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  • Beta Carotin in Gemüse und in Kpseln
6 min

Verursacht Betacarotin Lungenkrebs?

Nehmen Raucher hohe Dosen Betacarotin als Nahrungsergänzung ein, könnte dies ihr Lungenkrebsrisiko steigen lassen. Ist nun aber Betacarotin aus Lebensmitteln, z. B. aus Karotten genauso gefährlich?

Fachärztliche Prüfung: Gert Dorschner
Aktualisiert: 07 Oktober 2023

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Was ist Betacarotin?

Betacarotin ist ein sekundärer Pflanzenstoff aus der Familie der Carotinoide. Carotinoide wiederum sind fettlösliche Pflanzenstoffe mit gelber bis roter Färbung. Von einer carotinoidreichen Ernährung spricht man daher dann, wenn die Ernährung einen hohen Anteil gelber und orangefarbener oder auch roter Gemüsearten enthält.

Betacarotin ist das bekannteste Carotinoid. In kaum einem anderen Lebensmittel kommt es so reichhaltig vor wie in Karotten und Grünkohl. Grünkohl ist zwar grün und nicht gelb oder orange, doch überdeckt hier das Grün des Chlorophylls die Orangetöne des Betacarotins.

Welche Carotinoide gibt es?

Weitere Carotinoide sind beispielsweise

  1. das Alphacarotin (z. B. in Kürbis und Möhren),
  2. das Lycopin (besonders in Tomaten),
  3. das Betacryptoxanthin (z. B. in Kürbis und roter Paprika),
  4. das Lutein (z. B. in Wirsing, Petersilie und Grünkohl),
  5. das Astaxanthin (wird von Algen produziert) und
  6. das Zeaxanthin (z. B. in roter Paprika).

Sie alle gelten als starke Antioxidantien, die freie Radikale und oxidativen Stress bekämpfen und somit zahlreichen Krankheiten vorbeugen können, wie etwa Herz-Kreislauf-Erkrankungen, rheumatischen Erkrankungen, Augenerkrankungen, aber auch Alzheimer und Parkinson sowie Krebs.

Schützt Betacarotin vor Lungenkrebs?

Noch in den 1980er Jahren galt Betacarotin für alle Menschen als sehr gesund – ob sie nun Raucher waren oder nicht. Im Jahr 1986 erschien sogar eine Studie zu diesem Thema ( 1 ). Sie ergab, dass Raucher, die keine Karotten assen, ein dreimal so hohes Lungenkrebs-Risiko hatten als Raucher, die wenigstens einmal pro Woche Karotten verspeisten. Ein deutlich erhöhtes Lungenkrebsrisiko bestand auch für jene, die nur wenig grünes Blattgemüse mochten. Leber und Käse ( Vitamin A) hatten offenbar keinen schützenden Effekt, denn wer beides nicht ass, hatte kein erhöhtes Risiko, je an Lungenkrebs zu erkranken.

Eine weitere Studie (1.663 Teilnehmer) im selben Jahr ergab Ähnliches, nämlich dass eine carotinoidreiche Ernährung insbesondere Raucher vor Lungenkrebs schützte.

Doch wer will sich schon mit all dem Gemüse herumplagen. So zumindest wohl der Gedanke vieler Raucher, die sich im Grossen und Ganzen eher selten gesundheitsbewusst ernähren. Da jedoch auch für sie Lungenkrebs ein wenig erstrebenswertes Ziel darstellt und eine Rauchentwöhnung selten zur Debatte steht, lag die Lösung nahe: Warum nicht einfach täglich eine Betacarotinpille nehmen? Denn man wusste, dass ein hoher Betacarotinspiegel im Blut die Gefahr von Lungenkrebs reduzierte. Also konnte man das Betacarotin sicher auch in Pillenform einnehmen.

Betacarotin in Pillenform erhöht das Lungenkrebsrisiko

Im Jahr 1996 führte man flugs eine Studie mit Betacarotinpillen durch, die im Journal of the National Cancer Institute veröffentlicht wurde: Über 29.000 Männer zwischen 50 und 69 Jahren, die mehr als 5 Zigaretten pro Tag rauchten, nahmen 50 mg Vitamin E (alpha-Tocopherol), 20 mg Betacarotin oder beides oder ein Placebopräparat über einen Zeitraum von durchschnittlich 6 Jahren ein ( 3 ).

In Sachen Vitamin E ergab sich keine Auswirkung auf das Lungenkrebsrisiko. Betacarotin schien jedoch das Lungenkrebsrisiko zu erhöhen (allerdings nur geringfügig) und zwar besonders bei starken Rauchern (mehr als 20 Zigaretten pro Tag) im Vergleich zu Rauchern, die weniger rauchten. Auch bei Männern, die zusätzlich einem höheren Alkoholkonsum frönten, ergab sich durch die Betacarotineinnahme ein erhöhtes Lungenkrebsrisiko.

Studienstopp wegen häufiger Lungenkrebsfälle

Ähnliche Ergebnisse brachte die sog. CARET-Studie, die im selben Jahr veröffentlicht wurde. Hier gab man über 18.000 Teilnehmern täglich 30 mg Betacarotin und 25.000 IE Vitamin A oder ein Placebopräparat. Schon nach 21 Monaten musste man die Studie stoppen, da in der Betacarotin-Gruppe 28 Prozent mehr Lungenkrebsfälle und 17 Prozent mehr Todesfälle zu verzeichnen waren. Die Teilnehmer der Studie waren Raucher, ehemalige Raucher oder Asbestarbeiter, also allesamt Personen mit einem von Haus aus hohen Lungenkrebsrisiko ( 10 ).

Gleichzeitig gab es auch Studien, die nach der Einnahme von Betacarotin keine Nachteile beobachten konnten, wie etwa jene Studie, die ebenfalls im Jahr 1996 erschienen war (im New England Journal of Medicine) und folgendes ergab:

Betacarotin in Pillenform schadet nicht immer

Über 22.000 gesunde Männer zwischen 40 und 84 Jahren nahmen 12 Jahre lang jeden zweiten Tag 50 mg Betacarotin oder ein Placebopräparat ein. Darunter waren sowohl Raucher als auch ehemalige Raucher sowie Nichtraucher. Nach Ablauf der 12 Jahre konnten jedoch keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich des Krebsrisikos, des Herz-Kreislauf- oder des Sterblichkeitsrisikos festgestellt werden. In der Betacarotingruppe erkrankten sogar weniger Männer an Lungenkrebs als in der Placebogruppe (82 versus 88), was statistisch jedoch nicht signifikant war.

Drei Jahre später (1999) zeigte eine Untersuchung an fast 40.000 gesunden Frauen – ob Raucherinnen oder Nichtraucherinnen – dass eine Nahrungsergänzung mit 50 mg Betacarotin jeden zweiten Tag über durchschnittlich 2,1 Jahre hinweg keine Auswirkungen auf das Krebs- oder Herz-Kreislauf-Risiko oder gar die Sterblichkeit hatte ( 5 ).

Problematisch: Die langfristige Einnahme von Carotinoiden in Pillenform

Dann aber erschien 2009 wieder eine Studie mit negativem Ausgang: Forscher der University of North Carolina at Chapel Hill stellten anhand der Daten von über 77.000 Teilnehmern fest, dass die langfristige Einnahme (bis zu 10 Jahre) von Betacarotin-Supplementen und anderen carotinoid- oder Vitamin-A-haltigen Supplementen (Retinol und Lutein) das Lungenkrebsrisiko erhöhen kann, besonders bei Rauchern. Die Studie erschien im American Journal of Epidemiology ( 6 ).

Die Wissenschaftler konnten beobachten, dass das Lungenkrebsrisiko der Raucher umso höher war, je länger sie die Supplemente einnahmen. Die Dosis der Supplemente war dabei zweitrangig, selbst mittelmässige Dosen erhöhten das Risiko, wenn die Supplemente langfristig eingenommen wurden.

Ob die Einnahme dieser Supplemente auch bei Nichtrauchern das Lungenkrebsrisiko steigen lässt, liess sich nicht feststellen, da kaum einer der Nichtraucher an Lungenkrebs erkrankte.

Dr. Jessie Satia, Professor für Epidemiologie und Ernährung an der UNC Gillings School of Global Public Health sagte dazu:

„Wir glauben, dass das Antioxidans Betacarotin in zu hohen Dosen oxidative Auswirkungen hat, was dann das Krebsrisiko erhöht.“

Carotinoide aus gemüsereicher Ernährung senken das Lungenkrebsrisiko

In neuerer Zeit konzentriert man sich sinnvollerweise wieder verstärkt auf die Auswirkungen einer carotinoidreichen sprich gemüsereichen Ernährung. So las man etwa im Jahr 2014 in Cancer Science von einer Untersuchung mit über 10.000 Teilnehmern, dass hohe Carotinoidspiegel im Blut (Alphacarotin und Betacryptoxanthin) ganz signifikant mit einem niedrigeren Sterberisiko durch Lungenkrebs in Verbindung stehen ( 8 ).

Auch das Lungenkrebsrisiko von Rauchern nahm bei hohen Alphacarotinspiegeln signifikant um 46 Prozent ab und bei hohen Betacryptoxanthinspiegeln um 61 Prozent.

Noch jünger ist die Studie vom Forschungszentrum der Universität Montreal/Kanada aus dem Jahr 2017. Auch hier zeigte sich, dass ein erhöhter Verzehr von carotinoidreichem Gemüse vor Lungenkrebs (Plattenepithelkarzinomen und Adenokarzinomen) schützt – und zwar auch starke Raucher ( 9 ) .

Fazit: Gemüse schützt vor Lungenkrebs, Carotinoidpillen tun dies nicht

Isolierte Betacarotin- und Vitamin-A-Präparate sollten von Rauchern besser nicht über einen längeren Zeitraum eingenommen werden. Bei Nichtrauchern haben sie jedoch keine schädliche Wirkung.

Eine carotinoidreiche Ernährung, die aus reichlich Karotten, Kürbis, Paprika, Tomaten, Süsskartoffeln, Kräutern (Petersilie, Dill etc.), Grünkohl, Spinat und anderen grünen Blattgemüsearten besteht, sollte von jedem Menschen praktiziert werden, denn sie reduziert nachweislich das Lungenkrebsrisiko – und zwar sowohl bei Nichtrauchern als auch bei Rauchern (inkl. starken Rauchern).

Wie eine aufgegebene Krebspatientin ihren Darmkrebs samt Lungenmetastasen vorwiegend mit Karottensaft heilen konnte, lesen Sie hier. Wie gut die Anti-Aging-Effekte einer carotinoidreichen Ernährung sein können, beschreiben wir in einem gesonderten Artikel.

Hinweis: Der Vollständigkeit halber möchten wir noch darauf hinweisen, dass bei einer carotinoidreichen Ernährung keine Vitamin-A-Überdosierung zu befürchten ist, ganz gleich wie viele Karotten Sie auch essen mögen. Im Körper können einige Carotinoide zwar zu Vitamin A umgewandelt werden, doch immer nur in der vom Organismus benötigten Menge.

Ganz anders sähe es aus, wenn Sie Lebertran einnehmen oder gerne Leber essen, die beide sehr Vitamin-A-reich sind. Hier ist eine Vitamin-A-Überdosierung möglich, die jedoch unbedingt vermieden werden sollte – insbesondere in der Schwangerschaft, da sie zu Fehlbildungen und Gehirnschäden beim Embryo führen kann.

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Wichtiger Hinweis

Dieser Artikel wurde auf Grundlage (zur Zeit der Veröffentlichung) aktueller Studien verfasst und von MedizinerInnen geprüft, darf aber nicht zur Selbstdiagnose oder Selbstbehandlung genutzt werden, ersetzt also nicht den Besuch bei Ihrem Arzt. Besprechen Sie daher jede Massnahme (ob aus diesem oder einem anderen unserer Artikel) immer zuerst mit Ihrem Arzt.