Pharmaindustrie kümmert sich um Medizinstudenten
Die großen Pharmaunternehmen beeinflussen die Studienpläne der künftigen Mediziner so stark und gleichzeitig so unauffällig, dass man bereits von sog. "heimlichen Lehrplänen" spricht. Dadurch soll mit den entsprechenden Pharma-Marketing-Maßnahmen schon während des Medizinstudiums eine möglichst enge Beziehung zwischen Student und Pharmaindustrie aufgebaut werden, die später dazu führen wird, dass der Arzt hochmotiviert die Medikamente der betreffenden Firmen verschreibt.
Es besteht also der berechtigte Verdacht, dass Medikamente oft nicht aus Notwendigkeit oder aus Mangel an Alternativen verordnet werden, sondern weil der Arzt möglichst viele Medikamente seines "befreundeten" Pharmaunternehmens an den Mann bzw. Patienten bringen möchte. Folglich könnte es durchaus sein, dass rein schulmedizinisch orientierte Ärzte, die sich auch nicht naturheilkundlich weiterbilden, zu jenem Personenkreis gehören, denen man besser nicht allzu viel Vertrauen entgegen bringt.
Chirurgen operieren unausgeschlafen und erschöpft
Eine weitere fast noch schlimmere Gefahr, die von Ärzten ausgeht, ist jene, der man ausgesetzt ist, wenn man im Tiefschlaf der Narkose liegt und kein bisschen mehr davon mitbekommt, was einem widerfährt. Ob der Chirurg ausgeschlafen ist, ob er gerade von seiner Frau verlassen wurde und deshalb keinen klaren Gedanken fassen kann, ob er selbst oder eines seiner engsten Familienmitglieder mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hat, ob er möglicherweise unter dem Einfluss von Drogen steht, davon erfährt der Patient nichts.
Und so operieren zahllose Chirurgen munter drauf los, und zwar auch dann - so fand eine Studie heraus ( 1 ) - wenn sie unausgeschlafen und sich in völlig ermattetem Zustand befinden. Dass sich in diesem Falle die Patienten kaum in sicheren Händen, sondern in ernsthafter Gefahr befinden dürften, versteht sich von selbst.
Enge Freunde: Pharmaindustrie und Mediziner
Die erwähnte Studie wurde von Kirsten Austad und Aaron S. Kesselheim von der medizinischen Fakultät der Universität Harvard durchgeführt und im Fachmagazin PLoS Medicine veröffentlicht ( 2 ). Austad und Kesselheim wiesen nach, dass die Pharmagiganten einen "heimlichen Studienplan" aufgestellt hätten, der künftige Ärzte ganz im Sinne der Pharmaindustrie beeinflusse.
Dies geschehe durch intensive und pausenlose Kontakte zwischen Studenten und pharmazeutischen Unternehmen, so dass die Mediziner automatisch eine positive Einstellung zu den Marketingmaßnahmen für verschreibungspflichtige Medikamente entwickelten. Jegliches Misstrauen in Bezug auf mögliche Nebenwirkungen wird im Keime erstickt.
Medizinstudenten gesponsert von der Pharmaindustrie
Das Forscherteam aus Harvard untersuchte alle veröffentlichten Studien, die sich mit diesem Thema beschäftigten und analysierte die Daten von insgesamt 9.850 Medizinstudenten aus 76 verschiedenen Universitäten. Die Resultate ergaben, dass die meisten Medizinstudenten eng mit der Pharmaindustrie verbandelt waren und sich dieser Kontakt in deren späteren Praxisjahren noch intensivierte.
Geschenke und kostenlose Seminare für Medizinstudenten
Bis zu 90 Prozent aller Studenten, die in Kliniken direkt mit Patienten arbeiteten, erhielten von Pharmaunternehmen Ausbildungsmaterialien zur Verfügung gestellt, kostenlose Seminare oder auch Geschenke in Form von z. B. Büchern, DVDs oder Aktivwochenenden. Die meisten Medizinstudenten waren dazu noch der Meinung, dass es absolut in Ordnung sei, Geschenke von Medikamentenherstellern zu erhalten und diese auch anzunehmen.
Sie rechtfertigten sich damit, dass sie als Studenten schließlich meist in mehr oder weniger großer finanzieller Not lebten und folglich auf die Zuwendungen der Pharmaindustrie fast schon angewiesen seien. Einige Medizinstudenten erklärten, es müsse zwangsläufig deshalb ethisch einwandfrei sein, die von den Pharmaunternehmen gesponserten Geschenke anzunehmen, da die meisten anderen Studenten diese ja auch annehmen würden.
Mehrheit der Medizinstudenten ist sich des Pharma-Einflusses nicht bewusst
Fast zwei Drittel der Studenten war der Meinung, dass sie trotz der Tatsache, dass sie sich regelmäßig von den Lobbyisten der Pharmaunternehmen beschenken ließen, immun gegen Vorurteile und Voreingenommenheit seien. Die Meinung der Studenten darüber, ob die Interaktion von Ärzten und der Industrie gesetzlich oder von den Fakultäten geregelt werden sollte, war hingegen gespalten.
Einfluss der Pharmaindustrie muss reduziert werden
Kein bisschen gespalten waren diesbezüglich hingegen die Wissenschaftler und empfahlen, dass es zumindest auf Ebene der Fakultäten zu einschneidenden Änderungen kommen sollte, um die enge "Beziehung" zwischen Ärzten und den Pharmavertretern ein wenig zu lockern, wenn nicht gar zu lösen. So sollten die Universitäten die fast schon permanente Berieselung der Studenten mit Pharmawerbung unterbinden. Lehrärzte sollten sich ihrer Vorbildfunktion für die Studenten bewusst sein und die Zuwendungen der Pharmaindustrie ablehnen.
Mehr Berufsethik erwünscht
Ein geringerer Einfluss der Industrie auf die medizinische Ausbildung hätte mindestens zwei wichtige Konsequenzen: Erstens würde die Berufsethik der Mediziner wieder deutlich an Qualität, Glaubwürdigkeit und Integrität gewinnen. Zweitens würden sich die Mediziner bei der Wahl der passenden Therapie und der Verordnung von Medikamenten weniger an den Empfehlungen der Pharmaindustrie als vielmehr an den Ergebnissen klinischer Studien oder anderweitigen wissenschaftlichen Bewertungen orientieren - wobei natürlich auch viele Studien und wissenschaftliche Arbeiten nicht selten unter dem regulierenden Einfluss der Pharmaunternehmen entstehen.
Pharmaindustrie lässt nicht locker
Allerdings befürchteten die Harvard-Wissenschaftler, dass es ziemlich schwierig werden könnte, den Einfluss der Pharmariesen in der genannten Weise einzuschränken, da deren Position an den medizinischen Fakultäten unvorstellbar gefestigt sei und deren Sponsoring die Universitäten und Kliniken wie eine Krake mit ihren Fangarmen unerbittlich im Griff habe, so dass es für die betreffenden Studenten und Ärzte - selbst wenn sie wollten, was jedoch, wie oben erwähnt, eher selten der Fall ist - kaum ein Entkommen gäbe.
Für Patienten bedeutet das, dass die ihnen verordnete Therapie oft nur deshalb verordnet wird, weil die entsprechenden Medikamente gerade vom Hersteller bevorzugt beworben werden, aber nicht unbedingt daher, weil sie sich in klinischen Studien als besonders vielversprechend oder nebenwirkungsarm gezeigt haben - wie man sich das als Patient vielleicht wünschen würde.
Doch das ist nicht der einzige Wunsch, dessen Erfüllung den Patienten verwehrt wird. Wer sich operieren lassen muss, hofft inständig auf einen kompetenten, verantwortungsbewussten und folglich auch ausgeruhten Chirurgen. Leider scheint die Trefferquote, einen solchen zu erwischen, immer weiter zu sinken.
Ärzte leiden unter Schlafmangel
So wies ein Artikel, der kürzlich in der kanadischen Mediziner-Fachzeitschrift CMAJ ( Canadian Medical Association Journal) veröffentlicht wurde, darauf hin, dass Ärzte ihre Patienten oft einem großen Risiko aussetzen, da sie an akutem Schlafmangel leiden ( 3 ) ( 1 ).
Die Wissenschaftler machten auf eine Studie aufmerksam, die sich des Themas "Schlafmangel bei Ärzten" annahm und feststellte, dass Unausgeruhtsein des Arztes zunehmend der Grund für Komplikationen bei Operationen sei - und zwar vor allem dann, wenn der betreffende Chirurg in der vorangegangenen Nacht weniger als sechs Stunden Schlaf bekommen hat.
Die 10-jährige Studie führte bereits zu streng limitierten Arbeitszeiten bei Medizinstudenten, ausgebildete Ärzte jedoch betrifft das Arbeitszeitlimit nicht. Während außerdem Ärzte im Praktikum meist während Operationen streng beaufsichtigt werden, geschieht das bei erfahrenen Ärzten kaum noch, so dass deren Fehler so gut wie nie ans Tageslicht gelangen.
Schlafmangel entspricht 0,5 Promille
Das Problem der überlasteten und daher unausgeruhten Ärzte könnte sich in Zukunft aufgrund der Personaleinsparungen noch verschärfen,
schreiben die Redakteure des CMAJ, die Ärzte Noni MacDonald, Paul Hébert, Ken Flegel und Matthew Stanbrook, in einem Editorial.
Schlafmangel aufgrund von Nachtdiensten führt in etwa zur selben Beeinträchtigung der Urteilsfähigkeit und der motorischen Fähigkeiten wie ein Blutalkoholgehalt von über 0,5 Promille.
Wird man mit einem solchen Blutalkoholgehalt am Steuer erwischt - was je nach Konstitution bereits mit einem halben Liter Bier der Fall sein kann - dann ist man um 500 Euro ärmer, um 4 Punkte reicher und darf sich außerdem für einen Monat von seinem Führerschein verabschieden. Der Grund ist einfach: Mit 0,5 Promille steigt das Unfallrisiko auf das doppelte - und das ist nicht nur im Straßenverkehr so, sondern auch im OP.