Ist ein Gläschen Wein tatsächlich so gesund?
Seit den frühen neunziger Jahren wurden immer wieder Studien vorgelegt, die auf einen herz- und gefässschützenden Effekt durch moderaten Weinkonsum hinwiesen.
In diesen älteren Studien erhöhte Wein den HDL-Cholesterinspiegel (also das "gute" Cholesterin), so dass man davon ausging, dass sich Wein positiv auf die Herz- und Gefässgesundheit auswirken könnte.
Die einhellige Empfehlung der Mediziner besagt bekanntlich nach wie vor: Je mehr HDL-Cholesterin, desto besser.
Senkt Wein den Cholesterin-Spiegel?
HDL-Cholesterin ist jenes Cholesterin, das aus den Körperzellen und Blutgefässen zurück zur Leber gebracht und dort abgebaut wird. Je höher daher der HDL-Spiegel – so glaubt man meist – umso besser ist der Körper vor den Folgen einer Arteriosklerose (Gefässverkalkung) geschützt.
Verbleibt hingegen zu viel Cholesterin in den Blutgefässen, besteht die Gefahr, dass es sich an deren Wänden ablagert. Nach und nach verdicken und verhärten die Gefässwände, behindern den reibungslosen Blutfluss und begünstigen Thrombosen und Embolien, was dann wiederum in Herzinfarkt oder Schlaganfällen münden kann.
Also begründeten viele Menschen ihren Weinkonsum mit den vermeintlich positiven Auswirkungen des Weines auf ihre Herz-Kreislauf-Gesundheit.
So schön es auch gewesen wäre, ganz so einfach ist es jedoch nicht.
In Vino Veritas – Im Wein liegt die Wahrheit
Tschechische Wissenschaftler der Universitäten Olmütz und Prag stellten ihre Erkenntnisse auf dem europäischen Kardiologenkongress in Barcelona vor ( 1 ).
Ihre "In Vino Veritas-Studie", die im Jahr 2012 im Fachjournal Bratisl Lek Listy publiziert wurde, untersuchte erstmals die Langzeiteffekte von Rot- und Weissweinkonsum auf diverse bekannte Faktoren, die das Arteriosklerose-Risiko nachweislich erhöhen.
Dazu gehören die Werte des HDL-Cholesterins, des LDL-Cholesterins, des C-reaktiven Proteins (einem Entzündungsmarker) sowie verschiedene Messgrössen für oxidativen Stress.
Alle vorhergehenden Studien waren auf kürzere Zeiträume angelegt und hatten sich ausschliesslich auf die Entwicklung des HDL-Blutspiegels konzentriert.
Bei der nun vorliegenden einjährigen Analyse tranken die 146 Studienteilnehmer mit leichtem bis mittlerem Arteriosklerose-Risiko regelmässig Rotwein (Pinot Noir) oder Weisswein (Chardonnay-Pinot). Frauen konsumierten täglich 0,2 Liter, Männer 0,3 Liter Wein – und zwar an jeweils fünf Tagen in der Woche.
Wein hat keinen positiven Einfluss auf den Cholesterinspiegel
Im Ergebnis stellte Professor Taborsky fest, dass nach wie vor der wichtigste Indikator für geschützte Gefässe und ein gesundes Herz, ein hoher HDL-Cholesterinspiegel sei.
Zum Leidwesen gesundheitsbewusster Weingeniesser konnten die Forscher genau an diesem Punkt jedoch keinen positiven Einfluss von Rot- oder Weissweinkonsum nachweisen. Der HDL-Cholesterinspiegel veränderte sich durch den Weingenuss in keinster Weise.
Wein nur für Sportler?
Die einzigen positiven Resultate waren in einer Untergruppe der Studienteilnehmer zu verzeichnen – und zwar in jener, die regelmässig mindestens zwei Mal pro Woche Sport trieb.
Unabhängig davon welcher Wein genossen wurde, stieg hier das HDL-Cholesterin merklich, während LDL- und Gesamtcholesterin abnahmen.
Professor Taborsky vermutet, dass sich Wein und Sport in ihren positiven Wirkungen verstärken.
Gemäss den neuen Erkenntnissen scheint Wein also nicht den erwarteten günstigen Einfluss auf das HDL-Cholesterin und die Herzgesundheit zu haben, den man ihm immer zusprach.
Auch wenn Wein reichlich gesundheitlich wertvolle Antioxidantien liefert, sollte man natürlich nie vergessen, dass diese stets vom eindeutig ungesunden Alkohol begleitet werden.
Alkohol ist und bleibt ein Zellgift, das in aggressiver Weise die Eiweisssubstanzen der Zellstrukturen sowie das Erbgut angreift.
Der Körper kann diese Schäden zwar wieder reparieren, jedoch nur, wenn sich der Alkoholkonsum im Rahmen hält und der Organismus ausreichend Zeit für die entsprechende Regeneration erhält.
Das Studienergebnis in Bezug auf die sportlichen Weingeniesser scheint deshalb auch wenig überzeugend.
Ideale Kombination: Gesunde Ernährung, Sport und (wenig!) Wein
Tatsächlich könnte es sein, dass die Gesundheit von Sportlern durch moderaten Weingenuss unterstützt wird. Ebenso gut könnte es aber auch sein, dass sportliche Weintrinker sich generell gesünder ernähren oder auch allein schon aufgrund der sportlichen Aktivitäten bessere Blutwerte aufweisen.
Sicher ist: Eine gesunde Lebensweise erfordert keinen Alkohol.
Wer jedoch seinen Alkoholgenuss unter Kontrolle hat und wirklich nur dann und wann ein kleines(!) Glas hochwertigen Wein trinkt, wird davon – schon allein des Genusses wegen – profitieren, sollte aber unbedingt gleichzeitig unter die Sportler gehen.