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Soja beeinflusst den Testosteronspiegel nicht

Immer wieder liest man, Sojaprodukte würden den Testosteronspiegel senken und infolgedessen auch den Muskelaufbau vereiteln. Wir schauen uns die aktuelle Studienlage an und überprüfen, ob Sportler – wenn sie regelmäßig Sojaprodukte essen – tatsächlich nicht so gut Muskeln aufbauen können und wie sich die gelbe Bohne auf den Testosteronspiegel auswirkt.

Fachärztliche Prüfung: Gert Dorschner
Aktualisiert: 16 März 2024

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Soja: Auswirkungen auf Testosteron und Muskelaufbau

Oft heißt es, Sojaprodukte sollten insbesondere von Männern, die Krafttraining machen, besser nicht verzehrt werden. Die enthaltenen Phytoöstrogene (pflanzliche Stoffe mit östrogenähnlicher Wirkung) würden den Testosteronspiegel senken, was sich negativ auf den Muskelaufbau auswirke.

Hochwertige Studien aber, die dies belegen würden, konnten wir nicht finden. Laut einer Übersichtsarbeit ( 2 ) aus dem Jahr 2010 beruht die Annahme, Sojaprodukte drosselten den Testosteronspiegel, auf Studien mit Nagetieren ( 3 ) ( 4 ), auf einer kleinen Studie mit knapp 100 Teilnehmern ( 5 ) und auf wenigen Fallberichten, in denen aber unverhältnismäßig hohe Mengen entsprechender Produkte verzehrt bzw. getrunken wurden - zwei davon stellen wir nachfolgend vor.

Zwei Fallberichte: Sojaüberdosen senken Testosteronspiegel

In einem dieser Fallberichte klagte ein 60-jähriger Mann über beidseitige Gynäkomastie (männliche Brustvergrößerung), über erektile Dysfunktion und verminderte Libido. Seine Östradiolwerte waren viermal so hoch wie normal. Schließlich stellte sich heraus, dass er seit Monaten täglich knapp 3 Liter Sojamilch trank ( 6 ).

Im Jahr 2011 wurde ein weiterer Fallbericht ( 7 ) veröffentlicht, in dem von einem 19-jährigen Mann, Diabetiker, aber sonst gesund, berichtet wird. Der junge Mann nahm im Rahmen seiner veganen Ernährung große Sojamengen zu sich (360 mg Isoflavone pro Tag) und litt während dieser Zeit unter Libidoverlust und Erektionsstörungen.

Das ist im Grunde kein Wunder, denn eine Sojamenge, die 360 mg Isoflavone pro Tag liefert, ist eine Überdosis! Um diese Dosis zu erreichen, müsste man täglich einen Liter Sojamilch und ein Kilogramm Tofu essen. 

Messungen ergaben verringerte Testosteronwerte und erhöhte DHEA-Werte. Der Mann stoppte daraufhin seinen übermäßigen Konsum, woraufhin sich seine Testosteron- und DHEA-Werte und auch seine Sexualfunktionen wieder normalisierten. 

Beide Männer hatten also viel zu hohe Sojamengen verzehrt. Demnach war auch die aufgenommene Isoflavonmenge viel zu hoch und entsprach weder der üblichen Verzehrmenge bei Europäern ( 8 ) (unter 1 mg/Tag) noch der üblichen Verzehrmenge von z. B. Japanern, die traditionsgemäß viel Soja essen.

Laut einer Studie nehmen Japaner ca. 25-50 mg/Tag Isoflavone zu sich, wobei die beteiligten Wissenschaftler sogar davon ausgehen, dass ca. 10 % der asiatischen Bevölkerung 100 mg Isoflavone pro Tag zu sich nehmen ( 9 ).

Sojaprodukte beeinflussen Testosteronspiegel nicht

Eine systematische Überprüfung und Metaanalyse aus dem Jahr 2010, welche 15 placebokontrollierte Studien sowie weitere 32 Berichte mit insgesamt 36 Behandlungsgruppen umfasste, ergab keine Auswirkungen von Sojakonsum auf den Testosteronspiegel ( 10 ).

Und auch Studien, die nach dieser Meta-Analyse durchgeführt wurden, zeigten ähnliche Schlussfolgerungen im Hinblick auf das Testosteron:

12 Wochen Sojaprotein: Testosteronwerte steigen leicht

In einer deutschen Studie von 2011 ( 11 ) wurde untersucht, ob und wie sich die Supplementierung von Sojaprotein in Verbindung mit Krafttraining auf den Stoffwechsel von untrainierten und übergewichtigen Männern im mittleren Alter auswirkt.

Sie sollten täglich 50 g eines sog. Abnehmshakes aus Sojaprotein und Joghurt zu sich nehmen, wovon eine Tagesportion 26,7 g Protein enthielt. Das Verhältnis Sojaprotein zu Milchprotein lag bei 4,8 : 1.

Dabei wurden auch die Testosteronwerte vor und nach der 12-wöchigen Studie untersucht und es wurden keine sinkenden Testosteronwerte beobachtet. Die Werte stiegen sogar leicht.

In einer weiteren Untersuchung (2014) ( 1 ) heißt es „Ergebnisse aus einer kürzlichen Metaanalyse und weiteren Studien zeigen, dass weder Nahrungsergänzungen mit Isoflavonen noch isoflavonreiche Sojaprodukte die Testosteron- und Östrogenspiegel beim Mann beeinflussen.“

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Sojaprotein bei Diabetikern: Testosteron bleibt stabil

Selbst bei männlichen Diabetikern, die aufgrund des Diabetes (Typ 2) häufig unter Hypogonadismus leiden, konnte nach einer dreimonatigen Einnahme von 66 mg Isoflavonen pro Tag keine Senkung des Testosteronspiegels festgestellt werden – so eine Untersuchung von 2017, an der 200 Männer teilnahmen ( 12 ).

Hypogonadismus bezeichnet eine mangelhafte Hodenfunktion, also eine verringerte Testosteronbildung und/oder eine gestörte Spermienproduktion.

Wissenschaftler der School of Sport, Rehabilitation and Exercise Sciences, University of Essex kamen im Jahr 2021 nach einer Metaanalyse von 38 Studien aus den Jahren 2010 bis April 2020 zu dem Schluss, dass weder Soja noch Isoflavone den Testosteronspiegel senken ( 13 ).

Gut geeignet für Muskelaufbau

Zum Thema Muskelaufbau verhält es sich ähnlich wie beim Testosteronspiegel. Auch hier gibt es eher Studien, die bestätigen, dass die gelbe Bohne bzw. Produkte daraus für den Muskelaufbau sogar gut geeignet ist.

Im Jahr 2004 verglichen Wissenschaftler der Ohio State University Molkeprotein und Sojaprotein im Hinblick auf den Muskelaufbau der Probanden ( 14 ). Die Studie war mit nur 27 männlichen Teilnehmern, aufgeteilt in drei Gruppen, jedoch sehr klein.

Die Teilnehmer (aus einer Trainingsklasse der Universität) nahmen 9 Wochen lang zum Training entweder einen mit Mikronährstoffen angereicherten Proteinriegel aus Soja oder einen aus Molke (je 33g/Tag) zu sich. Die Kontrollgruppe erhielt keinen Riegel.

In beiden Testgruppen konnte ein Muskelzuwachs festgestellt werden, bei der Trainingsgruppe ohne Proteinriegel nicht.

Auch Studien neueren Datums kommen zu dem Ergebnis, dass Sojaprotein den Muskelaufbau fördert oder diesbezüglich zumindest nicht schlechter wirkt als tierisches Protein – z. B. eine Metaanalyse (2018) von 9 Studien mit insgesamt 266 Teilnehmern.

Dabei ergab sich, dass Sojaprotein gleiche Ergebnisse in Bezug auf Kraft und Körpermasse nach einem Krafttraining zeigt ( 15 ).

Muskelmasse nimmt zu

In einer brasilianischen Studie aus 2021 hat man die Auswirkungen zweier Proteinquellen auf Muskelmasse und Muskelkraft bei gesunden jungen Männern untersucht, die 12 Wochen lang zweimal pro Woche ein Krafttraining absolvierten ( 16 ).

Die 38 Teilnehmer waren zur Hälfte Veganer und zur Hälfte Normalesser im Alter von durchschnittlich 26 Jahren. Zusätzlich zu ihrer gewohnten Ernährung erhielten sie nun entweder 1,6 g Sojaprotein pro Kilogramm Körpergewicht (in der veganen Gruppe) oder 1,6 g Molkeprotein pro Kilogramm Körpergewicht (in der normal essenden Gruppe).

Bei beiden Gruppen konnte man einen signifikanten Anstieg der Muskelmasse beobachten – unabhängig von der Proteinquelle.

Sojaprotein für Muskelaufbau besser als Kasein (Milchprotein)

In einer kleinen Studie von 2015 etwa ( 19 ) überprüfte man an 59 Freiwilligen, wie sich Sojaprotein im Vergleich zu Kasein (einem Protein aus Milch) auf die Muskulatur auswirkte. Die Probanden waren entweder sportlich aktiv, weniger sportlich aktiv oder sogar bettlägerig. In jeder der drei Aktivitätsgruppen erhielt die Hälfte der Probanden 30 Tage lang täglich 7,8 g Kaseinpulver zu den Mahlzeiten, die andere Hälfte 7,8 g Sojaproteinpulver. Lediglich bei den Bettlägerigen gab es noch eine dritte Gruppe, die kein Proteinpulver erhielt und als Kontrollgruppe diente.

Der Männeranteil betrug in der Gruppe der weniger sportlich Aktiven 100 Prozent, in den anderen beiden Gruppen zwischen 20 und 50 Prozent.

Sojaprotein schnitt in fast allen drei Aktivitätsgruppen besser ab als Kasein. In der Gruppe der wenig sportlich Aktiven erhöhte das pflanzliche Protein das Skelettmuskelvolumen im Vergleich zu Kasein signifikant. In dieser Gruppe waren die Probanden zwischen 23 und 28 Jahre alt.

In der Gruppe der Bettlägerigen (50 – 67 Jahre) erhöhten beide Proteinpulver das Volumen der Quadrizepsmuskulatur. Sojaprotein erhöhte signifikant die Streckkraft der Knie (verglichen mit Kasein). Zwar erhöhte das Kasein das Skelettmuskelvolumen mehr als das pflanzliche Protein, doch war die Zunahme der Muskelkraft in der pflanzlichen Gruppe größer als in der Kaseingruppe.

In der Schlussfolgerung hieß es, dass die Nahrungsergänzung mit Sojaprotein eine effektive Maßnahme sei, um einer Skelettmuskelatrophie vorzubeugen, die sich andernfalls durch Bettlägerigkeit (Ruhigstellung der Muskulatur) entwickeln würde.

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Gut für den Erhalt der Muskulatur bei älteren Menschen

Dass bei älteren Menschen mit geringer Muskelmasse eine Proteinsupplementierung mit Soja, Molke oder einem Gemisch aus beiden Proteinarten zumindest zum Erhalt der Muskelmasse und körperlichen Leistungsfähigkeit beitragen kann, zeigte eine Studie von 2021 mit 123 Chinesen im Alter von 65 bis 79 Jahren ( 17 ). Die Art des Proteins spielte dabei keine Rolle. Die Ergebnisse unterschieden sich hier nicht.

Linderung trainingsbedingter Muskelschäden

Sojaprotein kann laut einer indischen Studie von 2016 ( 18 ) zudem auch trainingsbedingte Muskelschäden lindern und die Muskelerholung nach hartem Training verbessern.

Das ergab eine Untersuchung mit 40 männlichen Sportlern (20 Boxern und 20 Radfahrern) zwischen 18 und 28 Jahren, die vier Wochen lang Sojaprotein als Nahrungsergänzung oder ein Placebopulver erhielten und währenddessen 30 Stunden pro Woche trainierten.

Die Nahrungsergänzung bestand aus zweimal täglich jeweils 25 g Sojaproteinisolatpulver mit jeweils 300 ml Wasser verrührt und mit einem Gehalt von jeweils 21 mg Isoflavonen.

Soja: Gut für Muskelaufbau, kein Problem für Testosteron

Zusammenfassend kann man also sagen, dass Sojaprodukte bzw. -protein in den üblichen Verzehrmengen keine Gefahr für den Testosteronspiegel bei Männern darstellen und auch den Muskelaufbau in keiner Weise vereiteln, ihn sogar – ähnlich gut wie Milchproteine – fördern.

Wer jedoch Tag für Tag und dies über Monate oder Jahre hinweg kiloweise Tofu und andere Produkten aus der gelben Bohne verdrückt, muss tatsächlich mit negativen Auswirkungen nicht nur auf den Testosteronspiegel, sondern generell auf die Gesundheit rechnen. Dies aber gilt für nahezu ALLE Lebensmittel, wenn man sie exzessiv konsumiert.

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Wichtiger Hinweis

Dieser Artikel wurde auf Grundlage (zur Zeit der Veröffentlichung) aktueller Studien verfasst und von MedizinerInnen geprüft, darf aber nicht zur Selbstdiagnose oder Selbstbehandlung genutzt werden, ersetzt also nicht den Besuch bei Ihrem Arzt. Besprechen Sie daher jede Massnahme (ob aus diesem oder einem anderen unserer Artikel) immer zuerst mit Ihrem Arzt.