Zentrum der Gesundheit
  • B-Vitamine in der Apotheke
9 min

Erhöhen B-Vitamine das Risiko für Lungenkrebs und Knochenbrüche?

In Studien will man festgestellt haben, dass manche B-Vitamine das Risiko für Hüftfrakturen und Lungenkrebs erhöhen. Sind B-Vitamine somit schädlich? Wie verhält es sich wirklich?

Fachärztliche Prüfung: Dr. med. Jochen Handel
Aktualisiert: 10 September 2023

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Können B-Vitamine zu Knochenbrüchen führen?

In der Deutsche Apotheker Zeitung (DAZ) erschien am 31.7.2019 ein Artikel (1) mit der Überschrift: „Provozieren Vitamin B6 und B12 Hüftfrakturen?“

Eigentlich dachte man bisher, dass gerade ein Mangel an Vitamin B12 und anderen Vitaminen (z. B. Folsäure) Knochenbrüche begünstige. Denn ein Mangel dieser Vitamine wird mit einem erhöhten Homocysteinspiegel in Zusammenhang gebracht – und dieser gilt nicht nur als Risikofaktor für Arteriosklerose, sondern auch für Knochenbrüche ( 11 ).

Wie kann es sein, dass die Einnahme dieser Vitamine nun erst recht zu Knochenbrüchen beitragen soll? Zusammengefasst wurde in der DAZ folgendes dargelegt:

Nicht nur fettlösliche Vitamine (A, D, E, K) könnten bei Überdosis riskant sein, auch wasserlösliche Vitamine. Bisher habe man gedacht, letztere könnten auch grosszügig dosiert eingenommen werden, da Überschüsse problemlos ausgeschieden würden, was aber offenbar nicht der Fall sei. Denn laut einer Studie ( 2 ) die im Mai 2019 veröffentlicht wurde, ist die hohe und kombinierte Zufuhr der Vitamine B6 und B12 mit einem erhöhten Risiko für Hüftfrakturen verbunden.

Studie: Hohe Vitamin-B-Dosen erhöhen Risiko für Knochenbrüche

In genannter Untersuchung wird die Nurses' Health Study herangezogen. Anhand der Daten von etwa 75.000 Frauen will man entdeckt haben, dass es unter hohen Dosen Vitamin B6 und B12 im Vergleich zu niedrigen Dosen zu einem 30 bis 50 Prozent höheren Frakturrisiko gekommen sei.

  1. Mit hohen Dosen war die jahrelange Einnahme von täglich mehr als 35 mg Vitamin B6 und mehr als 30 µg Vitamin B12 gemeint.
  2. Mit niedrigen Dosen die tägliche Einnahme von 2 mg Vitamin B6 und 5 bis 10 µg Vitamin B12.

Wissenschaftler raten: B-Vitamine nur bei Mangel einnehmen

Das klingt bedenklich und man wünscht sich nun einen Hinweis, wie man künftig am besten vorgehen soll, um das dargelegte Knochenbruchrisiko zu umgehen, vor allem dann, wenn man aus bestimmten Gründen B-Vitamine einnehmen möchte/muss, z. B. bei veganer Ernährung, bei chronischen Magen- oder Darmbeschwerden (die oft mit einem Vitalstoff- und hier besonders mit einem Vitamin B12-Mangel einhergehen), bei einem nachgewiesenen Mangel oder bei einem erhöhten Homocystein-Spiegel.

Doch unter der Überschrift „Konsequenzen für den Umgang mit B-Vitaminen“ wird man auf einen weiterführenden Artikel der DAZ verwiesen, der leider nur für Abonnenten sichtbar und damit kostenpflichtig ist.

Die Studie aber ist vollständig und kostenlos im Netz zu finden ( 2 ). Als Tipp für das künftige Handling mit B-Vitaminen liest man aber auch hier nur, dass man bei einer Nahrungsergänzung mit diesen Vitaminen Vorsicht walten lassen solle, wenn kein offensichtlicher Mangel vorliege.

B-Vitamine schützen die Knochen

Natürlich kann allein die Einnahme von Vitaminpräparaten keine Knochenbrüche provozieren. Denn die Knochengesundheit hängt selbstverständlich noch von vielen anderen Faktoren mehr ab (Ernährung, Gesamtvitalstoffversorgung (Vitamin D, Kalium, Vitamin C, Silicium, Zink etc.), Bewegung, Stress etc.). In Studien aber werden grundsätzlich nur wenige dieser Faktoren berücksichtigt.

Darüber hinaus gibt es interessante Studien, die zeigen, dass gerade die Einnahme von B-Vitaminen die Knochengesundheit sehr gut unterstützen kann, z. B. eine doppelblinde klinische Studie mit Patienten, die einen Schlaganfall hinter sich hatten und B-Vitamine zur Vermeidung eines weiteren Schlaganfalles erhielten. Als angenehmer Begleiteffekt zeigte sich in dieser Studie, dass die Vitamine das Risiko für Hüftfrakturen reduzieren konnten.

Auch weiss man aus mehreren (!) Studien, dass ein niedriger Vitamin-B12-Spiegel kombiniert mit einem hohen Homocysteinspiegel die Knochen schwächt und das Knochenbruchrisiko erhöht. Dasselbe gilt für einen niedrigen Folsäurespiegel in Kombination mit einem hohen Homocysteinspiegel.

In einer japanischen Studie erhielten 628 Patienten, die 65 Jahre oder älter waren, täglich 5000 µg Folat und 1500 µg Methylcobalamin (Vitamin B12) oder ein Placebopräparat. Nach Abschluss der Studie kam es in der Vitamin-Gruppe nur zu 6 Hüftfrakturen, in der Placebogruppe zu 27, was eindeutig zeigt, dass hochdosierte B-Vitamine für die Knochen eher positiv zu sein scheinen.

Können B-Vitamine Lungenkrebs verursachen?

Die DAZ berichtet weiter, dass B-Vitamine (Folsäure und Vitamin B12) zudem seit Jahren mit einer erhöhten Lungenkrebsgefahr in Verbindung gebracht würden. Als Belege werden drei Studien genannt:

Studie 1: Folsäure erhöht das Lungenkrebsrisiko

Die erste stammt von 2009 ( 3 ). Darin entdeckte man, dass Patienten, die an der koronaren Herzkrankheit litten, höhere Krebs- und Sterberaten hatten, wenn sie über durchschnittlich 3,25 Jahre hinweg Folsäure (Vitamin B9) kombiniert mit Vitamin B12 eingenommen hatten (800 µg Folsäure und 400 µg Vitamin B12). Bei der Einnahme von täglich 40 mg Vitamin B6 konnte man Derartiges nicht beobachten. Der schädliche Effekt sei ausserdem nicht auf das Vitamin B12 zurückzuführen, sondern auf die zu hohe Folsäuredosis, hiess es.

Ein Jahr später jedoch erschien eine Studie (19), in der sich bei einer noch deutlich höheren und auch längeren Folsäuredosis (2000 µg mehr als 6 Jahre lang) plus 1000 µg Vitamin B12 kein erhöhtes Krebsrisiko im Vergleich zur Placebogruppe gezeigt hat. Diese Studie wird von der DAZ nicht genannt.

Studie 2: Multivitaminpräparate

In der zweiten Studie ( 4 ), die schon vor 15 Jahren veröffentlicht wurde, nahmen die Personen Multivitaminpräparate (man erfährt nicht, welche), aber keine einzelnen B-Vitamine, so dass man daraus keine Rückschlüsse auf die Wirkung von B-Vitaminen ziehen kann, zumal Multivitaminpräparate derart zahlreiche Zusätze enthalten können, dass durchaus in Erwägung gezogen werden sollte, ob nicht diese zum erhöhten Krebsrisiko beitrugen. Näheres dazu lesen Sie z. B. hier: Inhaltsstoffliste eines herkömmlichen Vitaminpräparates aus der Apotheke

Studie 3: Hoher Vitamin-B12-Spiegel stellt Risikofaktor für Lungenkrebs dar

Bei der dritten Studie ( 5 ) liessen sich Hinweise darauf finden, dass ein hoher Vitamin-B12-Spiegel im Blut mit einem erhöhten Lungenkrebsrisiko in Verbindung steht. Leider wird nicht angegeben, wie hoch ein B12-Spiegel sein muss, um das Lungenkrebsrisiko steigen zu lassen. Es wird lediglich gesagt, dass das Risiko für Lungenkrebs mit jeder 150-pmol/l-Erhöhung der Vitamin-B12-Konzentration um 8 Prozent ansteige.

Das hiesse z. B. dass Personen mit einem B12-Wert von 370 pmol/l im Vergleich zu jenen mit 220 pmol/l ein um 8 Prozent erhöhtes Lungenkrebsrisiko haben. Bei Personen mit 520 pmol/l wäre das Risiko um 16 Prozent höher als bei Personen mit 220 pmol/l. Der normale B12-Spiegel soll zwischen 220 und 665 pmol/l liegen.

Das bedeutet nun nicht, dass man sich an der unteren Skala einpendeln sollte und damit einen B12-Mangel risikiert, nur um ein Lungenkrebsrisiko zu minimieren – zumal dieses pro 150 pmol/l Vitamin B12 im Grunde eher niedrig ist, so dass es leicht von Massnahmen einer gesunden Lebensführung kompensiert werden kann.

Studie 4: Vitamin-B12-Einnahme und Lungenkrebsrisiko

Die folgende Studie wurde in der DAZ nicht genannt. Wir fügen sie der Vollständigkeit halber hier dennoch ein. Sie stammt aus dem Jahr 2017 und wurde im Journal of Clinical Oncology veröffentlicht ( 20 ). Hier wird gesagt, dass bei Männern die Einnahme von täglich mehr als 55 µg Vitamin B12 das Lungenkrebsrisiko (im Vergleich zu Männern, die kein Vitamin B12 in Form von Nahrungsergänzungen zu sich nahmen) nahezu verdopple. Das klingt wirklich gefährlich!

Schaut man sich dann aber die Daten der Studienteilnehmer an, zeigt sich zunächst, dass bei den Lungenkrebspatienten 92,5 Prozent Raucher oder ehemalige Raucher waren, so dass man vielleicht eher auf die Gefahren des Rauchens hinweisen sollte, als mühsam die Einnahme von Vitaminen untersuchen.

Die konkreten Zahlen im Ergebnis der Studie lauten folgendermassen:

  1. Die Gesamtteilnehmerzahl der Studie betrug 77.118 Personen, 40.069 Frauen und 37.049 Männer.
  2. Bei den Frauen erkrankten 359 an Lungenkrebs, bei den Männern 449.
  3. Von den 449 erkrankten Männer hatten 28 täglich mehr als 55 µg Vitamin B12 eingenommen, was 6,28 Prozent der erkrankten Männer entspricht.
  4. Von den etwa 36.600 Männern, die keinen Lungenkrebs bekamen, hatten 1.238 täglich mehr als 55 µg Vitamin B12 eingenommen, was 3,4 Prozent der lungenkrebsfreien Männer entspricht.

Und da 6,28 Prozent fast das Doppelte (das 1,85-Fache) von 3,4 Prozent sind, heisst es, das Lungenkrebsrisiko werde fast verdoppelt, wenn man regelmässig mehr als 55 µg Vitamin B12 einnehme. (Hinweis: Die Zahl stieg in der Studie auf das 1,98-Fache, weil die Forscher noch andere Risikofaktoren (Übergewicht, Vorerkrankungen, Alkoholkonsum etc.) herausrechneten.)

Das Studienergebnis könnte man jedoch auch anders formulieren: Von 1.266 Männern, die täglich mehr als 55 µg Vitamin B12 einnahmen, bekamen 28 Männer Lungenkrebs, was deutlich weniger dramatisch klingt.

Wie sollte Vitamin B12 eingenommen werden?

Aus Studie 3 ergibt sich, dass ein übermässig hoher B12-Spiegel vermieden werden sollte. Doch sollten natürlich bei allen Werten übermässig hohe Spiegel vermieden werden. Man möchte ja nichts weiter als einen gesunden Spiegel sämtlicher Vitalstoffe.

Wer also regelmässig mit Vitaminen supplementiert, könnte z. B. einmal jährlich beim ärztlichen Check seine B12-Werte überprüfen lassen.

Allerdings ist in genannter Studie stets die Rede vom Serumspiegel des Vitamin B12. Dieser gibt auch inaktive B12-Formen an, z. B. die sog. Analoga, die gar keine B12-Wirkung haben. Die Messung des Serumspiegels eignet sich daher nicht zur Bestimmung bzw. zum Ausschluss eines Vitamin-B12-Mangels, weshalb man zur Festlegung der individuell erforderlichen Vitamin-B12-Dosis im Grunde zwei Tests machen müsste: Den Serumspiegel (um hohe Spiegel zwecks Lungenkrebsrisiko auszuschliessen) und den Holo-TC-Wert, der nur das tatsächlich auch bioverfügbare Vitamin B12 angibt.

Auf die richtige Vitamin-B12-Form achten!

Ausserdem erfährt man in den Studien nicht, welche Vitamin-B12-Verbindung eingenommen wurde – das rein synthetische Cyanocobalamin (was meist der Fall ist) oder natürliche Verbindungen wie z. B. Methylcobalamin, Adenosylcobalamin und Hydroxocobalamin. Auch wird in Studie 3 nicht erklärt, ob der Vitamin-B12-Spiegel durch die Einnahme von Nahrungsergänzungen stieg, aufgrund von Spritzen oder vielleicht aufgrund anderer Faktoren.

Da ein übermässig hoher Vitamin-B12-Spiegel ernste Ursachen haben kann, sollte er in jedem Fall abgeklärt werden.

Verursacht erst der Krebs einen hohen Vitamin B12-Spiegel?

Auf der Seite des Memorial Sloan Kettering Cancer Centers (Private Krebsklinik in New York, die zur Cornell University gehört) wird überdies darauf hingewiesen ( 13 ), dass ein erhöhter Vitamin-B12-Spiegel auch krebsbedingt sein kann, also vom Krebs verursacht wird, weil sich in diesem Fall der Cobalaminstoffwechsel ändert (Cobalamin = Vitamin B12). Es bedeute also nicht zwingend, dass eine Supplementierung mit Vitamin B12 Krebs verursache.

Der Vitamin-B12-Spiegel in obiger Studie wurde zwar vor der Lungenkrebsdiagnose bestimmt, doch könnte es durchaus sein, dass ein Krebsgeschehen schon in einem Stadium den Stoffwechsel beeinflusst, das diagnostisch noch nicht auffällig ist.

Wie viel Vitamin B steckt in Vitamin-B-Komplex-Präparaten?

In den üblichen Vitamin-B-Komplex-Präparaten sind zumeist nicht mehr als 2 bis 10 mg Vitamin B6 enthalten, aber nicht jene Hochdosen (35 mg und mehr), vor denen gewarnt wird. Speziell hochdosierte Präparate werden therapeutisch und kurweise eingesetzt, aber nicht jahrelang, wie in jener Studie, auf die sich die DAZ beruft.

Der Tagesbedarf von Vitamin B12 soll laut offizieller Angaben (DGE, Deutsche Gesellschaft für Ernährung) bei inzwischen (seit 1/2019) 4 µg liegen (zuvor waren es 3 µg). Vitamin B12 ist in Vitamin-B-Komplex-Präparaten meist in genau diesen Dosen enthalten, z. B. im Vitamin-B-Komplex von effective nature.

Vitamin B12 wird jedoch oft auch in Tagesdosen von 1000 µg angeboten. Diese hohen Dosen sind für viele Menschen wichtig, die das Vitamin B12 aufgrund von Resorptionsproblemen (z. B. Magenproblemen, Säureblocker- oder Metformineinnahme etc.) nicht richtig aufnehmen können und die mit niedrigeren Dosen einen Mangel entwickeln würden.

Bei der Einnahme von solch hohen B12-Dosen kann B12 im Darm durch passive Diffusion aufgenommen werden, ist also nicht mehr ausschliesslich auf spezifische Transporterproteine (Intrinsic Factor, IF) angewiesen, wie das bei kleinen Dosen der Fall ist. Durch passive Diffusion werden nun im Allgemeinen nicht mehr als um die 1 Prozent, also ca. 10 - 12 µg aufgenommen. Details dazu finden Sie hier: Welche Dosis Vitamin B12 sollte man einnehmen?)

Update vom 30.4.2020

Wir haben Studie 4 (Quelle (20)) eingefügt.

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Dieser Artikel wurde auf Grundlage (zur Zeit der Veröffentlichung) aktueller Studien verfasst und von MedizinerInnen geprüft, darf aber nicht zur Selbstdiagnose oder Selbstbehandlung genutzt werden, ersetzt also nicht den Besuch bei Ihrem Arzt. Besprechen Sie daher jede Massnahme (ob aus diesem oder einem anderen unserer Artikel) immer zuerst mit Ihrem Arzt.