Apfel statt Chemotherapie?
Darmkrebs gilt weltweit bei Frauen als der zweithäufigste Grund für krebsbedingte Todesfälle; bei Männern nimmt dieses Leiden in derselben Statistik den dritten Platz ein. Die bei der Behandlung mittlerweile zum Standard erhobene Chemotherapie erbrachte bislang nur äusserst bescheidene Ergebnisse.
Zudem können Chemotherapien schwere Nebenwirkungen nach sich ziehen, zu denen beispielsweise Herzspasmen, Nervenprobleme, Anämien und eine Schwächung des Immunsystems zählen. Eine Alternative wäre also höchst willkommen.
Äpfel gegen Krebs
Äpfel hatten bereits in früheren Studien von sich reden gemacht, da sie auf verschiedene Krebsarten ganz offensichtlich eine abschreckende Wirkung ausübten.
So stellte man im Jahr 2004 an der New Yorker Cornell University in der Studie Apple phytochemicals and their health benefits fest, dass eine früchte- und gemüsereiche Ernährung das Krebsrisiko reduzieren kann und dass insbesondere Äpfel über eine grosse antioxidative Aktivität verfügen, das Ausbreiten von Krebszellen verhindern (3), den Cholesterinspiegel senken sowie die Oxidation von Blutfetten verringern können.
In einer Übersichtsarbeit mit dem Titel A comprehensive review of apples and apple components and their relationship to human health, die sich den bis zum Jahr 2011 veröffentlichten Apfelstudien widmete, verkündeten die Forscher der California State University, dass sich Äpfel ausserdem sehr positiv auf Asthma, Herz-Kreislauf-Beschwerden, die Knochengesundheit, das Verdauungssystem und sogar auf die Alzheimer-Krankheit auswirke (4 ).
Äpfel sind also zweifelsohne gesund und u. a. gegen Krebs wirksam. Gleichzeitig kennt man die krebsbekämpfenden Eigenschaften der sog. Oligosaccharide. Und da Oligosaccharide (bzw. deren Vorstufen) auch reichlich in Äpfeln vorkommen, wollten chinesische Wissenschaftler der School of Pharmacy an der Fourth Military Medical University in Xi`an überprüfen, ob Äpfel möglicherweise aufgrund ihres Oligosaccharidgehalts als so gesund gelten (1).
Das Apfel-gegen-Krebs-Experiment
Also extrahierten die Forscher zunächst sog. Polysaccharide (die Vorstufe der Oligosaccharide) aus dem Apfel bzw. vielmehr aus dem Apfeltrester. Beim Apfeltrester handelt es sich um Apfelrückstände, die übrig bleiben, wenn man Apfelsaft macht.
Polysaccharide hingegen sind Mehrfachzucker. Ein bekanntes Beispiel für Polysaccharide ist die Stärke in der Kartoffel oder im Getreide. Sie besteht aus vielen miteinander verbundenen Zuckermolekülen, die während der Verdauung in einzelne Zuckermoleküle gespalten und dann über die Darmschleimhaut ins Blut resorbiert werden.
Polysaccharide sind jedoch auch im Apfel enthalten. Dort jedoch nicht in Form von verdaulicher Stärke, sondern u. a. in Form von unverdaulichem Pektin. Aufgrund dieser Unverdaulichkeit wird Pektin zu den Ballaststoffen gezählt. Pektin glänzt mit einer starken Absorptionskraft, liefert infolgedessen beeindruckende entgiftende Eigenschaften und zählt daher zu den sehr gesundheitsfördernden Substanzen. Es verwundert also nicht, dass Pektin an der krebsbekämpfenden Wirkung des Apfels beteiligt ist.
Die chinesischen Forscher brachten nun die aus Apfeltrester isolierten Polysaccharide (Pektin und andere Ballaststoffe) mit natürlicher Pektinase zusammen. Pektinase ist ein Enzym, das Pektin in kürzere Zuckerketten von jeweils 3 bis 10 Zuckermolekülen aufspaltet. Diese kürzeren Zuckerketten nennt man nun Oligosaccharide.
Die Oligosaccharide wiederum wurden in verschiedenen Konzentrationen an menschliche Krebszellkulturen (HT29-Darmkrebszellen) gegeben. Die so erzielten Messergebnisse verglich man daraufhin mit den Resultaten, die der gleiche Versuch mit einem Chemotherapeutikum erbracht hatte.
Apfel-Oligosaccharide wirken in minimaler Konzentration
Bei jeder in diesem Experiment gewählten Konzentration gelang es den Oligosacchariden signifikant besser, den programmierten Zelltod (Apoptose) der Krebsellen zu induzieren als der Chemotherapie. So töteten die Oligosaccharide in nur 36 Stunden bei einer geringen Konzentration von nur 0,9 Mikrogramm pro Milliliter insgesamt 17,6 Prozent der Darmkrebszellen ab.
Das Chemo-Medikament hingegen tötete in der gleichen Zeit bei einer höheren Konzentration von 1,3 Mikrogramm pro Milliliter nur 10,9 Prozent der Krebszellen.
Apfel-Oligosaccharide verschonen gesunde Zellen
Äusserst praktisch an Oligosacchariden ist nun nicht nur deren krebsbekämpfende Fähigkeit, sondern auch die Tatsache, dass sie gegenüber gesunden Zellen nicht toxisch sind. Daher kann man sie weitaus höher dosieren, als es mit jedweder chemotherapeutischen Substanz möglich wäre. Und so zerstörten die Oligosaccharide bei der zehnfachen Dosierung sogar 46 Prozent der Darmkrebszellen.
Eine so hohe Konzentration wurde bezüglich des Chemo-Medikaments gar nicht erst getestet, da kein Patient eine derartige Dosis überleben würde.
Neues Krebs-Medikament aus Apfelsaft-Abfall?
Das Apfel-Oligosaccharid-Experiment lässt auf die Entwicklung eines möglicherweise sehr leistungsstarken und gleichzeitig nebenwirkungsarmen Krebs-Medikamentes hoffen. Das Medikament wäre ferner äusserst preiswert, da bei der industriellen Apfelsaftherstellung jedes Jahr ca. vier Millionen Tonnen Apfeltrester anfallen und man diese "Abfälle" nun auch sinnvoll zur Produktion eines natürlichen Arzneimittels nutzen könnte.
Über das biotechnologische Potential von Abfällen aus der Obst verarbeitenden Industrie finden Sie im Buch Biotechnology for Agro-Industrial Residues Utilisation auf den Seiten 273-291 interessante Details (5).
Äpfel – frisch und roh
Doch wie sieht es nun mit einem ganz gewöhnlichen Apfel aus? Schlummert auch in ihm das krebsbekämpfende Potential der Oligosaccharide? Oder sind dazu erst Wissenschaftler nötig, die im Labor aus den Polysacchariden durch Zugabe von Pektinasen mühevoll Oligosaccharide entwickeln müssen?
Interessanterweise passiert genau das auch im rohen Apfel – und zwar dann, wenn wir ihn essen. Im Apfel ist nämlich nicht nur Pektin enthalten, sondern auch gleich das passende Enzym Pektinase. Also erhalten wir mit jedem frischen Apfel eine Portion Oligosaccharide.
Und da wir inzwischen wissen, dass die Oligosaccharide aus dem Apfel auch in sehr kleinen Konzentrationen bereits kraftvolle krebsbekämpfende Wirkungen aufweisen können, schmeckt der tägliche Apfel gleich doppelt so gut.
Apfelsaft wirkt nicht
Im industriell hergestellten Apfelsaft befinden sich in der Regel übrigens weder Pektin noch aktive Enzyme. Und auch von den übrigen sekundären Pflanzenstoffen (Polyphenole), die sich im rohen Apfel einst befanden, findet sich im käuflichen meist pasteurisierten Apfelsaft nur noch ein kümmerlicher Rest von 10 Prozent, was eigentlich kaum der Rede wert ist.
Wie so oft, gilt also auch hier: Essen Sie Äpfel – und zwar frisch und roh. Wenn Sie Apfelsaft trinken möchten, dann am besten mit einer hochwertigen Saftpresse selbst entsaftet. Ihr Apfelsaft sollte frisch sein, unpasteurisiert und naturtrüb.
Dieser Meinung sind auch die oben genannten New Yorker Wissenschaftler der Cornell University, die in ihrer Studie Apple phytochemicals and their health benefits darauf hinwiesen, dass die Lagerung von Äpfeln kaum eine schädliche Auswirkung auf die wertvollen Apfel-Inhaltsstoffe hat, die Verarbeitung der Äpfel (zu pasteurisiertem Saft, zu Apfelmus etc.) jedoch sehr wohl.
Inulin liefert Oligosaccharide
Oligosaccharide aus Äpfeln oder anderen Früchten werden auch als Fructo-Oligosaccharide oder Oligofructose bezeichnet. Sie schmecken leicht süss (annähernd halb so süss wie Haushaltszucker) und werden daher gelegentlich in der Lebensmittelindustrie als Süssungsmittel eingesetzt.
Doch sind Fructo-Oligosaccharide nach wie vor unverdaulich. Das heisst, obwohl sie süsslich schmecken, machen sie nicht dick und lassen den Blutzuckerspiegel auch nicht steigen. Stattdessen werden Fructo-Oligosaccharide von der Dickdarmflora als Nahrung betrachtet und von den nützlichen Darmbakterien mit Appetit verstoffwechselt. Daher gelten Fructo-Oligosaccharide auch als so genanntes Präbiotikum (=Futter für die Darmflora).
Ein sehr bekanntes Fructo-Oligosaccharid ist das Inulin. Inulin kann in Form eines präbiotischen Nahrungsergänzungsmittels regelmässig eingenommen werden, was die prophylaktische Versorgung mit Oligosacchariden auch an apfelfreien Tagen sehr einfach macht. Gewöhnen Sie Ihren Darm jedoch langsam an Inulin, da es andernfalls zu Blähungen kommen kann.
Algen-Oligosaccharide schützen vor oxidativem Stress
Hochleistungsfähige Oligosaccharide stecken auch in anderen Lebensmitteln z. B. in Algen. Selbstverständlich wird mit Algen-Oligosacchariden ebenfalls längst geforscht. Dabei stellte man fest, dass sie die Zellen - und in nachfolgend genannter Studie insbesondere die Nervenzellen - sehr gut vor oxidativem Stress (Angriffen durch freie Radikale) und vor Zelluntergang schützen können.
Lesen Sie hier die Zusammenfassung der passenden Original-Studie: Alginate oligosaccharide protects against endoplasmic reticulum- and mitochondrial-mediated apoptotic cell death and oxidative stress (2).