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Fertigbrei für Säuglinge sorgt für ungesundes Essverhalten

Eine von Forschern der Universität in Nottingham/Grossbritannien durchgeführte Studie enthüllte, dass Babys, die sich nach der sog. Rapley-Methode selbst abstillen dürfen und Fingerfood bekommen, im späteren Leben gesünderes Essen bevorzugen. Babys hingegen, die Babybreie erhalten und mit dem Löffel gefüttert werden, sollen im späteren Leben eher auf Süssigkeiten stehen und sich ausserdem mit höherer Wahrscheinlichkeit zu Pummelchen entwickeln.

Fachärztliche Prüfung: Dr. med. Jochen Handel
Aktualisiert: 05 Februar 2024

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Wenn Babys ihren Brei nicht mögen

Im Alter von fünf bis sieben Monaten sollten Babys abgestillt werden. Das zumindest raten Experten. Zur Wahl stehen gekaufte Baby-Breie und selbst gemachte Baby-Breie. Eine Alternative zu Baby-Breien scheint es jedoch kaum zu geben. Dumm nur, wer ein Baby hat, das partout keinen Baby-Brei mag. Weder mit fünf Monaten noch mit sechs, auch nicht mit sieben und schon gar nicht mit acht Monaten.

Schliesslich geben die entnervten Mütter und Väter auf und drücken ihrem mittlerweile neun Monate alten Baby einfach eine Banane in die Hand (geschält versteht sich) – und siehe da: Das Baby isst und zwar mit gesundem Appetit. Als habe es schon lange darauf gewartet, dass endlich jemand verstehen möge, was es eigentlich will: Genau so essen, wie alle anderen auch.

Fingerfood statt Babybrei

Doch warum mit dem Fingerfood warten, bis das Baby acht oder neun Monate alt ist? Babys können auch mit sechs und sieben Monaten Fingerfood essen, ja, sie wollen das sogar. Babys sind nämlich – was das Essen angeht – übervorsichtige Wesen.

Stellen Sie sich vor, sie wären auf einem neuen Planeten gelandet und hätten für ein halbes Jahr Proviant dabei. Nach diesem halben Jahr müssten sie das essen, was es in der Fremde gibt. Sie kennen das Essen dort aber nicht. Sie wissen nicht, was davon geniessbar ist, was giftig ist und sie wissen nicht, was gut und was schrecklich schmeckt.

Würden Sie es in dieser Situation toll finden, wenn Ihnen jemand von den Einheimischen dieses völlig fremde Essen – ohne dass Sie es vorher inspizieren dürften – mit einem Löffel und dann auch noch in undefinierbarer Breiform in den Mund schiebt? Sie könnten nicht einmal vorab testen, ob ihnen das Essen vielleicht zu kalt oder zu heiss ist.

Einem Baby geht es ganz ähnlich. Es will sich vorsichtig an die neue Welt des Essens herantasten. Im wahrsten Sinne des Wortes. Es will das Essen sehen, also nicht den Brei, in dem der Brokkoli bis zur Unkenntlichkeit püriert ist, sondern den leuchtend grünen Brokkoli mit Stiel und Röschen.

Es will den Brokkoli in die Hände nehmen, seine Konsistenz und seine Temperatur ertasten. Erst dann, wenn sich alles gut und sicher anfühlt, wird der Brokkoli in den Mund gesteckt, aber natürlich so, dass er jederzeit wieder ausgespuckt werden kann.

Fingerfood ist babygerechte Babykost

Fingerfood ist babygerechte Babykost. Sie erlaubt dem Baby, die Nahrung von Grund auf kennen zu lernen. Mit Fingerfood kann das Baby mit allen anderen am Tisch sitzen (in seinem Hochstuhl oder auf dem Schoss von einem Familienmitglied).

Es wird nicht mit seltsamen Breien gefüttert, die sonst kein anderer isst, der am Tisch sitzt, sondern es kann das essen, was alle essen (natürlich nur die gesunden Zutaten und ungewürzt müssen sie auch sein). Es kann den Ablauf der Mahlzeit, die Zusammenstellung der Mahlzeit sowie Anfang und Ende der Mahlzeit selbst bestimmen.

Das Ergebnis ist ein zufriedenes, selbstbewusstes Baby mit gesundem Essverhalten. Ein Baby, das weniger auf Süsses und mehr auf gesundes Essen steht und folglich ein Baby, das auch als Kleinkind schlank bleibt und nicht zu ungesunden Fettansätzen neigt.

Babygeführtes Abstillen – In Grossbritannien weit verbreitet

Natürlich gibt es für die Abstill-Methode mit Fingerfood auch einen Namen. Sie heisst Baby-led Weaning (BLW, zu Deutsch: Babygeführtes Abstillen) oder auch Rapley-Methode.

Die Britin Gill Rapley schrieb schon im Jahre 2008 ein Buch über das Abstillen mit Fingerfood und brachte die Methode der Öffentlichkeit nahe.

Ihr Buchtitel lautet Baby-led Weaning: Helping Your Baby to Love Good Food, zu Deutsch: BLW hilft deinem Baby gesundes Essen zu lieben. Wenige Jahre später kam die deutsche Übersetzung auf den Markt. Das Buch heisst: Baby-led Weaning – Das Grundlagenbuch: Der stressfreie Beikostweg

* Das obengenannte Buch finden Sie hier unter diesem Link .

Babybreifreie Babys – eine Randerscheinung?

Bisher war die BLW-Methode eher eine Randerscheinung, die man nicht besonders ernst nahm. Gemeinsam mit Lotusgeburt, windelfreier Babypflege und Familienbett schob man sie in die Rubrik "Zweifelhafte Methoden der alternativen Babypflege", um die moderne Eltern einen grossen Bogen machten.

Jetzt jedoch bestätigte ein britisches Forscherteam die Vorteile der BLW, so dass es nun auch für solche Eltern höchste Zeit werden könnte, sich näher mit Fingerfood zu befassen, die ihre Babys ausschliesslich nach evidenzbasierten Methoden ernähren möchten.

Babybreifreie Babys im Fokus der Wissenschaft

Die Studie der University of Nottingham untersuchte verschiedene Abstillmethoden und deren Einfluss sowohl auf die späteren Ernährungsgewohnheiten als auch auf den BMI ( Body Mass Index) während der frühen Kindheit. Der BMI ist ein Wert, der das Körpergewicht in Bezug auf Alter, Geschlecht und Körpergrösse bewertet und der Einschätzung dienen soll, ob der Betreffende Unter-, Ideal-, Normal- oder Übergewicht hat ( 1 ).

An der britischen Studie von Dr. Ellen Townsend nahmen 155 Kinder im Alter zwischen 20 Monaten und sechseinhalb Jahren bzw. deren Eltern teil. 92 Elternpaare gaben an, sie hätten ihr Kind nach der Rapley-Methode entwöhnt, das heisst also, sie haben es ihrem Kind quasi selbst überlassen, sich langsam von der Mutterbrust zu entwöhnen, indem es sich ab dem Alter von sechs Monaten mit verschiedenen festen Nahrungsmitteln selber füttern durfte. 63 Elternpaare wählten die Löffelmethode, bei der das Kind nach der Entwöhnung Babybreie erhielt.

Dr. Ellen Townsend erklärte den Grund dafür, warum ihr Team sich wissenschaftlich mit den verschiedenen Entwöhnungsmethoden auseinandersetzte. "Obwohl sich zahlreiche Studien darauf beziehen, zu welchem Zeitpunkt feste Nahrung ihren Weg in die Ernährung des Babys findet, besteht ein Mangel an Studien bezüglich des Einflusses der unterschiedlichen Abstillmethoden auf Ernährungspräferenzen und den späteren Gesundheitszustand des Kindes.

Wir sind der Meinung, dass unser Bericht der erste richtige Forschungsbeitrag ist, der genauer untersucht, ob die Entwöhnungsmethode einen wichtigen Faktor für das zukünftige Ernährungsverhalten und die Gesundheit des Kindes darstellt."

Fingerfood führt zu gesundheitsbewussten Babys

Dr. Townsend und ihr Team fanden schliesslich heraus, dass Kinder, die sich mit der BLW-Methode selbst entwöhnten, später eher zu Lebensmitteln aus komplexen Kohlenhydraten griffen wie z. B. Toast oder Pittabrot, während Kinder, die mit Löffelkost gefüttert wurden, eine deutliche Neigung zu Süssigkeiten an den Tag legten.

Mit Blick auf die Daten der Abschlussanalyse erklärte die Co-Autorin Nicola Pitchford, dass "das so genannte Baby-led Weaning ( 2, 3 4 ) einen positiven Einfluss auf die späteren Nahrungspräferenzen des Kindes hat, da es Lebensmittel bevorzugt, die als Bausteine einer gesunden Ernährung gelten können, wie zum Beispiel komplexe Kohlenhydrate.

Dieses Verfahren zur Entwöhnung des Kindes fördert also ein gesundes Essverhalten in der frühen Kindheit, was letztlich vor Übergewicht schützen kann." Andere Einflussfaktoren wie die sozio-ökonomische Stellung der Eltern und der Bildungshintergrund hätten demnach nur geringe bis gar keine Auswirkungen auf das spätere Essverhalten des Babys.

Fingerfood – gesund oder ungesund?

Falls Sie Interesse an der Rapley-Methode haben, fassen wir nachfolgend die wichtigsten Punkte daraus für Sie zusammen. Vorab möchten wir jedoch darauf hinweisen, dass eine Baby-Ernährung mit Fingerfood nicht zwingend positiv und gesund sein muss. Es gibt gesundes und ungesundes Fingerfood ( 5 ).

So ist z. B. ein blanchierter Brokkoli ein sehr gesundes Fingerfood, auch eine gedämpfte Karotte, eine reife Birne und ein gekochtes Bio-Ei sind empfehlenswerte Fingerfoods. Doch auch ein Donut wäre Fingerfood, genauso ein Schokoriegel, ein salziges Pommes Frites und ein Stück Pizza. Gesund sind sie deshalb jedoch noch lange nicht. Es kommt also natürlich auch bei der Rapley-Methode auf eine bewusste Lebensmittelauswahl an.

Babybreifreie Babykost – Die Praxis

  1. Ihr Baby muss in jedem Fall aufrecht sitzen, während es isst bzw. das Essen untersucht.
  2. Bereiten Sie auf dem Boden ein grosses Tuch aus, da anfangs eine Menge Fingerfood herunterfallen wird.
  3. Machen Sie es am Anfang wie Ihr Baby. Betrachten Sie das Fingerfood als spannendes Abenteuer und lustiges Spiel. Das will heissen: Anfangs wird Ihr Baby kaum etwas essen. Es wird aus dem Fingerfood Matsch machen und es auf den Fussboden werfen. Irgendwann wird es beginnen, kleine Portionen zu essen, die bald immer grösser werden. Die Hauptnahrung ist für Ihr Baby am Anfang nach wie vor die Muttermilch. Sie brauchen sich also keine Sorgen machen, dass Ihrem Baby etwas fehlt.
  4. Ihr Baby nimmt das Essen in die Faust. Wenn das Fingerfood zu klein ist, verschwindet es in der Faust und Ihr Baby kann nichts essen. Also muss das Fingerfood gross genug sein, damit davon noch etwas aus Babys Faust rausguckt, was gegessen werden kann.
  5. Wenn Sie die vorige Regel berücksichtigen, dann bieten Sie Ihrem Baby automatisch KEINE gefährlichen Lebensmittel an, wie z. B. Nüsse, die es leicht verschlucken könnte.
  6. Das Baby darf mit seinem Fingerfood natürlich auch nicht allein gelassen werden.
  7. Fingerfood muss gesund sein. Es wird weder gewürzt noch gesalzen noch gebraten. Auch Fertigprodukte werden nicht angeboten. Oft bieten sich Reiswaffeln und Brötchen an, weil sie rasch gekauft sind und keine Mühe machen. Wenn möglich sollten anfangs besonders Gemüse und Früchte gegeben werden und keinesfalls Weissmehlprodukte.

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Wichtiger Hinweis

Dieser Artikel wurde auf Grundlage (zur Zeit der Veröffentlichung) aktueller Studien verfasst und von MedizinerInnen geprüft, darf aber nicht zur Selbstdiagnose oder Selbstbehandlung genutzt werden, ersetzt also nicht den Besuch bei Ihrem Arzt. Besprechen Sie daher jede Massnahme (ob aus diesem oder einem anderen unserer Artikel) immer zuerst mit Ihrem Arzt.