High Heels – Gesundheit oder roter Teppich?
Ob High Heels nun schädlich für die Gesundheit sind oder nicht. Die Organisatoren der berühmten Filmfestspiele im französischen Cannes kümmert das wenig. Im Mai 2015 kam heraus, dass bei den Filmfestspielen eine inoffizielle High Heels Pflicht für Frauen gilt ( 1 ). Das heisst, ohne hohe Absätze dürfen Frauen den roten Teppich nicht betreten. Zunächst wurde diese Meldung dementiert, auch vom Direktor des Festivals, Thierry Frémaux. Innerhalb kurzer Zeit häuften sich jedoch die Berichte betroffener Frauen bzw. deren Männern, so dass die Festivalleitung sich genötigt sah, eine Entschuldigung abzugeben.
Das Beispiel veranschaulicht sehr gut, dass hohe Schuhe in manchen Lebensbereichen für Frauen zwar nicht offiziell, aber ungeschrieben zur Pflichtkleidung gehören. Wer dazugehören möchte, kann sich nicht ohne weiteres verweigern – ob die High Heels nun der Gesundheit schaden oder nicht.
Businessfrauen sind auf High Heels unterwegs
Nun sind normale Frauen eher selten auf den roten Teppichen bekannter Filmfestspiele zu finden. Dennoch gibt es auch im Alltag viele Beispiele für eine de facto vorhandene Pflicht zum Tragen von High Heels. So gehören die Schuhe ebenso zur klassischen Abendgarderobe wie zur allgemein akzeptierten Businesskleidung.
Die typische Kleidung erfolgreicher Businessfrauen besteht aus einem etwa knielangen, schmal geschnittenem Rock, einer Bluse, einem Blazer und – High Heels. Über Erfolg oder Nichterfolg im Berufsleben entscheidet oft genug nicht nur das Können, sondern auch die Fähigkeit, sich an die Standards der entsprechenden höheren gesellschaftlichen Etagen anzupassen ( 2 ).
Schauen Sie sich die Fotos von erfolgreichen und/oder mächtigen Frauen in Zeitschriften und Magazinen einmal genauer an, die meisten von ihnen sind auf High Heels unterwegs. Ausnahmen bestätigen natürlich, wie immer, die Regel. Die laut Forbes mächtigste Frau der Welt, Angela Merkel, trägt hohe Schuhe nur zu besonderen Anlässen.
Doch nicht nur die ungeschriebenen Gesetze der Mächtigen und Erfolgreichen verurteilen Frauen zum Tragen von High Heels, viele Männer finden Stilettos sexy und wünschen daher von ihren Partnerinnen, dass sich diese entsprechend ausstaffieren. Die Frauen selbst merken dabei oft gar nicht, wie sehr sie fremdbestimmt werden und fühlen sich nur im entsprechenden Schuhwerk weiblich ( 4 ).
Pumps schon für Mädchen ab fünf Jahren?
Dieses bedenkliche Bild von Weiblichkeit wird schon kleinen Mädchen vermittelt, die bereits in sehr jungen Jahren High Heels mit Erwachsenensein und Weiblichkeit verbinden. Mütter von Mädchen werden bestätigen können, dass bereits ab Schuhgrösse 29/30 pumpsähnliches Schuhwerk mit kleinem Absatz für modisch bewusste Mädels erhältlich ist – Kinder, die diese Grösse tragen, sind aber meist erst vier bis fünf Jahre alt.
Für ältere Mädchen ab ca. acht Jahren sind bereits "richtige" Absatzschuhe mit Absätzen zwischen drei und fünf Zentimetern käuflich zu erwerben – und so manches Kind trägt derartige Schuhe täglich. Die Gewöhnung – und damit das Ignorieren der eigenen Gesundheit – setzt ergo durch die Vorbildfunktion der Mutter als auch durch modische Vorgaben der Industrie extrem früh ein.
Druck für High Heels schon in jungen Jahren
Droht ohne High Heels der Entengang?
Was kann an hohen Schuhen so schlimm sein, mag sich so mancher denken. Hohe Schuhe strecken die gesamte Körperhaltung, verlängern optisch die Beine und zaubern einfach einen eleganten Gang. Es gibt Mütter, die mit ihren Töchtern schon im zarten Kindesalter das Tragen von engen Absatzschuhen trainieren – anderenfalls, so die gängige Argumentation, würde das Mädchen später einen "Entengang" entwickeln.
Abgesehen davon, dass Kinder in unbequemen Absatzschuhen eher schlecht toben, rennen und klettern können, führen hohe Schuhe in der Tat zu einer stark veränderten, unnatürlichen Körperhaltung – und zwar nicht nur bei Kindern, sondern auch bei Erwachsenen.
Unnatürliche Körperhaltung durch High Heels schadet der Gesundheit
Zunächst einmal gehen Frauen in High Heels im Grunde auf ihren Zehen, die nun das gesamte Körpergewicht – welches sich normalerweise auf die gesamte Fussfläche verteilt – tragen müssen. Dabei wird vor allem der grosse Zeh beansprucht, während die kleinen Zehen (gerade in den als besonders elegant geltenden spitzen Schuhen) eher zusammengestaucht werden. Für die Gesundheit der Füsse ist das nicht gerade ideal.
Die veränderten Druckverhältnisse haben jedoch nicht nur Einfluss auf die Fusshaltung, sondern beanspruchen auch Muskeln, Sehnen sowie Kniegelenke und die Wirbelsäule auf unnatürliche Weise.
Die Verlagerung des Körpergewichts sorgt weiterhin dafür, dass das Becken nach vorn kippt, der Busen besser zur Geltung kommt und der Po sexy wackelt. Damit erfolgt nicht nur eine Sexualisierung der Körperhaltung, die Wirbelsäule verformt sich infolgedessen zu einem – je nach Höhe des Absatzes mehr oder weniger ausgeprägten – Hohlkreuz.
Den Frauen bleibt gar nichts anderes übrig, als diese Haltung einzunehmen, nicht nur, weil sie durch die Schuhe hineingezwungen werden, sondern auch schlicht, um überhaupt das Gleichgewicht halten zu können. Dass sich eine durch die High Heels erzwungene Körperhaltung auf Dauer schädlich auf die Gesundheit des ganzen Körpers auswirkt, gilt heute nicht nur unter Orthopäden als nachgewiesen ( 3 ).
Überbeine und Hammerzehen: Stöckelschuhe machen’s möglich
Viele in späteren Lebensjahren auftretende gesundheitlichen Probleme – die u. a. nur noch mittels Operationen zu beseitigen sind bzw. sogar irreversibel sind – lassen sich ursächlich auf ein zu häufiges Tragen von High Heels zurückführen. Dazu zählen neben Überbeinen, so genannten Hammer- oder Reiterzehen. Auch Rückenleiden (z. B. Bandscheibenvorfälle), Arthrose in den Knie- und Fussgelenken sowie Krampfadern gehören dazu.
Wie stark High Heels die Gesundheit beeinträchtigen können, zeigt die Tatsache, dass sie sogar Migräneattacken auslösen können. Die Liste der möglichen Schäden ist lang. Zudem sind die Folgen derartiger "ungeeigneter" Schuhe – wie High Heels im Orthopädendeutsch gern bezeichnet werden – schon länger bekannt. Trotzdem gehören High Heels immer noch als modisches und gesellschaftliches Muss in jeden Schuhschrank einer Frau – warum eigentlich?
Warum viele Frauen gern High Heels tragen
Fragt man Frauen, weshalb sie High Heels tragen, werden die meisten antworten, dass sie sich in diesen Schuhen sexy und begehrenswert – ergo weiblich – fühlen. Zudem würden hohe Schuhe für eine optisch schönere Figur sowie längere Beine und einen eleganteren Gang sorgen.
Im Grunde steckt hinter High Heels nichts weiter als ein evolutionäres Programm, das unser Überleben als Spezies sichern soll. Hohe Schuhe sind vor allem in der westlichen Kultur, so die Kulturwissenschaftlerin Ingelore Ebberfeld in ihrem Buch "Blondinen bevorzugt", Teil des weiblichen Balzrituals und sollen dabei helfen, die eigenen körperlichen Vorzüge hervorzuheben und einen potenten Mann anzuziehen.
High Heels sexualisieren die Frau, indem sie Beine, Busen und Po betonen. Durch die Verlagerung des Körperschwerpunkts wird der Allerwerteste angehoben und streckt sich nach aussen – in der Tierwelt gilt dies als Zeichen der Paarungsbereitschaft. Derartiges Verhalten ist uns in die Wiege gelegt, als Säugetiere – die wir trotz unserer Intelligenz sind – unterliegen wir den Mechanismen der Natur, die vor allem von Frauen Schönheit und Attraktivität verlangt.
Wer evolutionär erfolgreich sein will, muss seine genetisch bedingten Vorzüge bestmöglich darstellen. Quer durch alle Kulturen und Zeiten zeigen sich entsprechende Verhaltensweisen, wobei zwar bestimmte Schönheitsmerkmale gemäss moderner Forschung als universal gelten (beispielsweise das proportionale Verhältnis von Hüfte, Taille und Brust), andere dagegen kulturell bedingt sind. Gleich ist allen nur, dass Frauen sich möglichst schön darstellen wollen. Und dazu gehören nun einmal High Heels genauso wie das perfekte Makeup – ob das allerdings auch immer ihrer Gesundheit zuträglich ist, steht auf einem anderen Blatt.
Lange Beine sind sexy – aber weshalb?
Trägerinnen von High Heels wirken automatisch grösser, zudem werden ihre Beine optisch gestreckt. Lange Beine wiederum gelten seit jeher als anziehend, weshalb hohe Schuhe auch in diesem Punkt für mehr Sexiness sorgen. Frauen in High Heels sind nicht nur deshalb erotisch, weil sie sekundäre Geschlechtsmerkmale in den männlichen Fokus rücken, sondern auch, weil sie für deutlich längere Beine sorgen.
Doch warum sind lange Beine überhaupt sexy? Wie immer steckt ein evolutionäres Programm dahinter. In der Frühzeit der Menschheitsgeschichte bedeuteten lange Beine einen Überlebensvorteil. Wer lange Beine hatte, konnte schneller rennen und damit vor Säbelzahntiger & Co. flüchten.
Weiterhin gelten lange Beine quer durch alle Kulturen als ein Zeichen für Gesundheit. Denn in der Tat konnte in der Vergangenheit durch Studien nachgewiesen werden, dass langbeinige Menschen ein geringeres Risiko haben, an Diabetes des Typs II oder an Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu erkranken. High Heels wiederum pervertieren diesen Zusammenhang zwischen langen Beinen und Gesundheit – einerseits, weil sie die Frau am Rennen und damit am Flüchten hindern und andererseits, weil sie gravierende körperliche Schäden verursachen.
Sprints auf High Heels: Die Stiletto Runs
Auch das Austragen so genannter "Stiletto Runs" – Laufwettbewerben auf hochhackigen Schuhen – ändert nichts an der Tatsache, dass den meisten Frauen aufgrund des veränderten Gleichgewichts das schnelle Gehen bzw. Laufen in High Heels schwerfällt. 2015 absolvierte die schnellste Teilnehmerin (eine 24jährige) des durch die Zeitschrift Glamour gesponserten Stiletto Runs die 100-Meter Strecke innerhalb von 14,7 Sekunden – und war damit nicht wirklich schnell.
Eine Abiturientin hätte für eine solche Zeit die Schulnote "5" – also ungenügend – erhalten. Ausserdem sind derartige Schuhe sehr oft für schwere Stürze verantwortlich – sei es, weil die Trägerin aufgrund mangelnden Halts umknickt oder weil sie irgendwo mit dem Absatz hängenbleibt und deshalb das Gleichgewicht verliert.
High Heels schaden der Gesundheit enorm
Die stark veränderte Körperhaltung und somit die einseitige, unnatürliche Belastung von Knochen, Gelenken, Sehnen und Muskeln verursachen zahlreiche Schäden, die zum Teil erst im reiferen Alter auftreten.
Viele der körperlichen Erkrankungen sind irreversibel und können somit nicht behoben werden. Dazu zählen Arthrosen, aber auch Rückenprobleme wie etwa Bandscheibenvorfälle. Viele Verschleisserscheinungen sind somit nicht als natürliche Alterserscheinung zu akzeptieren, sondern vermeidbar – einfach, indem Frauen auch in jungen Jahren soweit wie möglich auf das Tragen von High Heels verzichten und sich damit ihre Gesundheit bewahren können. Nicht ohne Grund werden verformte Füsse und eine verkürzte Wadenmuskulatur auch als "Cinderella-Syndrom" bezeichnet.
1. Deformationen der Füsse und Zehen durch High Heels
In China war es über einen Zeitraum von etwa 1000 Jahren üblich, die Gesundheit der Füsse regelrecht mit den Füssen zu treten – zumindest jene von Frauen, mal wieder. Jungen Mädchen hat man dabei die Zehen gebrochen (bis auf die beiden grossen Zehen) und die Füsse mit engsten Bandagen so abgebunden, dass diese nicht mehr wachsen konnten und ein spitzes Aussehen bekamen.
Die so entstandenen Lotos- oder Lilienfüsse galten als besonders schön und vor allem als erotisch. Seit einigen Jahrzehnten ist der Brauch verboten, doch gibt es noch heute ältere chinesische Frauen, die unter diesem Schönheitsideal leiden mussten und sich nach wie vor kaum fortbewegen können.
Die Füsse dieser Frauen sind extrem deformiert und ein selbstständiges Gehen ist nur unter Schmerzen möglich. Dieser Brauch erscheint uns heute als barbarisch und ein Symbol für die Unterdrückung der Frau in früheren geschichtlichen Epochen – und dass, obwohl wir selbst unseren Füssen ähnlich schwere Verstümmelungen zufügen. Denn das häufige Tragen von High Heels verursacht Deformationen an Füssen und Zehen, die nicht nur für Schmerzen und Einschränkungen in der Bewegungsfreiheit sorgen, sondern auch sehr unschön aussehen.
Typisch ist etwa die Ausbildung von so genannten Hammerzehen, Krallenzehen, Reiter- oder Schiefzehen sowie von Hühneraugen, Überbeinen und Spreizfüssen. Die genannten Schädigungen treten durch die übermässige Belastung des Vorderfusses auf und lassen sich nur operativ beheben, wobei sie, sofern das Tragen der hohen Schuhe nicht unterlassen wird, immer wieder kommen.
Durch die ständige Überdehnung von Muskeln und Sehnen des Fusses besteht zudem die Gefahr, dass sich ein Spreiz- oder Senkfuss entwickelt. Das liegt jedoch auch darin begründet, dass das Fussgewölbe durch die Form des Schuhs in eine unnatürliche Haltung gezwungen wird und sich im Laufe der Zeit zurückbildet.
Lilienfuss
2. Rückenschäden und Kniegelenksarthrose durch High Heels
Durch das Tragen hoher Absätze verschiebt sich das Zentrum des Körpergewichts nach vorn, wodurch die Wirbelsäule und damit die Bandscheiben stark belastet werden. Insbesondere die Kniegelenke sowie die Hüften erfahren eine gravierende Schädigung durch den unnatürlichen Gang, der jedoch notwendig ist, damit die Trägerin überhaupt das Gleichgewicht halten kann.
Zugleich nutzen sich die Gelenke durch die falsche Belastung schneller ab. Die Folge sind, insbesondere im reiferen Alter, Arthrosen in Knien und Hüftgelenken sowie Bandscheibenvorfälle – allesamt schmerzhafte und stark einschränkende Erkrankungen, die sich nicht oder nur schwer beheben lassen ( 5 ) ( 7 ).
3. Schädigungen von Muskeln durch High Heels
Bei einer normalen Gangart werden die verschiedenen Muskelgruppen in den Waden sowie den Oberschenkeln abwechselnd angespannt und wieder gelockert. Beim Tragen von High Heels stehen die Muskeln jedoch unter ständiger Anspannung, was wiederum zu chronischen Verspannungen und somit zu Muskelschmerzen führt. Weiterhin kommt es zu einer Verkürzung ganzer Muskelgruppen sowie von Bändern und Sehnen, so dass manche Frauen auch barfuss nur noch auf den Zehen laufen können ( 6 ).
4. Venenleiden und Krampfadern durch High Heels
Auch Krampfadern und andere Venenleiden zählen zu den typischen Folgen des High-Heels-Tragens. Diese entstehen, da sich durch die ständige Anspannung der Beinmuskulatur das venöse Blut im Bein staut und nicht mehr zurück zum Herzen fliessen kann. Krampfadern lassen sich meist nur operativ behandeln – und kommen zudem immer wieder, sobald sie einmal aufgetaucht sind.
Krampfadern an den Beinen
Für die Gesundheit: Ballengang statt High Heels
Es kursieren jede Menge Tipps gegen durch High Heels verursachte Schmerzen und Schäden. Von Fussgymnastik bis zu kalten Güssen, von Einlagen bis zu Gelpflastern sollen viele Methoden die Folgen hoher Schuhe verhindern oder zumindest ausgleichen. Tatsache ist jedoch, dass alle diese Ratschläge die körperlichen Schädigungen nicht reduzieren und die Gesundheit nicht bewahren können, denn die Ursache selbst wird dadurch natürlich nicht beseitigt.
Deformationen, Krampfadern und Arthrosen lassen sich nur dann vermeiden, wenn Sie möglichst oft flache Absätze bzw. hohe Schuhe mit einem Absatz bis maximal vier Zentimetern tragen. High Heels sollten dagegen nicht im Alltag, sondern nur bei besonderen Gelegenheiten ausgeführt werden, denn ein gelegentliches Tragen hat ausser vorübergehenden Schmerzen keine weiteren gravierenden Folgen für die Gesundheit.
Für die Gesundheit von Füssen und Skelett ist übrigens der so genannte Ballengang eine sehr gute Idee. Die meisten Menschen nehmen ihn intuitiv beim Barfuss laufen ein. Probieren Sie den Ballengang einmal aus: Der Ballengang – Gehen sie richtig!
Und in Bezug auf das richtige Schuhwerk sollten wir es unserer Gesundheit zuliebe halten wie die bekannte Hollywood-Schauspielerin und Golden Globes Preisträgerin Emily Hunt, die im Zuge der Cannes-Affäre erklärte: "Wir sollten sowieso auf High Heels verzichten".