Bipolare Störung mit der Ernährung lindern
Wer an der Bipolaren Störung leidet – auch manisch-depressive Erkrankung genannt – erlebt immer wieder starke Stimmungsschwankungen. Manische Phasen mit übermässiger Euphorie wechseln mit depressiven Phasen voller Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit ab. Wie bei der Bipolaren Störung Probiotika helfen könnten, erklären wir in in unserem entsprechenden Artikel (siehe voriger Link).
Die Bipolare Störung zählt zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. In Deutschland schätzt man den Anteil der Betroffenen auf 1 Prozent, in den USA sind es 2,8 Prozent ( 3 ) und der Anteil der Weltbevölkerung liegt bei 0,6 Prozent, was bei 7,93 Milliarden Menschen immerhin über 47 Millionen Leute sind ( 2 ) – und damit zahlenmässig der Gesamtbevölkerung Spaniens entspricht. Mit einer bestimmten Ernährung können sich laut einer Studie am Medizinischen Zentrum der Penn State University die Symptome der Bipolaren Störung bessern lassen.
Omega-6-Fettsäuren im Übermass schaden dem Gehirn
Im Fokus der Ernährungsumstellung standen die Omega-6- und Omega-3-Fettsäuren. Denn Obduktionen hatten gezeigt, dass ein Übermass an Arachidonsäure (einer Omega-6-Fettsäure) im Gehirn bei gleichzeitigem Mangel an DHA (Docosahexaensäure – einer langkettigen Omega-3-Fettsäure) an der Entstehung einer Bipolaren Störung und auch an deren Fortschreiten beteiligt ist ( 7 ). Die Kombination aus zu viel Omega 6 und zu wenig Omega 3 gilt als entzündungsfördernd, schmerzfördernd und allgemein als krankheitsfördernd.
Bipolare Störung bessert sich nach Ernährungsumstellung
An der Studie, die im Juli 2021 im Fachmagazin Bipolar Disorders veröffentlicht wurde ( 1 ), nahmen mehr als 80 Personen mit Bipolarer Störung teil. Die eine Hälfte reduzierte ab sofort Lebensmittel mit hohem Gehalt an Omega-6-Fettsäuren (rotes Fleisch, Eier und bestimmte Speiseöle), während verstärkt Lebensmittel mit hohem Gehalt an Omega-3-Fettsäuren gegessen wurden (z. B. Leinsamen und fetter Fisch (Thunfisch, Lachs)).
Auch die Kontrollgruppe erhielt Hinweise zur Ernährung, aber nur solche, die keinen merklichen gesundheitlichen Einfluss hatten. Beide Gruppen sollten nach wie vor ihre üblichen (stimmungsstabilisierenden) Medikamente nehmen. Zweimal täglich dokumentierten die Teilnehmer über ihr Smartphone sämtliche Veränderungen ihres Befindens und ihrer Symptomatik. Zusätzlich wurden regelmässige Blutuntersuchungen durchgeführt, über die man nicht nur den Fettsäurespiegel und andere relevante Parameter kontrollieren konnte, sondern auch ob die Probanden die Ernährungshinweise befolgten.
Nach 12 Wochen hatten sich in der Omega-Gruppe die Stimmungsschwankungen deutlich gebessert, was in der Kontrollgruppe nicht der Fall war.
Omega-3-Kapseln bei Bipolarer Störung
Schon im Jahr 2003 stellte man fest, dass Menschen, die mehr Fisch und Meeresfrüchte zu sich nahmen als andere, seltener an der Bipolaren Störung und anderen psychischen Problematiken erkranken ( 5 ). Fetter Seefisch und Meeresfrüchte gelten als sehr gute Omega-3-Fettsäurenquellen.
Eine Untersuchung von 2012 zeigte hingegen, dass die Nahrungsergänzung mit Omega-3-Fettsäuren in Form von Fischölkapseln keinen Effekt auf die Bipolare Störung hatte (täglich 8 g Fischöl (aufgeteilt in zwei 4-g-Dosen) mit 70 Prozent Omega-3-Fettsäuren und einem EPA-DHA-Verhältnis von 3 : 2) ( 6 ).
Allerdings weist eine Analyse mehrerer Studien aus demselben Jahr darauf hin, dass man hier differenzieren muss. Denn eine Omega-3-Nahrungsergänzung half durchaus, depressive Phasen zu lindern, nicht aber die manischen Phasen, so dass die Einnahme von Omega-3-Fettsäuren bei der Bipolaren Störung in jedem Fall begleitend eingesetzt werden kann ( 8 ).
Empfehlenswert sind dabei Kapseln mit Omega-3-Fettsäuren aus Algenöl, zumal gerade der Verzehr von Fisch aus ökologischen Gründen nicht empfehlenswert ist und Fisch mit Schwermetallen belastet sein kann, wozu Sie im vorigen Link weitere Informationen finden.
Omega-3-Fettsäuren imitieren Wirkung von Medikamenten
Dr. Erika Saunders, Studienautorin und Professorin an der Fakultät für Psychiatrie und Verhaltensmedizin der Penn State University erklärt, dass Arzneimittel, die normalerweise zur Behandlung der Bipolaren Störung verordnet werden, die Art der körpereigenen Verstoffwechslung von Fettsäuren so verändern, dass entzündungshemmende und schmerzstillende Abbauprodukte entstehen und auf diese Weise überhaupt erst eine Wirkung zeigen.
Wenn man nun über die Ernährung gleich jene Fettsäuren zuführt, die bei ihrer Verstoffwechslung entzündungshemmend und schmerzstillend wirken, könnte man – so die These der Forscher – den Wirkmechanismus der Medikamente imitieren.
Omega-6-reiche Pflanzenöle meiden
Bei der oben beschriebenen Ernährung wurde nicht nur die Arachidonsäure reduziert, die ausschliesslich in tierischen Lebensmitteln enthalten ist, sondern auch eine andere Omega-6-Fettsäure, die Linolsäure. Die Linolsäure ist in besonders hohen Mengen in manchen Pflanzenölen enthalten, z. B. im Sonnenblumenöl, Maiskeimöl, Distelöl und im Sojaöl. Als Alternative gelten z. B. Olivenöl, Rapsöl und für Rohkost auch die Omega-3-reichen Öle Leinöl, Hanföl und Walnussöl.
Omega-3-Fettsäuren besonders bei schweren Verläufen hilfreich
Da der ursprüngliche Schweregrad der Bipolaren Störung in den beiden Gruppen aber nicht identisch war, gibt es auch Kritik zur Studie. Denn ein Vergleich sei auf diese Weise nicht so leicht möglich. Doch hatte die Omega-Gruppe sogar deutlich schwerere Verläufe, so dass man durchaus davon ausgehen kann, dass gerade bei einem schweren Verlauf einer Bipolaren Störung eine Ernährungsumstellung sinnvoll sein kann.
Bei Bipolarer Störung Ernährung insgesamt umstellen
Bei der Ernährungsumstellung sollte man aber keinesfalls nur auf einen verstärkten Verzehr von Omega-3-Fettsäuren bei gleichzeitiger Reduzierung der Omega-6-Fettsäuren setzen, sondern insgesamt auf eine gesunde Ernährung umstellen.
Diese besteht aus Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten, Nüssen, Vollkornprodukten und hochwertigen Proteinquellen. Denn Studien zeigen bei einer solchen Ernährung stets ein geringeres Risiko für psychische Störungen, während die typisch westliche Ernährung mit einem erhöhten Risiko einhergeht.
Der Einfluss der Ernährung auf die psychische Gesundheit wird mit der sog. Darm-Hirn-Achse erklärt. Die Qualität der Ernährung fördert also die Darmgesundheit – und ein gesunder Darm beeinflusst die Gesundheit des Gehirns. Wie genau die Darm-Hirn-Achse funktioniert, erklären wir in unserem Artikel, wie Probiotika Stress reduzieren können ( 9 ).