Darmspiegelung alle 10 Jahre
Die Darmspiegelung (auch Koloskopie genannt) ist eine Vorsorgeuntersuchung, die Männern ab 50 Jahren und Frauen ab 55 Jahren empfohlen wird. Wird dabei nichts Auffälliges gefunden, steht die nächste Spiegelung erst wieder in 10 Jahren an.
Wenn in Ihrer Familie jedoch häufiger Darmkrebs oder Darmpolypen vorkommen, werden Darmspiegelungen in kürzeren Zeitabständen empfohlen. Auch wenn sich bei Ihnen mehr als zwei Polypen finden oder auch ein besonders grosser Darmpolyp (grösser als 1 cm), rät man im Allgemeinen zu häufigeren Spiegelungen des Darms ( 1 ).
Warum inzwischen immer mehr Menschen im Alter von unter 45 Jahren Darmkrebs bekommen, lesen Sie im vorigen Link. Dieses gehäufte Auftreten von Darmkrebs bei jüngeren Leuten führte auch dazu, dass die American Cancer Society in den USA inzwischen rät, mit den Darmspiegelungen schon mit 45 Jahren statt erst mit 50 zu starten.
Frühzeitig Darmkrebs erkennen
Sinn und Zweck der Darmuntersuchung per Spiegelung ist es, Darmkrebs oder seine Vorstufen (Darmpolypen) möglichst frühzeitig zu erkennen. Polypen sind Vorwölbungen in der Darmschleimhaut, die man auch als gutartige Darmtumoren bezeichnet.
Aus manchen Polypen kann sich jedoch im Laufe vieler Jahre ein Darmkrebs entwickeln. Die langsame Entwicklung ist auch der Grund dafür, warum eine Koloskopie im Allgemeinen nur alle 10 Jahre durchgeführt wird. Polypen und andere verdächtige Gewebeveränderungen können meist noch während der Spiegelung entfernt werden.
Kann die Koloskopie vor Darmkrebs schützen?
Eine Spiegelung des Darms scheint also einen guten Schutz vor Darmkrebs zu bieten. Auch andere Krebsvorsorgeuntersuchungen sollen dazu beitragen, den jeweiligen Krebs schon in einem sehr frühen Stadium zu entdecken, so dass er noch leicht entfernt oder behandelt werden kann.
Frühere Studien konnten der Darmspiegelung bereits einen Nutzen zusprechen, z. B. eine Untersuchung, die im Frühjahr 2018 im Fachjournal Gut erschienen war ( 2 ). Anhand von 1747 Patienten, die an Darmkrebs verstorben waren und 3460 Kontrollpersonen (alle zwischen 55 und 90), die keinen Darmkrebs hatten, zeigte sich, dass die Spiegelung das Risiko, an Darmkrebs zu sterben, um 67 Prozent reduzieren konnte.
Darmspiegelung als Früherkennungsmassnahme
In einer zehnjährigen Studie, die im Oktober 2022 im New England Journal of Medicine veröffentlicht wurde, zeigte sich anhand der Daten von fast 85.000 Patienten aus Polen, Schweden, Norwegen und den Niederlanden, dass Darmspiegelungen bei älteren Erwachsenen (zwischen 55 und 64 Jahren) nicht in der Lage waren, das Risiko zu senken, an Darmkrebs zu versterben.
Bei den Patienten, die eine Einladung zur Darmspiegelung erhalten hatten, lag die Darmkrebssterberate bei 0,28 Prozent, bei den Patienten, die nicht zur Untersuchung (Spiegelung) gingen, betrug die Rate 0,31 Prozent. Das Risiko, an Darmkrebs zu sterben, war bei den Patienten also nahezu identisch – ob diese nun eine Einladung zur Darmspiegelung hatten oder nicht ( 3 ).
Allerdings ging es in der Studie darum, herauszufinden, wie vielen Menschen man eine Einladung zur Darmspiegelung senden muss, um 1 Person vor einer Darmkrebserkrankung zu bewahren. Das Ergebnis war, dass man 455 Leute einladen muss, um 1 vor der Krankheit zu schützen. Die obigen Zahlen beziehen sich daher auf alle Patienten, die eine Einladung erhalten hatten. Doch hatten von den eingeladenen Personen nur 42 Prozent die Einladung auch angenommen.
Also wurden auch die 58 Prozent in die Auswertung der Studie miteinbezogen, die zwar eine Einladung bekommen hatten, aber keine Spiegelung des Darms erhalten hatten. Untersuchte man jedoch nur jene, die tatsächlich eine Darmspiegelung bekommen hatten, dann zeigte sich, dass diese im Vergleich zu jenen, die nicht bei der Spiegelung waren, ein um 31 Prozent geringeres Risiko hatten, an Darmkrebs zu erkranken und ein um 50 Prozent geringeres Risiko, an Darmkrebs zu sterben.
Doch können Vorsorgeuntersuchungen auch Nachteile haben, z. B. zu Verletzungen, Blinddarmentzündungen, Überdiagnosen und unnötigen Behandlungen führen sowie dem Gesundheitssystem hohe Kosten verursachen.
Blinddarmentzündung nach Darmspiegelung?
Forscher der University of North Dakota UND stellten 2018 fest, dass die Gefahr einer Blinddarmentzündung nach einer Koloskopie steigen kann ( 7 ). „Manche meiner Patienten hatten eine Darmspiegelung in ganz unterschiedlichen Kliniken – und kurze Zeit später erlitten sie eine Blinddarmentzündung“, erklärt Dr. Marc D. Basson, Dekan der medizinischen Fakultät der UND ( 8 ).
In Bassons Studie wurden die Daten von annähernd 400.000 Personen in den gesamten USA ausgewertet, die zwischen 2009 und 2014 eine Spiegelung des Darms durchführen liessen. „In der ersten Woche nach einer Darmspiegelung war die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine Blinddarmentzündung entwickelte, viermal so hoch als im übrigen Jahr“, erklärte Dr. Basson.
Möglicherweise seien es die Vorbereitungsmassnahmen, die vor einer Spiegelung des Darms durchgeführt werden müssen (Abführmittel u. ä.), die nun die Darmflora so verändern, dass sich mit grösserer Wahrscheinlichkeit Entzündungsprozesse entwickeln können.
Auch während der Koloskopie (Darmspiegelung) könnte es zu negativen Einflüssen auf die Darmschleimhaut kommen, so dass eine nachfolgende Blinddarmentzündung wahrscheinlicher werden könnte. Unzureichend gereinigte Endoskope könnten ebenfalls an der Problematik beteiligt sein und Fremdkeime in den Darm einschleppen.
Wenn also nach einer Koloskopie Schmerzen im Unterbauch auftreten sollten, dann zögern Sie nicht, sofort Ihren Arzt davon in Kenntnis zu setzen, um eine Blinddarmentzündung auszuschliessen.
So viel kostet eine Koloskopie
In Deutschland werden bei 80 Millionen Einwohnern jährlich 500.000 Koloskopien im Rahmen der Darmkrebsvorsorge durchgeführt ( 4 ). In den USA sind es noch mehr Koloskopien, nämlich mehr als 15 Millionen pro Jahr, also 30-mal so viele wie in Deutschland, obwohl die USA nur die 4,2-fache Einwohnerzahl haben.
Bei Kosten von 500 bis 600 Euro pro Koloskopie inkl. Narkose kommt hier einiges zusammen. Allein die deutschen Darmspiegelungen kosten somit Jahr für Jahr 250 Millionen Euro. Laborkosten für die Untersuchungen möglicher Gewebeproben kommen dann noch dazu.
Darmspiegelung: Vorsorge hat nicht viel mit Prävention zu tun
Bei einer Darmspiegelung können Krebsvorstufen entdeckt und entfernt werden. Es ist also eine reine Früherkennungsmassnahme, aber keine Präventionsmassnahme. Denn die Untersuchung kann selbstverständlich nicht verhindern, dass sich Polypen und andere Krebsvorstufen entwickeln.
Echte Präventionsmassnahmen hemmen hingegen die Entstehung von Polypen und Krebs. Sie können also natürlich weiterhin zur Koloskopie gehen, können aber bei sich zu Hause ebenfalls viel tun, um sich vor einer ernsten Krebserkrankung zu schützen – nämlich indem Sie Ihre Risikofaktoren reduzieren. Zu den Risikofaktoren für Darmkrebs gehören ( 5 )( 6 ):
- Übergewicht (Hier finden Sie unseren beispielhaften *7-tägigen Ernährungsplan zum Abnehmen)
- Bewegungsmangel (Lesen Sie, wie Sport die Zahl der Darmkrebszellen reduzieren kann und wie gut ein 6-wöchiges Lauftraining bei Darmkrebs hilft)
- Ungesunde Ernährung, wie zu viel Salz, zu viel rotes Fleisch, zu wenig Obst und Gemüse, zu wenige Ballaststoffe (Lesen Sie hier, welche Lebensmittel vor Darmkrebs schützen ; dabei kann rotes Fleisch z. B. gegen Tofu, Tempeh oder Quorn ausgetauscht werden)
- Hoher Blutzucker fördert das Darmkrebsrisiko
- Darmflorastörungen
- Übermässiger Alkoholkonsum
- Rauchen
- Medikamente, z. B. Antibiotika, die zu Störungen der Darmflora beitragen
Sie können nun jeden dieser Punkte eigenständig in Angriff nehmen und so Ihr persönliches Darmkrebsrisiko deutlich reduzieren. Die obigen Links enthalten viele Tipps, damit Sie Ihr Ziel – Schutz vor Darmkrebs – bestmöglich erreichen können.
Erste Studien mit Krebs(stamm)zellen und Tieren zeigen überdies eine darmkrebshemmende Wirkung verschiedener Pflanzenstoffe (z. B. Resveratrol, Mariendistel und Curcumin), so dass Sie diese immer auch kurweise einnehmen könnten, was Sie vielleicht ohnehin bereits tun, da sich die genannten Pflanzenstoffe auf viele Präventionsbereiche sehr positiv auswirken.
Korrektur 14.1.2023
Wir hatten fälschlicherweise die Gesamtzahl der zur Darmspiegelung eingeladenen Patienten mit jener Personenzahl gleichgesetzt, die tatsächlich eine Koloskopie erhalten hatte, was dazu führte, dass die Spiegelung kaum einen Schutzeffekt zu haben schien - verglichen mit den Personen, die nicht zur Darmspiegelung gingen.
Verglich man aber das Erkrankungs- und Sterberisiko von Personen, die tatsächlich zur Koloskopie gingen, mit dem Risiko von Leuten, die dies nicht taten, zeigte sich ein deutlicher Schutzeffekt der Spiegelung in Studie (3). Entsprechend haben wir den Artikel heute korrigiert.