Warum also der grosse Aufwand, Kräutertees und damit auch bestimmten Kräutern einen schlechten Ruf zu verpassen?
Klären wir zunächst, um was es sich bei Alkaloiden konkret handelt, wo sie zu finden sind und in welchem Grad sich ihre Giftigkeit bewegen kann:
Alkaloide finden sich in vielen Pflanzen
Alkaloide sind fast in jeder Pflanze und somit auch in fast jedem Tee enthalten. Es handelt sich um stickstoffhaltige, meist alkalische (daher die Namensgebung) Naturstoffe. Sie werden nicht nur von beinahe jeder Pflanze, sondern auch von Pilzen und einigen Tieren gebildet. Über 10.000 Alkaloide sind bekannt, wobei es für sie keine einheitliche Definition gibt.
Fest steht jedoch, dass sie Teil des Sekundärstoffwechsels eines Lebewesens sind, was bedeutet, dass sie für dieses keine lebensnotwendigen Funktionen erfüllen und man sie daher zu den sog. sekundären Pflanzenstoffen zählt.
Viele Pflanzen bilden giftige Alkaloide, um sich vor Frassfeinden zu schützen, was sie in hohen Dosen auch für uns Menschen giftig macht. Ist eine Pflanze schon in geringen Mengen giftig, dann handelt es sich um echte Giftpflanzen wie z. B. den Blauen Eisenhut, die aber nicht Bestandteil unserer Ernährung sind und auch als Heilpflanzen allerhöchstens in homöopathischen Zubereitungsformen im Einsatz sind. Einige der bekanntesten Alkaloide mit Beispielen aus der Pflanzenwelt sind die folgenden:
- Aconitin im Blauen Eisenhut
- Atropin in Nachtschattengewächsen, wie z. B. der Tollkirsche
- Coniin im Gefleckten Schierling
- Koffein im Kaffee und Tee
- Theobromin im Kakao
- Kokain im Kokastrauch
- Morphin im Schlafmohn
- Nikotin in der Tabakpflanze
- Ricinin in der Ricinusstaude
- Solanin in Nachtschattengewächsen
Bei dieser Aufzählung fällt schnell auf, dass Alkaloide sehr unterschiedliche Wirkungen haben und von Menschen offenbar sehr differenziert beurteilt werden. Während der Blaue Eisenhut oder der Gefleckte Schierling hoch giftig sind, werden Koffein und Nikotin äusserst grosszügig konsumiert, ohne dass es täglich zu Todesfällen käme oder im Falle des Kaffees davor gewarnt werden würde ( 3 ).
Die allermeisten Alkaloide fallen uns gar nicht bewusst auf, da ihre Wirkung zu schwach und die aufgenommen Mengen zu gering sind. Wer eine Vergiftung durch Kulturgemüse oder Gartenkräuter befürchtet hat, die natürlich (in sehr geringen Mengen) ebenfalls Alkaloide enthalten, kann also beruhigt aufatmen.
Von den Pyrrolizidinalkaloiden nun sind 600 verschiedene Formen bekannt. Der Hälfte davon kann man eine toxische Wirkung nachweisen, die allerdings nicht in jeder Dosierung auftritt. Zu den wichtigsten Heilpflanzen mit einem relativ hohen Pyrrolizidinalkaloid-Gehalt gehören z. B. der Huflattich, der Beinwell, der Borretsch und die Pestwurz – Pflanzen, die man nur selten zu sich nimmt, und wenn, so nur in kleinsten Mengen.
Giftige Alkaloide im Kaffee
Koffein, im Tee veraltet auch Tein genannt, sowie das Nikotin gehören, wie oben erwähnt, ebenfalls zu den Alkaloiden, sind aber dennoch seit langem ein fester Bestandteil unseres Alltags. Auch einige ihrer negativen Auswirkungen sind den meisten Menschen bekannt, doch werden sie oft heruntergespielt oder mit widersprüchlichen Aussagen und Studien verzerrt, sodass sie plötzlich als positiv gelten.
Dabei ist eindeutig nachgewiesen, dass Koffein wie auch Nikotin Herz-Kreislauf-Erkrankungen hervorrufen können und auch einem ungeborenen Kind eindeutig Schaden zufügen können. Koffein begünstigt ausserdem Osteoporose bei älteren Frauen, während Nikotin die Entstehung von Krebs fördern kann ( 4 ).
Die Liste der Nebenwirkungen ist lang, doch würde man einer riesigen Industrie erheblichen Schaden zufügen, wenn diese Stoffe reguliert oder gar verboten werden würden. Heilende Kräuter aus der Natur sind jedoch vielen ein Dorn im Auge, weshalb hier immer wieder Versuche unternommen werden, diese zu diskreditieren ( 6 ).
Alkaloide können giftig sein, aber auch heilen
Viele Alkaloide haben sehr positive und erwünschte Effekte auf unseren Körper, nämlich bei schweren Krankheiten. Morphin beispielsweise lindert Schmerzen, Chinin findet Einsatz in der Malaria-Therapie, Atropin dient zur Behandlung von Asthma, Homoharringtonin bereichert die Krebstherapie, und wir berichteten bereits vom wunderbaren Capsaicin, welches im Cayenne Pfeffer zu finden ist ( 8 ).
Aus den vielen verschiedenen Wirkweisen von Alkaloiden ergibt sich ein breites Anwendungsgebiet in der Medizin, wo es noch viel zu entdecken gibt. Im Falle der Pyrrolizidinalkaloide sind zwar noch keine eindeutigen gesundheitlichen Wirkungen bekannt, doch gibt es Heuschrecken und Schmetterlinge, welche gezielt Pyrrolizidinalkaloide aufnehmen, um sich von Parasiten zu befreien ( 5 ).
Da Parasiten auch beim Menschen ein grosses Thema sein können, ist eine ähnliche Wirkung in unserem Körper nahe liegend, so dass geringe Alkaloidmengen – wie Sie mit Kräutertees aufgenommen werden – möglicherweise vorbeugend gegen Parasitenbefall wirken.
Ferner müssen wir unbedingt davon ausgehen, dass Alkaloide im Verbund mit all den anderen in der Pflanze und im Tee enthaltenen Pflanzenstoffen, Vitalstoffen und Mineralstoffen anders wirken als in isolierter Form.
So weiss man beispielsweise auch von Mikroalgen, dass diese Stoffe enthalten, die in isolierter Form schädlich sein können, dies aber in der Alge nicht sind, da dort wiederum andere Stoffe vorkommen, die eine mögliche schädliche Wirkung vollständig kompensieren können.
Die Menge macht, dass der Tee kein Gift ist
An dieser Stelle muss der Hinweis gegeben werden, dass viele traditionelle Heilkräuter eine starke therapeutische Wirkung aufweisen – ob durch Alkaloide oder andere Pflanzenstoffe – und niemals in grossen Mengen oder dauerhaft eingenommen werden sollten (z. B. Huflattichtee, Beinwelltee oder auch Kamillentee).
Wer krank ist und seinen Genesungsprozess mit Heilpflanzen unterstützen möchte, kann dies bereits mit bis zu 3 Tassen Kräutertee tun, welche täglich, jedoch nicht länger als 2 Wochen getrunken werden.
Für Schwangere, stillende Mütter und Kleinkinder gelten allerdings Sonderregeln. Ähnlich wie Koffein können auch andere Alkaloide das Ungeborene schädigen oder Kleinkinder stark belasten. Die Einnahme von Heilkräutern sollte hier also nur unter Aufsicht eines kundigen Therapeuten geschehen ( 7 ).
Wer nicht auf seine tägliche Tasse Tee verzichten möchte, greift einfach auf mildere Tees zurück. Zu den bekanntesten Vertretern gehören z. B. Brennnessel, Rosenblüten, Malve, Lindenblüten, Zitronenverbene, Hanfblätter etc. Die Vielfalt an Kräutermischungen lädt geradezu ein, auf Entdeckungsreise zu gehen und sich mit zahlreichen Sorten vertraut zu machen. Denn wer regelmässig zwischen Tees mit verschiedenen Zutaten wechselt, läuft auch nicht Gefahr, bestimmte Stoffe zu überdosieren.
Besser Wasser als Tee
Von grosser Bedeutung ist natürlich auch die täglich getrunkene Menge: Ein bis zwei Tassen Tee am Tag sind in Ordnung und auch völlig ausreichend. Obwohl viele Tees mit wundersamen Wirkungen locken, so muss uns immer bewusst sein, dass sie doch niemals reines und sauberes Wasser als Dauergetränk Nr. 1 ersetzen können.
Nur ein gutes Wasser versorgt und reinigt den Körper optimal, wodurch bereits vielen Krankheiten der Garaus gemacht wird. Wer die täglich empfohlene Mindestmenge an Flüssigkeit mit etwas anderem decken möchte als mit Wasser, der bekommt aller Wahrscheinlichkeit nach früher oder später Probleme, sei ein Tee auch noch so gesund.
Geniessen Sie also eine Tasse Tee zum Frühstück, zum Kuchen oder vor dem Zubettgehen, aber achten Sie gleichzeitig auf eine ausreichende Zufuhr von gutem Wasser. Zusätzlich kann man bei der Zubereitung von Tee die Alkaloidmenge reduzieren.
Alkaloidmenge bei der Tee-Zubereitung reduzieren
Die verwendete Teemenge, Wassertemperatur, Ziehzeit und natürlich auch die Alkaloidmenge ist von Tee zu Tee ganz unterschiedlich. Entsprechend stellt die optimale Teezubereitung eine kleine Wissenschaft für sich dar. Während unsere heimischen Kräuter recht robust sind und erst mit kochendem Wasser ihr volles Aroma entfalten, muss man grüne und weisse Tees vorsichtiger behandeln.
Hier wird eine Aufgusstemperatur von 70°C – 80°C, bei japanischem Grüntee sogar nur 60°C empfohlen, um die gesundheitliche Wirkung zu erhalten ( 9 ).
Der im Teeaufguss enthaltene Anteil an Koffein und anderen Alkaloiden ist abhängig von den vier genannten Faktoren. Wenn man also die verwendete Teemenge reduziert und die Ziehzeit verkürzt, erhält man einen entsprechend alkaloidarmen Tee. Bedingt trifft das nur auf den Matcha-Tee zu, da das Pulver komplett mitgetrunken wird und somit auch alle Inhaltsstoffe aufgenommen werden.
Bei Kräutertees ist diese Vorgehensweise überdies nicht immer sinnvoll, da eine geringere Dosis und kürzere Ziehzeit natürlich auch zu einer geringeren Dosis der erwünschten und heilenden Wirkstoffe führt. Hier gilt es also abzuwägen und von Fall zu Fall Prioritäten setzen:
Im Krankheitsfall nimmt man kurzfristig und bis zu zwei Wochen hochwirksame Kräutertees zu sich, die in der notwendigen Stärke und Dosis zubereitet werden. Dies können dann auch Tees sein, die von Natur aus gewisse Alkaloidmengen enthalten, da aufgrund der Kürze der Anwendungsdauer keine Langzeitschäden zu befürchten sind.
Liegt keine Krankheit vor und sind bestimmte Heilwirkungen der Tees nicht erforderlich, dann bereitet man den Tee schwächer zu und lässt ihn kürzer ziehen und wechselt überdies immer wieder die Teesorte ab.