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  • Aquakultur in Dänemark
20 min

Ökokatastrophe Fisch

Nach wie vor empfehlen Ernährungsexperten zwei bis drei Fischmahlzeiten pro Woche. Unsere Meere aber können gar nicht die Mengen an Fisch liefern, die man bräuchte, um diesen Rat umzusetzen. Dabei ist nicht nur Wildfang für die Ökologie der Meere und die betroffenen Tiere eine Katastrophe, sondern auch die Aquakulturen.

Aktualisiert: 11 Februar 2024

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Ernährungsexperten glauben noch immer an nachhaltigen Fischfang

Die DGE (Deutsche Gesellschaft für Ernährung) meint, dass „auch im Hinblick auf die Nachhaltigkeit ein bis zwei Portionen pro Woche akzeptabel sind“. Auch schreibt sie: „Nachhaltiger Fisch – das geht!“ und rät in diesem Zusammenhang dazu, man solle einfach „auf eine anerkannt nachhaltige Herkunft achten.“ Dabei würden „Siegel der verschiedenen Organisationen und Verbände, wie beispielsweise das MSC-Siegel helfen“.

Auch Iglo – bekannter Fischstäbchen-Hersteller – schreibt auf seiner Website: „An dem blauen MSC-Siegel auf der Verpackung kann jeder im Supermarkt sofort erkennen, dass der Fisch nachhaltig gefangen wurde.“ ( 6 ) Ist es wirklich so einfach? Aufs MSC-Siegel achten und weiterhin Fisch essen? Warum gerade das MSC-Siegel alles andere als zuverlässig ist, erklären wir in unserem Artikel über Fischstäbchen.

Fischreserven in Deutschland längst aufgebraucht

Am 29. Februar 2024 hat Deutschland (rein rechnerisch) die eigenen Fischreserven des laufenden Jahres in Nord- und Ostsee bereits aufgebraucht und ist somit auf Importe angewiesen. Der Termin ist der sog. "End of Fish Day" und liegt früher als je zuvor. Im Jahr 2019 lag er noch fünf Wochen später - so eine gemeinsame Mitteilung von „Brot für die Welt“, „Fair Oceans“ und „Slow Food Deutschland“. Die drei Organisationen machen seit 2019 anhand der Daten des Bundesinstituts für Landwirtschaft und Ernährung auf den Tag aufmerksam ( 43 ).

Es geht immer um Profit, nie um Nachhaltigkeit

Die moderne Fischerei hat auch längst nichts mehr mit den idyllischen Vorstellungen eines Fischerlebens zu tun. Der Grossteil des heutigen Fischfangs wird von riesigen Fabrikschiffen übernommen, die um die 80 bis über 200 Meter lang und über 30 Meter breit sein können. Sie sind mit Kränen, Fliessbändern sowie Fischverarbeitungs- und Tiefkühleinrichtungen ausgestattet, so dass sie direkt an Bord den Fisch zum verpackten Tiefkühlprodukt verarbeiten können.

Das grösste Fabrikschiff – die russische Vladivostok 2000 – hat eine Verarbeitungskapazität von 547.000 Tonnen Fisch pro Jahr. Die Netze dieser Superschiffe können so gross sein, dass 13 Jumbojets darin Platz finden.

Die Vladivostok 2000 wurde nebenbei erwähnt im Jahr 2014 auf die Negativliste IUU (illegal, unreported, unregulated) gesetzt. Auf dieser Liste stehen Schiffe, die illegal fischen (Piratenfischerei), also ohne Lizenz fischen oder ihre Fangquote überschreiten oder ihre Fangmengen falsch angeben. Das ist kein Einzelfall. Auf See sind Skrupel rar, es geht immer um Profit, so gut wie nie um Nachhaltigkeit.

Highgrading: Wenn der Fisch nicht gut genug ist

Als „Perfektion der Verschwendung“ bezeichnet die Umweltschutzorganisation WWF das sog. Highgrading. Hierbei werfen die Fischer ihren kompletten Fang oder Teile davon wieder ins Wasser, etwa weil die Fische nicht gross genug und daher schlecht verkaufbar sind. Oft haben sie bereits vorab den Fang verkauft – noch bevor er überhaupt gefangen war. Also muss der Fisch auch so sein, wie der Kunde ihn will und bezahlt hat (Fisch geniessen).

An Bord der Fabrikschiffe gibt es sogar konkrete Sortiermaschinen, die diese Fische aussortieren. Natürlich sind die Fische längst tot, wenn sie wieder über Bord gehen. Dann wird erneut gefischt – und aussortiert. Auf diese Weise können die Industriefischer die Fangquoten umgehen. Denn da zählen nur die Fänge, die man mit an Land bringt und nicht das, was man fing, aber wieder ins Meer warf. Natürlich ist Highgrading nach EU-Recht seit 2009 illegal, aber wo keine Kontrollen, da kein Richter.

Im Jahr 2013 wurde bekannt, dass die Crew des deutschen Fabrikschiffes „Jan Maria“ im Rahmen des Highgradings mehr als 1,6 Millionen Kilogramm essbaren Hering tot oder verletzt über Bord gehen liess. Die Reederei der „Jan Maria“ hat übrigens das MSC-Siegel erhalten – also jenes Siegel, das dem Verbraucher so wichtig ist und ihm vorgaukelt, er esse nachhaltig gefangenen Fisch ( 7 ). 

Gleichzeitig wurden in der Vergangenheit genau jene Riesenschiffe, jene Skandalreedereien, die teilweise ganze Fänge essbarer Fische tot wieder ins Meer werfen, um mit dem nächsten Fang einen noch grösseren Schwarm mit noch grösseren Fischen zu erwischen, mit zweistelligen Millionensummen von der EU subventioniert ( 8 ).

Toter Fisch im Fischernetz
© http://gettyimages.de/Reinhard

Fisch verendet in Geisternetz

Keine Chancen mehr für kleine Fischer

Weltweit gibt es ca. 3,5 Millionen Fischereischiffe. Davon sind laut Greenpeace nur 1 Prozent Industrieschiffe, doch haben diese wenigen Supertrawler 50 bis 60 Prozent der weltweiten Fangkapazitäten. Die Industrieschiffe können mit verschiedenen Fangmethoden riesige Fischschwärme fangen, die zuvor mit Sonar und Echolot geortet wurden. Keine Chance für den Fisch, der sofort an Bord zu Tiefkühlfilets verarbeitet und verpackt wird.

Keine Chance auch für kleine Fischer, denn sie kommen gegen die ausgefeilten High-Tech-Schiffe nicht an – und fangen oft nicht mehr genug zum Überleben. Die internationalen Supertrawler – die Staubsauger der Meere – fangen die Ozeane leer.

Der industrielle Fischfang bedroht also nicht nur Tiere und Korallen im Meer (letztere, weil manche Schleppnetze den Meeresboden regelrecht durchwühlen und dabei alles zerstören, was dort wächst und lebt), sondern laut WWF auch 800 Millionen Menschen! Denn viele Menschen leben in Küstenregionen und sind auf den Fischfang (in kleinen Mengen) angewiesen. Die modernen Fischfangflotten aber lassen kaum noch Fisch übrig – weder für menschliche Fischer noch für Tiere, die vom Fischfang leben.

Tiere leiden unter dem Fischhunger des Menschen

An den Küsten rund um das arktische Meer zwischen Kanada, Russland und Alaska lebt beispielsweise der Stellersche Seelöwe. Die Bullen können bis zu 1000 Kilogramm schwer und drei Meter lang werden. Die imposanten Tiere leben ausschliesslich von Fisch – leider von Fisch, der zu den Beutetieren des Menschen zählt, etwa Lachs, Kabeljau, Hering und Makrele. Und so gilt der Seelöwe als Nahrungskonkurrent, der nicht zuletzt aus diesem Grund jahrzehntelang bejagt wurde.

Heute nun ist es so, dass der Stellersche Seelöwe an den meisten seiner Siedlungsgebiete unter strengstem Naturschutz steht. Er wird nicht mehr bejagt, zumindest nicht mehr legal (ausser von den dortigen Ureinwohnern). Das muss auch nicht mehr sein, denn aufgrund der Überfischung der arktischen Meere findet er sowieso kaum noch Nahrung zum Überleben.

Die riesigen Fabrikschiffe, die den Fisch mit ausgefeilten Technologien aufspüren und schwarmweise an Bord holen, fangen den Seelöwen quasi das Futter vor der Nase weg und stören und verschmutzen ihre Lebensräume.

Das ist nur EIN Beispiel. Selbstverständlich leiden noch viele andere Tierarten, die in oder auf den Meeren oder in Küstenregionen leben, unter dem industriellen Fischfang des Menschen. So nehmen z. B. die Populationen vieler Seevögel kontinuierlich ab, nicht nur weil ihre Nahrung knapp wird und sie – besonders nach Nahrung tauchende Arten – in den Netzen der Fischer sterben, sondern auch weil gleichzeitig aasfressende und kleptoparasitisch lebende Seevögel von der Fischerei profitieren (sie leben vom Beifang, der tot oder verletzt in die Meere geworfen wird).

Diese Arten vermehren sich stark und reduzieren dann die sowieso schon bedrohten Vogelarten noch weiter, indem sie ihnen die mühevoll ergatterte Beute wieder abjagen (kleptoparasitische Lebensweise) oder sogar ihre Eier und ihre Jungen fressen ( 9 ).

Aufgedeckt: Schreckliche Schleppnetz-Fischerei in Europa

In einer Doku vom Sommer 2021, die undercover auf zwei Fischereibooten im Ärmelkanal und in der Nordsee gedreht wurde ( siehe Video unten, 10 ), sehen Sie, wie mit der Schleppnetzfischerei tagtäglich Millionen Fische und Meerestiere gefangen und getötet werden und wie damit ganze Ökosysteme vernichtet werden – durch die Netze, die über den Meeresboden gezogen werden, der dabei vollständig durchwühlt wird.

Viele Fische sterben bereits durch den schnellen Druckunterschied durch das Hochziehen der Netze (ihre Schwimmblase platzt), viele Fische verletzen sich im Netz. An Bord werden die Fische sodann ohne Betäubung getötet, man schlitzt sie teilweise bei vollem Bewusstsein auf und entfernt ihre Organe. Andere Fische werden lebendig in Kisten geworfen, wo sie langsam ersticken. Viele Tiere liegen am Boden, werden achtlos zertrampelt und totgetreten. Krabben reisst man bei vollem Bewusstsein die Beine aus. Junge oder zu kleine Fische werden zurück ins Meer geworfen, viele davon tot oder schwer verletzt.

Schildkröte verendet im Fischernetz
© gettyimages.de/lee ricketts

Schildkröte stirbt in Geisternetz

Da man mit Schleppnetzen selbstverständlich nicht nur die erwünschten Fische fängt, geraten viele andere Meerestiere in die Netze, für die der Mensch gar keine Verwendung hat. Man spricht von Beifang. Beifang hat für die Fischer keinen Wert. Diese Fische und Meerestiere werden ebenfalls schwer verletzt oder tot ins Meer zurückgeworfen. Pro einem Kilogramm Seezunge rechnet man mit sechs Kilogramm Beifang.

Aufgrund der riesigen Zahl an Meerestieren, die täglich auf diese Weise umkommt, trägt der Beifang – auch wenn er bei manchen Fängen nur wenige Prozent ausmacht – ganz enorm zum Artenschwund in den Meeren bei.

Fische leiden und empfinden Schmerzen

Es ist längst wissenschaftlich erwiesen, dass Fische Schmerzen empfinden können. Sie können Angst empfinden, leiden unter Stress, haben ein Bewusstsein, hegen familiäre und freundschaftliche Bindungen, kommunizieren mit ihresgleichen und verfügen teilweise über komplexe kognitive Fähigkeiten und Sozialstrukturen.

( 42 ).

Fazit: Fische sind empfindsame Wesen, die dem Menschen in vielen Bereichen ähnlich sind. Auch meiden sie Stellen, an denen sie schon einmal gefangen wurden (z. B. wenn sie als Beifang überlebten oder von Anglern (meist schwer verletzt) wieder ins Wasser geworfen wurden ( 11 ) ( 12 ) ( 13 ) ( 14 ) ( 15 ) ( 16 )

Dennoch gibt es in der EU keinerlei Gesetze zum Schutz dieser Lebewesen, die für die Fischerei im Meer und die Verarbeitung der Tiere auf dem Schiff gelten würden. Im Gegenteil, die täglich stattfindende Tierquälerei bei der Schleppnetzfischerei ist erlaubt.

Arbeitsbedingungen an Bord: Moderne Sklaverei

Auch für die Menschen an Bord können manche Fabrikschiffe die Hölle sein, berichtet Greenpeace. Laut einer Untersuchung von 2018, die in Nature Communications veröffentlicht wurde, handelt es sich um eine Form der „modernen Sklaverei“. Die Arbeiter müssen unter menschenunwürdigen Bedingungen leben und arbeiten. Oft sei Menschenhandel und Schuldknechtschaft im Spiel ( 17 ).

Es gibt sogar Schiffe, die jahrelang auf See bleiben, ohne je an Land zu gehen. Die Fänge werden auf hoher See an Kühlschiffe übergeben, die umgekehrt die Fangschiffe mit Proviant versorgen. Pech für Crewmitglieder, die irgendwo noch eine Familie haben. Auch können illegale Fänge auf diese Weise wunderbar verschleiert werden.

Überfischung: Wenn es immer weniger Fisch gibt

Wie wir in unserem oben verlinkten Artikel über Fischstäbchen erklären, sind Kabeljau, Dorsch und Hering masslos überfischt. Doch nicht nur diesen Fischen geht es an den Kragen, im Durchschnitt sind 30 bis 40 Prozent der kommerziell genutzten Fischbestände (im Mittelmeer sind es über 60 Prozent) überfischt.

Das bedeutet, die offiziell vorgegebenen Fangquoten sind so hoch, dass sich die Fischbestände nach der „Entnahme“ auf keinen Fall erholen können. Es wird also stets mehr Fisch gefischt, als nachwachsen kann.

Weitere 60 Prozent (weltweit) werden bis an ihre biologische Grenze befischt, was bedeutet, dass so viel entnommen wird, wie gerade wieder nachwachsen kann – natürlich nur, wenn sich alle an die Regeln halten, was schon allein aufgrund des illegalen Fischfangs durch sog. Piratenfischer kaum möglich sein wird.

Die Fischereiindustrie findet Fischfang bis an die biologische Grenze einer Art als völlig in Ordnung und bezeichnet das als „optimale Nutzung“ – als sei Sinn und Zweck von Lebewesen nur der, „genutzt“ zu werden.

DGE-Empfehlung kein bisschen nachhaltig

In Deutschland werden pro Person 4,1 kg Fisch pro Jahr gegessen. Würden sich nun alle an die üblichen Empfehlungen der sog. Ernährungsexperten halten, z. B. der Deutschen Gesellschaft für Ernährung DGE, dann würde jeder Mensch wöchentlich mindestens 1 – 2 Portionen Fisch essen (220 g) ( 41 ) – was pro Jahr und Kopf 11,5 kg Fisch und somit fast die dreifache Menge des augenblicklichen Fischverzehrs bedeuten würde.

Bei 80 Millionen Leuten (Säuglinge und Kleinkinder nicht mitgerechnet) bräuchten wir jedes Jahr 912.000 Tonnen Fisch allein für Deutschland! Angesichts der hier und in unserem Fischstäbchen-Artikel beschriebenen Zustände in den Ozeanen wird jeder Leserin und jedem Leser nun klar sein, dass das nicht möglich ist, ohne das Zusammenbrechen wohl ALLER Bestände der „nutzbaren“ Fischarten zu verursachen.

Geisternetze: Wenn alte Fangnetze immer weiter Fische fangen

Fangnetze, die nicht mehr gebraucht werden oder beschädigt sind, werden häufig einfach in den Meeren belassen und versenkt. Millionen Meerestiere verheddern sich darin und finden so auch dann noch ihren Tod in den Fangnetzen, wenn diese gar nicht mehr offiziell im Einsatz sind.

Unterstützen Sie Projekte wie Bracenet und helfen Sie mit, die Meere von den „Geisternetzen“ zu befreien: Mit 170 Taucher*innen holt die Organisation die „Geisternetze“ aus den Ozeanen, reinigt sie und verarbeitet sie in Handarbeit zu Armbändern, Hundeleinen, Taschen und vielen weiteren Utensilien – gemäss dem Motto: SAVE THE SEAS. WEAR A NET!

Ist Fisch aus Aquakultur die Lösung?

Um die wilden Fischbestände zu schonen, werden viele Fischarten bereits in sog. Aquakulturen gezüchtet und gemästet. Aquakulturen sind Fischfarmen: gigantische Zucht- und Mastanlagen, in denen Zehntausende Fische in enge Käfige oder kleine Teiche gepfercht und dort bis zu ihrem Tod gemästet werden. Kann Fisch aus Aquakultur die Lösung für den immensen Fischhunger der Menschheit sein?

Fischarten aus Aquakultur

Der Sektor Aquakultur wächst wie kein anderer im Lebensmittelbereich. 89 Prozent der Aquakultur-Fische werden in Asien gezüchtet, insbesondere in China, auf das 60 Prozent der globalen Aquakulturproduktion zurückgeht. In Europa werden 4,2 Prozent der weltweiten Menge produziert. Der Trend geht derzeit in Richtung Ausbau intensiver Monoaquakulturen, die nur eine Spezies züchten.

Bereits 52 Prozent des Fischs für den menschlichen Verzehr stammt aus Aquakultur. Das waren im Jahr 2018 82 Millionen Tonnen ( 18 ). Folgende Fische werden bereits in Aquakultur gehalten:

  1. Süsswasserfische: Forellen, Karpfen, Buntbarsche (Tilapia), Welse (Pangasius, Clarias), Zander
  2. Meeresfische: Lachs, Dorade (Goldbrasse), Wolfsbarsch, Thunfisch, Aal, Barramundi, Störe, Kabeljau/Dorsch ( 19 )

Das Geschäft mit dem Thunfisch

Die Zucht von Thunfisch steckt noch in den Kinderschuhen, da sich Thunfisch in Gefangenschaft lange Zeit nicht fortpflanzen wollte. Erst seit kurzer Zeit ist es möglich, den Fisch in Aquakultur zu vermehren ( 1 ). Wo das noch nicht der Fall ist, fängt man – wie in all den Jahren zuvor – einfach junge Thunfische, sperrt sie in Unterwasserkäfige und mästet sie dort bis zum Schlachtgewicht.

Wildfang ist beim Thunfisch hingegen kaum noch nachhaltig möglich. Dennoch wird hier weiter gefischt. In Japan bringt ein ausgewachsener roter Thunfisch (auch Blauflossenthunfisch genannt) über 100.000 Euro und ist damit ein sehr gutes Geschäft. Die Art gibt es in nennenswerter Zahl nur noch im Mittelmeer, doch auch dort sind die Bestände auf ein klägliches Viertel geschrumpft ( 4 ).

Aquakultur: vom Horror der Fischfarmen

Bei Lachsen – dem beliebtesten Fisch der Deutschen – dauert die Mast in Aquakulturen zwei bis drei Jahre lang. Allerdings sterben schon 20 Prozent der Tiere bei der Aufzucht – weil die Haltungsbedingungen häufig so schlecht sind.

Die enge und völlig unnatürliche Haltung macht die Tiere anfällig für Krankheiten und Parasiten. Natürlich machen weder Krankheiten noch Parasiten am Gitternetz halt, gelangen ins offene Meer und infizieren dort die ohnehin schon bedrohten Wildbestände.

Die Lachslaus etwa ist ein Parasit (ein kleiner Krebs), der sich ins Fleisch der Fische frisst, dort grosse Wunden hinterlässt, die sich infizieren und zu einem langsamen Tod führen ( 20 ). In den Aquakulturen werden die Tiere daher regelmässig mit Medikamenten und Mitteln gegen Parasiten behandelt.

Zusätzlich gelingt alljährlich vielen zigtausend Zuchtlachsen die Flucht in die Freiheit. Sie stecken auf diese Weise noch viel leichter die Wildlachse an, verpaaren sich ausserdem mit diesen, was zu einer unerwünschten genetischen Vermischung führt und letztendlich die Wildform verdrängt.

Aquakultur
© http://gettyimages.de/Daniel

Riesige Fischfarmen sollen die Überfischung stoppen

Lachs frisst Soja aus dem Regenwald

Fisch in den Aquakulturen wird einerseits mit Wildfisch gefüttert (was zur Überfischung beiträgt), andererseits mit bis zu einem Drittel Sojaprotein. Die Aquakulturen helfen also kräftig dabei mit, den Regenwald zu zerstören. Denn für Sojaplantagen wird Regenwald abgeholzt.

Allein in Norwegen: Lachsindustrie soll um das Fünffache wachsen

Bis zum Jahr 2050 will Norwegen die Kapazitäten der Lachsindustrie verfünffachen – und ist bereits auf einem „guten“ Weg. Denn allein im Jahr 2019 vergaben die norwegischen Behörden mehr als 1.400 Genehmigungen für neue Lachs- und Forellenfarmen.

Wie sieht es in den Unterwasserkäfigen aus?

Wie aber sieht es in diesen Farmen aus? Von Fotos kennt man nur den Anblick der runden Unterwasserkäfige, deren oberer Rand noch aus dem Wasser ragt. Unter die Wasseroberfläche aber kann man nicht blicken. Und selbst wenn man dorthin einen Tauchgang unternehmen wollte, ginge es nicht, da man einen Abstand von 100 bis 200 Metern zu den Käfigen einhalten muss.

Glaubt man den Farmbetreibern, dann kommt dort „fortschrittliche Technologie“ zum Einsatz, die für gesunde Fische sorge. Da ist die Rede davon, dass man sich „dem Schutz der Umwelt und der natürlichen Fischbestände vor Ort verpflichte“ und man – um die Lizenz für eine Farm zu erhalten „eine Reihe von Vorgaben erfüllen“ und sich auch „strengen regelmässigen Kontrollen unterwerfen“ müsse.

Aquakultur: kranke und verkrüppelte Lachse

Mikael Frödin, schwedischer Journalist und leidenschaftlicher Angler, war für eine Doku, die im ZDF ausgestrahlt wurde, zu einer solchen Lachsfarm getaucht und machte mit seinem Team Unterwasseraufnahmen. Er sagt in dieser Doku:

„Ich hätte nicht erwartet, dass es so übel sein würde. Die Käfige sind voll mit kranken Fischen. Sie hatten Pilze, Wunden so gross wie meine Hand und manche Fische waren verkrüppelt, wie ein S geformt. Niemand sollte diese Fische essen“, ruft er, als er wieder auftaucht. „Sagt das den Müttern, die das ihren Kindern geben wollen, sie werden nie wieder einen dieser Fische kaufen.“

Später sagt er:

„Es war, als würdest du auf einen Bauernhof kommen und da liegen blutende Kühe mit offenen Wunden herum, die kaum noch atmen können. Wer mag so etwas essen? Niemand.“

Ulrich Pulg, Fischbiologe in Bergen sagt:

„Man kann die Lachszuchten mit der industriellen Schweinemassentierhaltung vergleichen. Ich würde sogar sagen, dass die Lachszuchten noch eine Nummer krasser sind, weil so grosse Ausfälle vorkommen. 20 Prozent der Tiere sterben bei der Aufzucht, was man in der Rinder- oder Schweinezucht nicht gutheissen würde. 50 Millionen Lachse starben 2018 in der Zucht, weil die Bedingungen so schlecht sind. Der König der Fische wurde zur Massenware, Ausschuss inklusive. Selbst die Putzerfische, die zum Reinigen der Lachse eingesetzt werden, sterben in den Anlagen zu Millionen. Nach dem Tierwohl fragt unter Wasser niemand.“

Sehen Sie sich hier unter Fussnote 5 den Film über die Lachsfarmen an ( 5 ).

Bio-Aquakultur: Die Unterschiede

Wenn Sie Bio-Fisch kaufen, dann stammt dieser immer aus Aquakultur (ist also nie Wildfang). In der Bio-Aquakultur muss man sich an spezielle ökologische Richtlinien orientieren.

Wie auch in der Massentierhaltung zu Lande geht es bei diesen Richtlinien um den Platz, der den Tieren zur Verfügung gestellt wird, um die Qualität des Futters, um die Art der medizinischen Versorgung etc. Nachfolgend besprechen wir die Unterschiede zwischen Bio-Aquakulturen und konventionellen Aquakulturen ( 22 ) ( 23 ) ( 24 ) ( 25 ) ( 26 ) ( 27 ) ( 38 ).

Das Futter

In der konventionellen Aquakultur werden Fischmehle und Fischöl gefüttert. Dabei handelt es sich nicht nur um Reste aus der Fischverarbeitung für den menschlichen Verzehr, sondern auch um ganze Fische, die nur zu diesem Zweck gefangen werden, z. B. Sardellen, was wiederum zur Überfischung beiträgt und die Nahrungsgrundlage von Robben, Walen, Seevögeln und vielen anderen Raubfischen bedroht. Besonders Lachs und Thunfisch werden mit kleinen Fischen gefüttert.

Etwa 20 bis 25 % des weltweit gefangenen Fisches wird zu Fischfutter (Fischmehl/Fischöl) verarbeitet ( 39 ) ( 40 ).

Des Weiteren gibt es Sojabohnenmehl und pflanzliche Öle wie Rapsöl und Sojaöl. Gentechnisch verändertes Futter (Soja, Raps, Mais) ist je nach Land erlaubt. In Deutschland ist zwar der Anbau von Gen-Futter nicht erlaubt, der Import und die Verfütterung aber schon, in Norwegen dagegen nicht).

In der Bio-Aquakultur muss mindestens die Hälfte des Futters aus Eigenproduktion stammen (z. B. Krebse, Algen, Insekten sowie Fischmehl und Fischöl aus den Resten der Fischverarbeitung). Soja und Getreide wird aus Bio-Landwirtschaft hinzugekauft. Gentech-Futter ist verboten. Zusätze sind ebenfalls verboten (Ausnahme: Carotine bei Lachs).

Medikamente und Hormone

In der Bio-Aquakultur sind Hormone und Antibiotika verboten. Bei Krankheiten werden stattdessen Probiotika und homöopathische oder pflanzliche Mittel eingesetzt. In der konventionellen Aquakultur jedoch sind Antibiotika und Hormone erlaubt (z. B. Wachstumshormone in der Lachszucht).

Je enger die Tiere in den Käfigen leben und je weniger Artenvielfalt herrscht, umso höher die Gefahr von Krankheiten.

Im Oktober 2014 veröffentlichte das Journal of Hazardous Materials eine Studie des Biodesign Instituts der Arizona State University. Die Wissenschaftler Hansa Done und Dr. Rolf Halden überprüften in ihrer Arbeit den Einsatz von Antibiotika in weltweit etablierten Aquakultur-Betrieben ( 3 ).

Die Forscher untersuchten Proben von Shrimps, Lachs, Wels, Forellen, Tilapia (Buntbarsch) und Pangasius, die aus elf verschiedenen Ländern stammten. Im Ergebnis konnten fünf verschiedene Antibiotika nachgewiesen werden:

  1. Oxytetracyclin wurde am häufigsten verwendet. Rückstände wurden bei wilden Garnelen, Zuchttilapia, Zuchtlachs und Zuchtforellen gefunden.
  2. 4-Epi-Oxytetracyclin bei Zuchtlachs
  3. Sulfadimethoxin bei Zuchtgarnelen
  4. Ormetoprim bei Zuchtlachs
  5. Virginiamycin bei Zuchtlachs, der sogar speziell als antibiotikafrei deklariert war

Auch in Garnelen aus freier Wildbahn wurde das Antibiotikum bereits nachgewiesen. Wie es dorthin kommen kann, ist nicht geklärt. Entweder die Garnelen stammten gar nicht aus Wildfang, sondern aus Aquakulturen und waren fälschlicherweise als Wildfang gekennzeichnet oder aber die wilden Gewässer sind bereits kontaminiert, z. B. über die Aquakulturen.

Besatzdichte – Wie viele Tiere pro Kubikmeter

In der konventionellen Aquakultur sind grosse Besatzdichten möglich. Dadurch setzt der Fisch mehr Fett an, denn er kann sich nur wenig bewegen. Wirtschaftliche Faktoren stehen hier im Vordergrund, das Tierwohl ist unwichtig.

In der Bio-Aquakultur darf sich in der Regel maximal 15 Kilogramm Fisch pro Kubikmeter Wasser aufhalten. Ausnahmen gibt es, etwa Lachse, die man in höherer Zahl pro Kubikmeter halten kann.

Umweltbelastung

Da sich Aquakulturen meist in freien Gewässern befinden, kommt es zu starker Verschmutzung dieser Gewässer durch Kot, tote Fische und Nahrungsreste, die aus den Unterwasserkäfigen in die Meere gelangen.

Auch können sich Krankheiten auf Wildbestände übertragen. Immer wieder kommt es überdies vor, dass die Netze der Unterwasserkäfige beschädigt sind und Zuchtfische entkommen können, die nun die Artenvielfalt bedrohen und durch Erbgutvermischung natürliche Bestände verdrängen.

Diese Aspekte – Gewässerverschmutzung, Krankheiten und Flucht von Zuchttieren – treffen auf beide Aquakulturformen zu, also auch auf die Bio-Aquakulturen, obwohl bei letzteren in den Richtlinien der Hinweis zu finden ist, dass die Auswirkungen auf die Umwelt geringstmöglich gehalten werden müssen.

Bei den konventionellen Aquakulturen gelangen ausserdem die eingesetzten Antibiotika und Hormone in die Gewässer. In den Fischfarmen werden überdies bis zu 300 verschiedene chemische Mittel eingesetzt – mit unbekannten Auswirkungen auf die Umwelt und den Verbraucher.

Zerstörung von Ökosystemen

Für die Anlage von Aquakulturen werden natürliche Lebensräume zerstört. Allein zwischen 1980 und 1990 wurden für die Anlage von Garnelen-Aquakulturen 38 Prozent der Mangrovenwälder zerstört. Und auch heute noch werden in Südostasien jedes Jahr 3,5 bis 8 Prozent der Mangrovenwälder für neue Aquakulturen gerodet, aber auch für Reisfelder, Palmöl, neue Häfen und Hotels.

Mangrovenwälder sind äusserst artenreiche und klimaresistente Ökosysteme. Sie binden drei- bis fünfmal so viel Kohlendioxid wie herkömmliche Wälder und bieten Lebensraum für viele Fischarten, von denen wiederum die Existenz vieler Menschen in den jeweiligen Regionen abhängt. Wenn die Entwicklung so fortschreitet wie jetzt, gibt es in 100 Jahren keine Mangrovenwälder mehr ( 2 ).

Fisch: eine echte Ökokatastrophe

Die Industrie rund um Fischfang und Fischzucht ist somit eine echte Ökokatastrophe. Wenn Sie nach wie vor Fisch essen möchten, dann orientieren Sie sich an den Einkaufstipps von Greenpeace . Das oberste Gebot dabei lautet: Weniger Fisch ist mehr, gar kein Fisch ist das Beste.

Vielleicht hatten Sie an dieser Stelle den Hinweis auf ein Siegel erwartet, das nachhaltig produzierten Fisch kennzeichnet – wie man es auf den Seiten der üblichen Ernährungsexperten, z. B. der Deutschen Gesellschaft für Ernährung DGE findet. Bislang gibt es jedoch kein Siegel, das entsprechend vertrauenswürdig wäre.

Seehunde dem Tode entkommen
© gettyimages.de/Jamie Lamb

Noch einmal Glück gehabt: Seehund mit Netzrest um den Hals

Das ASC-Siegel: nicht vertrauenswürdig

Um die schädlichen Auswirkungen der Fischfarmen (Aquakulturen) auf die Umwelt zu begrenzen, rief der WWF im Jahr 2009 den Aquaculture Stewardship Council (ASC) ins Leben. Das Siegel soll nur nachhaltig wirtschaftenden Fischfarmen verliehen werden. Gerade Deutschland ist gemeinsam mit den Niederlanden der weltweit grösste Markt für Fisch mit dem ASC-Siegel.

Dann aber enthüllte eine Studie mehr als 3700 Verstösse gegen die ASC-Standards, darunter 790 schwere Verstösse. Doch auch diese führten nicht dazu, dass der jeweiligen Fischfarm die Zertifizierung entzogen wurde, obwohl man – um zertifiziert zu werden – die Standards zu 100 Prozent einhalten muss. Die Einhaltung der Standards konnte nur bei 20 Prozent der zertifizierten Betriebe festgestellt werden ( 21 ).

Einer der ASC-Standards besagt, dass Fisch, der zu Lachsfutter verarbeitet wird, nach MSC-Kriterien gefangen sein muss, was das ASC nicht gerade vertrauenswürdiger macht, wenn es auf anderen Siegeln aufbaut, die sich bereits als unglaubwürdig herausgestellt haben.

Update 7.3.2024: Wir ergänzten den Artikel mit dem Abschnitt "Fischreserven in Deutschland längst aufgebraucht".

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Wichtiger Hinweis

Dieser Artikel wurde auf Grundlage (zur Zeit der Veröffentlichung) aktueller Studien verfasst und von MedizinerInnen geprüft, darf aber nicht zur Selbstdiagnose oder Selbstbehandlung genutzt werden, ersetzt also nicht den Besuch bei Ihrem Arzt. Besprechen Sie daher jede Massnahme (ob aus diesem oder einem anderen unserer Artikel) immer zuerst mit Ihrem Arzt.