Vitamin-B12-Mangel: Nebenwirkung der Säureblocker
Säureblocker vom Typ der Protonenpumpenhemmer (PPI) werden allein in Deutschland so oft verschrieben und eingenommen, dass der Jahresumsatz mit PPI etwa eine Milliarde Euro beträgt. Die Mittel sind leicht an der Endung -prazol erkennbar, z. B. Omeprazol oder Pantoprazol.
Ihr Haupteinsatzgebiet sind Sodbrennen und Magen-Darm-Geschwüre. Auch an der Therapie des Helicobacter pylori – eines Bakteriums, das für die häufigste Form der Gastritis verantwortlich gemacht wird – sind Säureblocker gemeinsam mit Antibiotika beteiligt. Genauso werden PPI als sog. Magenschutz begleitend zur Blutverdünnung ( ASS, Clopidogrel) oder zu Schmerztherapien z. B. bei Rheuma verschrieben.
Im Gegensatz zu Antazida (z. B. Rennie, Natron), die direkt im Magen die Magensäure blockieren, greifen PPI in den Zellstoffwechsel der Magenschleimhautzellen ein und hemmen dort die Magensäureproduktion. In diesen Zellen aber wird auch der sog. Intrinsic-Factor gebildet. Dieses kleine Transporterprotein ist für die Resorption des Vitamin B12 aus der Nahrung erforderlich. Wenn die Zellen aber medikamentös blockiert sind, dann bilden sie nicht nur weniger oder gar keine Magensäure mehr, sondern auch nur noch unzureichende Mengen des Intrinsic-Factors. Das Vitamin B12aus der Nahrung kann nun nicht mehr aufgenommen werden und es kommt zu einem Vitamin-B12-Mangel.
Vitamin-B12-Mangel: Symptome
Im Körper ist das Vitamin B12 insbesondere an der Blut- und Zellneubildung beteiligt sowie für den Schutz von Nerven und Gehirn zuständig. Die Folgen eines Vitamin-B12-Mangels sind entsprechend zahlreich und können – wenn der Mangel nicht rechtzeitig entdeckt wird – auch im Falle z. B. neurologischer Störungen irreparabel bestehen bleiben, also auch dann noch, wenn man nach Jahren des Mangels schliesslich das Vitamin einnimmt.
Zu den Symptomen eines Vitamin-B12-Mangels können u. a. ein Kribbeln auf der Haut, Taubheitsgefühle, Schlafstörungen, Nervosität, Vergesslichkeit und Koordinationsstörungen gehören.
Da Vitamin B12 gemeinsam mit Folsäure und Vitamin B6 auch am Abbau des Homozysteins beteiligt ist, kann ein Vitamin-B12-Mangel zu gravierenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen beitragen. Denn wenn durch einen Vitamin-B12-Mangel der Homocysteinspiegel im Blut steigt, dann kann das Homocystein die Entstehung einer Arteriosklerose fördern. Ein steigender Homocysteinspiegel wirkt sich darüber hinaus auch negativ auf das Gehirn aus: Im Jahr 2012 ergab sich in einer schwedischen Studie, dass mit jedem kleinsten Anstieg des Homocysteinspiegels das Alzheimer-Risiko deutlich steigt.
Bei beginnender Demenz: Vitamin-B12-Spiegel überprüfen!
Wir hatten überdies schon hier ( Vitamin B12 ) erklärt, dass Vitamin B12 die sogenannte Myelinscheide, die die Nervenzellen umgibt, schützt und an deren Bildung sowie Regeneration beteiligt ist. Daher wird Vitamin B12 hochdosiert bei der Polyneuropathie (chronische Nervenentzündung) und bei der ALS (Amyotrophen Lateralsklerose) eingesetzt.
Fehlt Vitamin B12, was gerade bei älteren Menschen überdurchschnittlich oft der Fall ist, dann kann es sogar zu Symptomen kommen, die einer Demenz ähneln. Im obigen Artikel hatten wir Forscher zitiert ( 3 ), die sagten:
Bei älteren Menschen nimmt das Gehirnvolumen umso stärker ab, je niedriger ihr Vitamin-B12-Spiegel ist."
Und Forscher aus Boston fügten im Jahr 2012 hinzu:
Schon ein milder Vitamin-B12-Mangel genügt, um den geistigen Verfall zu beschleunigen. Je weniger Vitamin B12, umso höher das Alzheimerrisiko."
Bei Demenzsymptomen (besser schon vorher) gilt es also in jedem Fall, auch den Vitamin-B12-Spiegel zu bestimmen (HoloTC im Serum) und dieses entsprechend hochdosiert zu ergänzen (u. U. per Injektion). Stehen die Symptome tatsächlich mit einem Vitamin-B12-Mangel in Verbindung, bessern sich die Beschwerden und die " Demenz" kann sogar ganz verschwinden. Hier haben wir beschrieben, wie Sie einen Vitamin-B12 beheben.
Säureblocker: Risiko für Vitamin-B12-Mangel steigt
Im Dezember 2013 erschien in JAMA eine Studie, derzufolge PPI insbesondere dann zu einem Vitamin-B12-Mangel führen können, wenn sie zwei Jahre lang und länger eingenommen wurden ( 1 ).
Die Untersuchung leitete Jameson R. Lam, Gesundheitswissenschaftler bei Kaiser Permanente, Oakland, Kalifornien – einer gemeinnützigen Organisation, die sich in der Gesundheitsfürsorge engagiert und auch Krankenversicherungsschutz anbietet.
Man verglich nun die Daten von annähernd 26.000 Patienten, die zwischen 1997 und 2011 eine Vitamin-B12-Mangel-Diagnose erhalten hatten mit den Daten von mehr als 180.000 Menschen, die keinen B12-Mangel hatten.
Sie stellten fest, dass in der Mangel-Gruppe deutlich mehr Patienten waren, die auch PPI oder H2-Rezeptor-Antagonisten (Antihistaminika zur Hemmung der Magensäurebildung) eingenommen hatten. Ja, ein Vitamin-B12-Mangel war in der PPI-Gruppe gar um 65 Prozent wahrscheinlicher als in der arzneimittelfreien Gruppe. Auch H2-Rezeptor-Antagonisten erhöhten das Risiko eines B12-Mangels, jedoch nicht so stark wie PPI.
Je höher Säureblocker-Dosis, umso höher Risiko für B12-Mangel
Je höher ausserdem die Dosis der PPI war, umso höher auch das Risiko eines Mangels. Patienten beispielsweise, die mehr als 1,5 Tabletten pro Tag nahmen, hatten ein doppelt so hohes Risiko für einen Vitamin-B12-Mangel. Wer hingegen täglich nur eine ¾ Tablette nahm, hatte ein nicht ganz so stark erhöhtes Risiko, aber immer noch ein Risiko, das signifikant höher war als bei Menschen, die keine derartigen Medikamente nahmen.
Dr. T.S. Dharmarajan von der Yeshiva University, Bronx, New York hatte 2008 in einer Studie bereits ähnliche Ergebnisse erzielt. Er kommentierte die neue Untersuchung folgendermassen:
Da Säureblocker die Säuremenge im Magen reduzieren, verhindern sie bereits den ersten Schritt, den es für eine gute Resorption des Vitamin B12 bräuchte. Denn die Magensäure würde das Vitamin B12 vom Nahrungseiweiss trennen, an das es gebunden im Körper eintrifft."
Calcium könnte Vitamin-B12-Mangel durch PPI verhindern
Wer also PPI einnimmt, sollte regelmässig seinen Vitamin-B12-Spiegel überprüfen lassen und ggf. Vitamin B12 einnehmen. Ausserdem sollte er oder sie seinen/ihren Arzt fragen, ob die Säureblocker tatsächlich nötig sind und wenn ja, ob die Einnahme nicht vielleicht verkürzt werden könnte.
Zusätzlich könnte ein Calciumpräparat sinnvoll sein, wenn sich eine PPI-Einnahme nicht vermeiden lässt. Denn laut einer Studie, die im Juli 2016 in Pharmacy Times vorgestellt wurde ( 6 ), hatten Patienten, die gleichzeitig mit PPI auch Calcium einnahmen, viel seltener einen Vitamin-B12-Mangel als Patienten, die kein Calcium eingenommen hatten.
Da PPI sehr gut gegen Sodbrennen, Reflux etc. wirken, kommt es jedoch nicht selten vor, dass viele Patienten die Mittel gar nicht absetzen wollen. PPI geniessen in Patientenkreisen noch immer einen recht guten Ruf, was sicher auch daran liegt, dass sie so nett als Magenschutzmittel bezeichnet werden, was enorm vertrauenserweckend klingt. Auch setzt das Sodbrennen sofort ein, wenn man einmal eine Tablette vergessen haben sollte.
Und je länger man das Medikament eingenommen hat, umso mehr gewöhnt sich der Körper daran. Will man es dann schliesslich doch weglassen, könnte es sogar sein, dass die Säurebildung stärker einsetzt als je zuvor.
PPI führen bei Gesunden zu Sodbrennen und Reflux
Wie gefährlich PPI in Wirklichkeit sind, zeigt eine Studie, in der Freiwillige mit einem völlig gesunden Magen 12 Wochen lang PPI eingenommen hatten. Als sie die Mittel wieder absetzen durften, litten über 20 Prozent der Probanden plötzlich an Magenbeschwerden wie Reflux, Sodbrennen, Aufstossen u. ä.
Diese Situation simuliert all die Millionen Fälle, wenn PPI zum "Schutz" des Magens verschrieben werden. Auch dann werden PPI von eigentlich magengesunden Menschen eingenommen, die lediglich aufgrund anderer Probleme Medikamente einnehmen müssen, die dem Magen schaden könnten (Antibiotika, Schmerzmittel o. a.).
Das Absetzen der Säureblocker will also gut organisiert sein. Wie es funktioniert, haben wir hier beschrieben, wo Sie auch viele weitere Informationen über die Nebenwirkungen von Säureblockern (PPI) finden: Der Teufelskreis der Säureblocker. Alternativen für Säureblocker finden Sie im Link.
Weitere Medikamente, die zu einem Vitamin-B12-Mangel führen können, sind Blutgerinnungshemmer (Blutverdünner), die Antibabypille, manche Antidepressiva und das Diabetesmedikament Metformin.
Metformin verursacht Vitamin-B12-Mangel
Metformin ist ein sog. orales Antidiabetikum, also ein Medikament, das bei Diabetes Typ 2 geschluckt wird. Eigentlich sollte es erst dann verschrieben werden, wenn eine Umstellung der Ernährungs- und Lebensweise nicht wirksam war. Nicht selten wird es verordnet, ohne überhaupt auf Alternativen hinzuweisen.
Metformin ist – ähnlich wie die Säureblocker PPI – ein sehr beliebtes Medikament. Es hilft bei der Regulierung des Blutzuckerspiegels und auch gleich beim Abnehmen. Nebenwirkungen interessieren angesichts dieser Vorteile erst einmal nicht so sehr. Studien aber zeigten, dass gerade Patienten, die Metformin einnehmen, oft auch einen Vitamin-B12-Mangel haben. In einer Studie von 2016 litten beispielsweise fast 30 Prozent der Metformin-Diabetiker an einem Vitamin-B12-Mangel. Denn Metformin hemmt die Resorption des so wichtigen Nervenvitamins.
Trifft Vitamin B12 gebunden an den Intrinsic-Factor im Darm ein, dann blockiert Metformin den calciumabhängigen Transportweg des Vitamin B12 durch die Darmschleimhaut in den Blutkreislauf.
Vitamin-B12-Mangel oder Polyneuropathie?
Gerade Diabetiker aber müssen besonders gut auf ihre Nervengesundheit achten. Schliesslich zählen Nervenkrankheiten, wie die diabetische Polyneuropathie zu den gefürchteten Folgeerkrankungen eines Diabetes. Wenn nun durch Metformin das Nervenschutzvitamin B12 blockiert wird, steigt natürlich wieder das Risiko für eine Polyneuropathie.
Ein Vitamin-B12-Mangel kann jedoch auch ganz ähnliche Symptome wie eine Polyneuropathie verursachen. Während sich nun die Polyneuropathie selbst nicht so gut behandeln lässt, ist ein Vitamin-B12-Mangel recht schnell zu beheben. Nicht jeder Arzt aber denkt an einen Vitamin-B12-Mangel, wenn ein Diabetiker über Kribbeln und Taubheitsgefühle in den Gliedmassen klagt. Er verschreibt womöglich nebenwirkungsreiche Medikamente gegen eine Polyneuropathie. Erinnern Sie ihn an einen möglichen Vitamin-B12-Mangel!
Vitamin B12 ist ausserdem für ein gesundes Blut und damit auch für gesunde Blutgefässe zuständig. Diabetiker nun sind nicht nur besonders anfällig für Nervenprobleme, sondern bekanntlich auch für Gefässerkrankungen (Augenprobleme, Nierenschäden). Also steigt unter einem Mangel an Vitamin B12 auch die Gefahr dieser Diabetes-Komplikationen.
Welche Vitamine bei Diabetes?
Wenn Sie Vitamin B12 als Nahrungsergänzung einnehmen möchten, dann sind besonders Präparate mit dem aktiven Methylcobalamin empfehlenswert. Es handelt sich um eine besonders gut aufnehmbare und verwertbare Vitamin-B12-Form. In den meisten Nahrungssergänzungen findet sich hingegen die weniger gute Variante – das rein synthetische Cyanocobalamin. Es ist in der Herstellung billiger, doch nicht so gut bioverfügbar wie Methylcobalamin.
Wer Magenprobleme hat, kann auf täglich 1000 µg Vitamin B12 in Form von Lutschtabletten ausweichen. In diesem Fall wird ein Teil des Vitamins bereits über die Mundschleimhaut aufgenommen.
Welche Vitalstoffe bei Diabetes – abgesehen vom Vitamin B12 – noch wichtig sein könnten, finden Sie hier beschrieben: Vitamine für Diabetiker