Soja – Von der Wunderbohne zum Sondermüll
Soja ist in letzter Zeit ein echter Fussabtreter geworden. Kein gutes Haar lässt man mehr an der einstigen Wunderbohne. Gewarnt wird vor ihr, als sei die Hülsenfrucht tatsächlich nichts als hochgiftiger Sondermüll.
Zwar ist die Gen-Sojabohne nun wirklich nicht das Gelbe vom Ei und von einer Monoernährung mit ihr sollte man auch tatsächlich absehen. Doch schadet es keineswegs, ein bisschen zu differenzieren.
Denn zu Soja gibt es auch gute Nachrichten. Und wer Soja in Bio-Qualität, womöglich aus regionaler (z. B. deutscher) Erzeugung wählt, kann das gerne ab und zu tun. Es muss ja nicht in riesigen Mengen sein.
Der regelmässige Sojaverzehr – z. B. mehrmals wöchentlich eine kleine Portion – kann nämlich äusserst interessante gesundheitliche Vorteile haben, besonders dann, wenn man Soja schon seit seiner Jugend liebt.
Soja für Brustkrebs-Patientinnen
Beim alljährlichen Meeting der American Association for Cancer Research (AACR) wurde die neue Soja-Studie vorgestellt – und nein, sie wurde nicht von der Soja-Industrie gesponsert.
Durchgeführt hatte die Untersuchung das Forscherteam rund um Dr. Leena Hilakivi-Clarke, Professorin für Onkologie vom Georgetown Lombardi Comprehensive Cancer Center.
Professor Hilakivi-Clarke verkündete, sie habe Neuigkeiten für all jene Frauen, die seit vielen Jahren regelmässig Sojaprodukte in ihren Speiseplan einbauen.
Es sei nämlich nicht nur vollkommen unnötig – so die Professorin – bei einer Brustkrebsdiagnose mit dem Verzehr von Sojaprodukten aufzuhören. Sie rate sogar dringend davon ab, Sojaprodukte in diesem Fall zu meiden. Denn gerade Brustkrebspatientinnen könnten von der Sojabohne enorm profitieren.
Soja-Hysterie beruht – zumindest teilweise – auf wissenschaftlichen Fehlinterpretationen
Bisher glaubte man, dass Soja und hier speziell das enthaltene Genistein (ein Isoflavon), das Wachstum von Brustkrebszellen fördern und stimulieren könne. Man glaubte ferner, dass Soja die bei Brustkrebs übliche Anti-Östrogen-Therapie unterbreche.
Infolgedessen rieten Onkologen ihren Brustkrebspatientinnen eindringlich dazu, nur ja keine Sojaprodukte mehr zu essen.
Diese Sichtweise basierte jedoch auf Experimenten mit Mäusen, und Mäuse besitzen im Gegensatz zu Menschen (und auch Ratten) keine sog. cytotoxischen T-Zellen, eine Zellart, die zu den Immunzellen gehört.
Cytotoxische T-Zellen jedoch sind genau jene Zellgruppe, die Brustkrebs bekämpfen kann (1)
Soja-Genistein hilft im Kampf gegen Krebs
In einer früheren Studie zeigte Prof. Hilakivi-Clarkes Forscherteam, dass Ratten, die ihr Leben lang Genistein zu sich nahmen, sehr viel besser auf eine Anti-Östrogen-Therapie ansprachen, als dies die Kontrolltiere taten, die kein Genistein bekommen hatten.
Auch hatte die Genistein-Truppe ein geringeres Risiko, einen Krebsrückfall zu erleiden.
Genistein findet sich übrigens nicht nur in Sojabohnen (doch hier in der höchsten Dosis), sondern auch in Dicken Bohnen und anderen Hülsenfrüchten, und in geringeren Konzentrationen auch in Obst und Gemüse.
Man kennt etliche Mechanismen, wie Genistein das Krebsrisiko reduzieren kann. Doch kann Genistein auch menschliche Östrogenrezeptoren aktivieren, also so tun, als sei es ein Östrogenmolekül und auf diese Weise wiederum vorhandene Krebszellen wachsen lassen (3).
In der aktuellen Studie nun suchten die Forscher nach Erklärungen, wie es zu ihren früheren Ergebnissen hatte kommen können, wonach Genistein eindeutig krebshemmend wirkte und das Krebswachstum eben nicht weiter anfachte ( 4 ).
Hilakivis Team stellte sodann Folgendes fest:
Soja stärkt Zellen, die den Krebs attackieren
Besagte T-Zellen attackieren Tumorzellen. Andere Immunzellen jedoch können diese Fähigkeit der T-Zellen wieder deaktivieren. Geschieht dies, kann der Tumor – völlig unkontrolliert – weiter wachsen.
Isst man nun aber Sojaprodukte seit seiner Jugendzeit (also auch schon vor der Pubertät), dann scheint das Genistein dafür zu sorgen, dass die T-Zellen Tumore höchst effektiv erkennen und bekämpfen. Sämtliche Versuche des Krebses, sich vor den Attacken des Immunsystems zu verbergen, schlagen in diesem Fall fehl.
Der Stoff aus der Sojabohne aktiviert die Tumor bekämpfenden T-Zellen und unterdrückt gleichzeitig jene Zellen, die zu einer Hemmung der T-Zellen führen würden – was laut Professor Hilakivi erklären würde, warum ein langjähriger Sojakonsum (also schon seit der Kindheit und Jugend) das Brustkrebsrisiko senken kann.
Soja am besten schon in der Jugend essen!
Es ist allerdings entscheidend, dass das Genistein regelmässig und lange vor der Entwicklung eines Tumors verzehrt wird, fügt Hilakivis Kollege und Doktorand Xiyuan Zhang hinzu.
Die Resultate dieser Studien bestätigen Beobachtungsstudien, die zeigten, dass Frauen, die seit langer Zeit täglich mehr als 10 mg Isoflavone zu sich nehmen, ein reduziertes Brustkrebsrisiko aufweisen (7) - verglichen mit Frauen, die täglich weniger als 4 mg Isoflavone zu sich nehmen.
In einer Tasse Sojamilch (240 ml) sind bereits etwa 30 mg Isoflavone enthalten. Der grösste Teil davon besteht aus Genistein. Es würde also schon eine Drittel Tasse pro Tag genügen oder ein kleines Stück Tofu oder eine kleine Menge Soja-Joghurt.
Wer also bereits seit Jahren Sojaprodukte mag, muss deren Verzehr weder infolge der allgemeinen Soja-Hysterie noch nach einer Brustkrebsdiagnose aufgeben. Im Gegenteil: Möglicherweise kann das Immunsystem erst mit Hilfe von Soja Krebs verhindern oder vorhandenem Krebs den Todesstoss versetzen.
Soja schützt das Brustkrebsgen BRCA1
Soja soll ausserdem das sog. Brustkrebsgen BRCA1 schützen können (5), damit es weiterhin als Brustkrebshemmer agieren kann. BRCA1 wird zwar Brustkrebsgen genannt, aber nicht weil es in jedem Fall das Brustkrebsrisiko erhöht. Stattdessen ist es so, dass jede Frau und jeder Mann das BRCA1-Gen besitzen. Nur wenn das Gen eine spezielle Veränderung aufweist, kann dies zu einem erhöhten Brustkrebsrisiko führen, da dann die körpereigene Brustkrebsabwehr deutlich geschwächt ist.
Ein gesundes BRCA1-Gen hingegen unterdrückt die Entstehung von Brustkrebs – und Genistein, das östrogenähnlich wirkende Isoflavon aus der Sojabohne, scheint genau diese gesunde Funktion des BRCA1-Gens zu beschützen und zu bewahren, wie im Juni 2017 Forscher des Krebszentrums der University of Arizona in Tucson in ersten In-vitro-Versuchen zeigten (6). Veröffentlicht wurden die Ergebnisse im Journal Current Developments in Nutrition.
Sojaverzehr könnte unwirksame Krebstherapien wieder wirksam machen
In manchen Fällen ist es so, dass ein bestehender Krebs nicht mehr auf die übliche Krebstherapie mit Tamoxifen reagiert. Wird ein ausser Gefecht gesetztes BRCA1-Gen jedoch wieder mit Hilfe von Genistein aus der Sojabohne reaktiviert, kann Tamoxifen erst wieder so wirken, wie man sich das erhofft. Ein regelmässiger Sojaverzehr könnte also die Krebstherapie äusserst positiv beeinflussen. Die Forscher aus Tucson bereiten nun weitere Versuche und klinische Studien vor, um den entdeckten Wirkmechanismus auch am Menschen zu überprüfen.