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Solanin – Gefährlicher Pflanzenstoff im Gemüse?

Der Pflanzenstoff Solanin kommt natürlicherweise in verschiedenen Pflanzenarten vor. In diesem Artikel erfahren Sie die Hintergründe über Solanin, dessen Einfluss auf unsere Gesundheit und was Sie bei der Zubereitung von solaninhaltigem Gemüse beachten sollten.

Fachärztliche Prüfung: Gert Dorschner
Aktualisiert: 19 Februar 2024

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Was ist Solanin?

Solanin ist ein sekundärer Pflanzenstoff, der die Funktion eines pflanzeneigenen Schutzstoffs erfüllt. Solanin zählt zur chemischen Gruppe der Glykoalkaloide und wurde erstmals im Jahr 1820 aus den Beeren des Schwarzen Nachtschattens ( Solanum nigrum) isoliert ( 1 ).

Glykoalkaloide leiten sich chemisch von den Alkaloiden ab und enthalten eine an das Grundgerüst (man nennt es hier Aglykon) angehängte Kohlenhydratkomponente – daher auch die Vorsilbe Glyko-, die vom griechischen glykýs stammt und süß bedeutet. Die Kohlenhydratkomponente besteht im Falle des Solanins gleich aus drei Zuckern, von denen Sie zwei sicher schon einmal gehört haben, nämlich aus Glucose, Galactose und Rhamnose.

Glykoalkaloide sind vor allem im Zusammenhang mit Nachtschattengewächsen, wie der Kartoffel oder Tomate, bekannt. Solanin (fachsprachlich korrekte Bezeichnung: α-Solanin) ist dabei eines von vielen Glykoalkaloiden. Gemeinsam mit dem Glykoalkaloid Chaconin (α-Chaconin) ist Solanin das wichtigste Glykoalkaloid der Kartoffel und kommt in allen Pflanzenteilen vor – allerdings in unterschiedlichen Konzentrationen, wobei die Pflanze an sich (Blüten, Früchte, Blätter) reichlich Solanin enthält, die essbaren Kartoffelknollen hingegen geringere Gehalte.

Weitere in Nahrungspflanzen enthaltene Glykoalkaloide sind z. B. Tomatin (α-Tomatin) und Dehydrotomatin in Tomaten sowie Solamargin in Auberginen. Dabei hat jede Pflanzenart ihren eigenen Cocktail an Glykoalkaloiden.

In der Vergangenheit aufgetretene Vergiftungen des Menschen mit Solanin bzw. Glykoalkaloiden standen vor allem im Zusammenhang mit dem Verzehr von grünlich verfärbten oder keimenden Kartoffeln ( 2 ).

Solanin und Co. zum Schutz der Pflanze

Durch die Bildung von Solanin und verwandter Stoffe schützen sich Pflanzen vor einem Befall mit Mikroorganismen, wie Bakterien und Pilzen, sowie vor Fressfeinden, wie Insekten oder Säugetieren (1). Der Schutz vor Mikroorganismen beruht auf der antimikrobiellen Wirkung der Glykoalkaloide, und der Schutz vor Fressfeinden gelingt durch den bitteren Geschmack dieser Substanzen ( 3 ). Ein bitterer Geschmack tritt bei besonders hohen Konzentrationen an Glykoalkaloiden auf. Diese findet man bei den Nachtschattengewächsen insbesondere in den unreifen Früchten.

Welche Pflanzen enthalten Solanin bzw. Glykoalkaloide?

Glykoalkaloide kommen in besonders hohen Gehalten in Pflanzen aus der Familie der Nachtschattengewächse (Solanaceae) vor. Zu dieser Pflanzenfamilie zählen etwa 2700 Pflanzenarten ( 4 ). Einige dieser Pflanzen spielen eine wichtige Rolle in der menschlichen Ernährung. Wichtige Nahrungspflanzen aus der Familie der Nachtschattengewächse:

  1. Kartoffel ( Solanum tuberosum)
  2. Tomate ( Solanum lycopersicum)
  3. Aubergine ( Solanum melongena)
  4. Paprika ( Capsicum annuum)

In unserem Artikel über die Nachtschattengewächse und deren Inhaltsstoffe finden Sie viele weitere Informationen zu dieser Pflanzengruppe und ihren gesundheitlichen Auswirkungen.

Wie viel Solanin ist in Lebensmitteln enthalten?

Nicht nur Nachtschattengewächse enthalten Glykoalkaloide. Viele andere Pflanzen, die zum Teil auch eine Rolle in der menschlichen Ernährung spielen, enthalten ebenfalls Glykoalkaloide wie Solanin. Beispiele hierfür sind: Äpfel, Kirschen, Heidelbeeren, Artischocken und Okra ( 5 ). Die Gehalte in diesen Nahrungspflanzen sind jedoch unbedenklich für die menschliche Gesundheit.

Glykoalkaloidgehalt in Kartoffeln

Der von der EFSA ( European Food Safety Authority) ermittelte Gesamtgehalt an Glykoalkaloiden in Kartoffeln beträgt laut einer im Jahr 2020 veröffentlichten Risikobewertung im Durchschnitt 51,2 mg/kg Gesamtmasse. Der maximal gemessene Wert betrug 276,6 mg/kg ( 6 ). Unter der Gesamtmasse versteht man die gesamte Masse einer Kartoffel, inklusive der Schale. Informationen über Grenzwerte und potenziell giftige Dosen erhalten Sie weiter unten in diesem Artikel.

Glykoalkaloidgehalt von Tomaten

Der Gesamtgehalt an Glykoalkaloiden in reifen Tomaten liegt oftmals unter 10 mg/kg Gesamtmasse – also deutlich niedriger als bei Kartoffeln. Tomatin (eines der Hauptglykoalkaloide in Tomaten) zeigte im Tierversuch zudem eine 20fach geringere Giftigkeit als Kartoffel-Glykoalkaloide ( 7 ).

Wie schadet Solanin dem Körper?

Bei Betrachtung auf Zellebene sind hauptsächlich zwei Mechanismen für die toxische Wirkung von Solanin und der anderen Glykoalkaloide verantwortlich ( 8 ).

Hemmung der Acetylcholinesterase

Glykoalkaloide hemmen das Enzym Acetylcholinesterase, das für den Abbau des Neurotransmitters Acetylcholin im zentralen Nervensystem verantwortlich ist. Dadurch kommt es zu einer längeren Wirkzeit dieses Botenstoffs an den Nervenzellen.

Die Folge hiervon können neurologische Symptome sein (Beispiele im nächsten Abschnitt). Die Kartoffel-Glykoalkaloide Solanin und Chaconin sind gleichermaßen effektive Hemmstoffe der Acetylcholinesterase. Glykoalkaloide aus Tomaten sind deutlich geringer wirksam.

Zerstörung von Membranen

Glykoalkaloide schädigen Zellmembranen auf verschiedene Weise: Sie bilden stabile Komplexe mit dem Membranbaustein Cholesterin, wodurch der normale Aufbau der Membran gestört wird und es zu einer erhöhten Durchlässigkeit der Membran bis hin zur Zerstörung der Zelle kommt. Außerdem stören sie Transportmechanismen der Zellmembran und ändern das elektrische Potenzial von Membranen. Unterschiedliche Glykoalkaloide können hierbei unterschiedliche Effekte aufweisen.

Durch die genannten Prozesse kommt es (bei entsprechend hoher Dosis) zu einer Schädigung von Zellen der Darmwand, da Nahrungsmittel dort zuerst wirken. Wenn die Substanzen in relevanten Mengen vom Darm in den Blutkreislauf gelangen, kann es auch zu einer Zerstörung von roten Blutkörperchen (Hämolyse) und der Schädigung weiterer Gewebe kommen.

Symptome einer akuten Vergiftung mit Solanin

Die häufigste Ursache für eine akute Vergiftung mit Solanin bzw. Glykoalkaloiden beim Menschen ist der Verzehr von ausgetriebenen oder grünen Kartoffeln, die einen erhöhten Solaningehalt aufweisen. Man geht davon aus, dass ab einer Konzentration von 220 mg/kg Gesamtmasse der Kartoffel ein bitterer Geschmack und ein brennendes Gefühl im Mund- und Rachenraum wahrgenommen werden kann. Die Symptome beginnen in der Regel 2 bis 24 Stunden nach dem Verzehr.

Symptome bei einer „leichten“ Vergiftung:

  1. Brennendes Gefühl im Mund- und Rachenraum
  2. Übelkeit
  3. Bauchschmerzen
  4. Erbrechen
  5. (blutiger) Durchfall

Zusätzliche Symptome bei einer „schwereren“ Vergiftung:

  1. neurologische Symptome (z. B. Benommenheit, Bewusstseinsstörungen, Muskelzittern und Schwäche)
  2. Beeinträchtigungen von Atmung und Kreislauf (z. B. Atemnot und Schwindel, Herzrhythmusstörungen )
  3. Ödeme, Übelkeit, Ermüdung u. a. als Folgen einer akuten Störung der Nierenfunktion
  4. Bräunlich verfärbter Urin, Gelbsucht und Blässe der Haut (als Folge einer Hämolyse, der Zerstörung von roten Blutkörperchen)

Die Vergiftungssymptome können bis zu einer Woche lang anhalten ( 9 ).

Wie häufig kommen Vergiftungen mit Solanin vor?

Das Auftreten von schweren Vergiftungen ist sehr selten. Aus den letzten 50 Jahren sind keine Berichte von Todesfällen durch Vergiftungen mit Glykoalkaloiden bekannt. Aufgrund der unspezifischen Symptome wird jedoch eine hohe Dunkelziffer an leichten Vergiftungen vermutet.

Ein öffentlich bekannter Vergiftungsfall aus dem Jahr 2015 führte sogar zu einer Absenkung des von der EFSA und weiteren Organisationen für Kartoffeln empfohlenen Grenzwerts an Glykoalkaloiden von 200 mg/kg Gesamtmasse auf 100 mg/kg Gesamtmasse (weitere Informationen erhalten Sie im Abschnitt über Grenzwerte).

Bei diesem Fallbeispiel traten bei mehreren Personen einer Familie nach dem Verzehr von Pell- und Backkartoffeln Symptome wie Bauchschmerzen und Erbrechen auf. Die Lebensmitteluntersuchung ergab einen Gehalt von 236 mg/kg an Glykoalkaloiden bei den verwendeten Speisekartoffeln. Dieser Wert ist sehr nahe bei dem früher als sicher geltenden Grenzwert von 200 mg/kg. Entsprechend wurde eine Absenkung empfohlen ( 10 ).

Nicht alle Menschen gleich empfindlich

Studien mit Freiwilligen unter standardisierten Bedingungen legen nahe, dass es individuelle Unterschiede zwischen Erwachsenen bei der Empfindlichkeit gegenüber dem Verzehr von Glykoalkaloiden gibt. Die bei Erwachsenen beobachtete niedrigste Dosis, die zu Vergiftungssymptomen geführt hat, liegt in Bezug auf die Glykoalkaloide der Kartoffel bei 1 mg aufgenommenen Glykoalkaloiden pro kg Körpermasse pro Tag.

Bei Kindern wird generell von einer höheren Empfindlichkeit ausgegangen. Deshalb wird von Einrichtungen wie der EFSA oder dem BfR (Bundesinstitut für Risikobewertung) darauf hingewiesen, dass Kinder keine Kartoffelschalen konsumieren sollten ( 11 ). Allerdings liegen hierzu keine Studiendaten vor.

In einer Studie ( 12 ) mit Mäusen zur Erforschung von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) konnte gezeigt werden, dass sich bei Tieren, die zu Darmentzündungen neigten, durch den Verzehr von Kartoffelschalen häufiger entzündliche Veränderungen im Darm entwickelten als bei der Vergleichsgruppe. Die Tiere hatten 20 Tage lang nichts anderes als gebratene Schalen von kommerziell erhältlichen Kartoffeln in Kombination mit einem flüssigen Zusatzfutter zur Mikronährstoffversorgung bekommen. Der Glykoalkaloidgehalt der rohen Schalen (vor dem Braten) lag bei 154 mg/kg und damit zwischen dem alten und neuen Grenzwert für die menschliche Ernährung. Die Vergleichsgruppe (ebenfalls für Darmentzündungen anfällige Mäuse) erhielt normales Mäusefutter und das gleiche Zusatzfutter.

Aus der Humanmedizin liegen keine Studiendaten dazu vor, ob einzelne Subgruppen, wie z. B. Menschen mit entzündlichen Darmerkrankungen, besonders empfindlich auf Glykoalkaloide reagieren. Die Vermutung liegt jedoch nahe, dass dies auch für den Menschen zutrifft, so dass Personen mit entsprechenden Erkrankungen umso mehr darauf achten sollten, nur Kartoffeln zu essen, die keinerlei grüne Stellen aufweisen und auch noch nicht auskeimten.

Erhöhte Gefahr durch Solanin in der Schwangerschaft?

Als werdende Eltern macht man sich über viele Themen Gedanken. So werden auch die Begriffe „Solanin und Schwangerschaft“ häufig bei Google gesucht. Um dies gleich vorweg zu nehmen: Es gibt keine Hinweise dafür, dass ein regelmäßiger Verzehr normaler Mengen an Glykoalkaloid-haltigen Lebensmitteln in der Schwangerschaft ein gesundheitliches Risiko für das ungeborene Kind darstellen könnte.

Mit verschiedenen Tierversuchen wurde der Effekt verschiedener Glykoalkaloide und deren Abbauprodukte auf die Trächtigkeit, Laktationszeit und Fruchtbarkeit untersucht. Die Tiere erhielten dabei deutlich höhere Dosierungen dieser Substanzen, als es bei einer normalen täglichen Verzehrsmenge in der menschlichen Ernährung erreicht werden würde.

Auch erhielten sie die Substanzen in manchen Studien als Dauerinfusion, was nicht mit dem normalen Verzehr von einem Kartoffelgericht verglichen werden kann. Insgesamt zeigte sich eher noch Solanidin, also das Abbauprodukt der Kartoffel-Glykoalkaloide Solanin und Chaconin (siehe nächster Abschnitt), als schädlich für den Nachwuchs, nicht aber das Solanin oder andere Glykoalkaloide selbst ( 13 ) ( 14 ) ( 15 ).

Speicherung des Abbauprodukts Solanidin in der Leber

Ein kleiner Anteil der in den Körper aufgenommenen Glykoalkaloide wird vom Körper selbst abgebaut, der Rest wird unverändert wieder ausgeschieden. Beim Abbau der Kartoffel-Glykoalkaloide entsteht dabei hauptsächlich ein Stoff namens Solanidin.

Solanidin wird in der Leber gespeichert und deutlich langsamer ausgeschieden als Solanin und Chaconin. Entsprechend könnte es möglicherwiese bei starken Stoffwechselbelastungen wie Hungerzuständen, Krankheiten oder in der Schwangerschaft und Stillzeit zu einer verstärkten Freisetzung von Solanidin aus der Leber kommen.

Wissenschaftlich belegte Anhaltspunkte hierfür gibt es aber nicht. Dennoch ist es eine Überlegung wert, im Vorfeld und während einer Schwangerschaft Kartoffeln und Kartoffelprodukte nicht übermässig (z. B. täglich) zu konsumieren bzw. nur in guter Qualität (nicht grün, nicht ausgetrieben, ordnungsgemäss gelagert).

Kann es Langzeitschäden durch Solanin geben?

Es gibt bisher keine Studienergebnisse, die einen Hinweis darauf geben, dass die wiederholte Aufnahme von Solanin bzw. Glykoalkaloiden mit der Nahrung über einen längeren Zeitraum negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben könnte. Stattdessen wurden sogar verschiedene gesundheitsförderliche Eigenschaften festgestellt.

Solanin und Tomatin können auch gesund sein

Wie bei vielen Dingen so gilt auch hier der Spruch von Paracelsus: „Die Dosis macht das Gift.“ Denn in Studien wurden mittlerweile verschiedene positive Effekte von Glykoalkaloiden auf die Gesundheit gezeigt. Bei normalen Verzehrmengen könnte die gesundheitsfördernde Wirkung somit überwiegen.

Senkung des Cholesterinspiegels

Für das Glykoalkaloid Tomatin aus Tomaten konnte in vitro gezeigt werden, dass bei Kontakt mit Cholesterin unlösliche Komplexe entstehen. Eine Studie von Friedman et al. aus dem Jahr 2000 ( 16 ) untersuchte in einem Tierversuch mit Hamstern, ob eine Zufütterung von Tomatin einen Einfluss auf die Aufnahme von Cholesterin aus dem Darm und auf die Blutfettwerte hat. Die Hamster erhielten ein Futter mit einem hohen Gehalt an Cholesterin und Fett. Bei der Versuchsgruppe wurden dem Futter 0,05 bis 0,2 % Tomatin zugesetzt.

Bei den Hamstern, die Tomatin erhalten hatten, konnte eine Erniedrigung des LDL-Cholesterins (low density lipoprotein) bei unverändertem HDL-Cholesterin (high density lipoprotein) festgestellt werden. Ein erhöhter LDL-Cholesterin-Wert steht beim Menschen mit einem erhöhten Risiko für Herzkreislauf-Erkrankungen in Zusammenhang.

Weiterhin schieden die mit Tomatin gefütterten Tiere, im Vergleich zur Kontrollgruppe, eine deutlich höhere Menge an Cholesterin mit dem Kot aus – und zwar umso mehr Cholesterin, je mehr Tomatin gefressen wurde.

Antimikrobielle Wirkung

In der Pflanze dienen Glykoalkaloide der Abwehr von Fressfeinden und zum Schutz vor Mikroorganismen. Die antimikrobielle Wirkung besteht auch gegenüber menschlichen Krankheitserregern. Bisher ist jedoch nicht geklärt, in welcher Weise die mit der Nahrung aufgenommenen Glykoalkaloide einen Effekt gegen Krankheitserreger im Magen-Darm-Trakt haben.

Entzündungshemmende Wirkung

In Studien konnte anhand von Zellkulturen eine antientzündliche Wirkung von Glykoalkaloiden der Kartoffel ( 17 ) und der Tomate ( 18 ) gezeigt werden. Die Glykoalkaloide konnten dabei über verschiedene Angriffspunkte die Entzündungsreaktionen auf Zellebene reduzieren.

Solanin & Co. gegen Krebs

Es gibt mittlerweile zahlreiche Studien, die die krebsfeindliche Wirkung von Glykoalkaloiden und ihren Abbauprodukten zeigen. Gegenstand der aktuellen Forschung sind dabei z. B. α-Solanin und α-Chaconin aus Kartoffeln, α-Tomatin aus Tomaten und Solamargin aus Auberginen ( 19) ( 20 ).

Die krebshemmende Wirkung beruht je nach eingesetzter Substanz auf verschiedenen Mechanismen. So kann es durch die Glykoalkaloide auf verschiedene Weise zu einer Beeinflussung des Zellzyklus der Krebszellen kommen und dadurch zu einem Zelltod. Andere Mechanismen sind eine Hemmung der Bildung neuer Blutgefäße des Tumors oder eine Hemmung der Metastasierung.

Ein hemmender Effekt konnte bei verschiedenen menschlichen Krebszelllinien gezeigt werden: Brustkrebs, Magenkrebs, Leberzellkrebs, Dickdarmkrebs, Leukämie ( 21 ). Ein zukünftiger (ergänzender) Einsatz von auf Glykoalkaloiden basierenden Medikamenten in der Krebstherapie erscheint vielversprechend. Da Glykoalkaloide (wie andere Wirkstoffe auch) jedoch neben ihrer Wirkung auf Krebszellen auch eine Schadwirkung auf gesunde Zellen haben können, ist noch weitere Forschung erforderlich, um ein sicheres Medikament mit einem Wirkstoff aus der Familie der Glykoalkaloide herzustellen.

Wovon hängt der Gehalt an Glykoalkaloiden ab?

Verschiedene Faktoren haben einen Einfluss auf den Glykoalkaloidgehalt einer Pflanze. Im Folgenden erhalten Sie einen Überblick über die wichtigsten Faktoren.

Pflanzenteil und Reifegrad

Die von einer Pflanze (i. d. R. einem Nachtschattengewächs) gebildeten Glykoalkaloide kommen in allen Teilen dieser Pflanze vor. Dabei enthalten die Blätter, Triebe, Blüten und unreifen Früchte eine besonders hohe Konzentration dieser Substanzen. So ist es gemeinhin bekannt, dass die grünen Pflanzenteile der Kartoffelpflanze giftig sind und nur die Knollen essbar sind.

Der bittere Geschmack der Alkaloidverbindungen schützt vor einem Abfressen der Pflanzenteile. Lediglich der hübsche Kartoffelkäfer hat mit dem Solanin nicht das geringste Problem. Er verfügt über die Fähigkeit, den Stoff zu inaktivieren.

Reife Früchte enthalten hingegen nur geringe Gehalte an Glykoalkaloiden. Im Zuge der Reifung kommt es zu einem Abbau dieser Stoffe, schließlich sollen die reifen Früchte schmackhaft sein, sodass sie von Tieren gefressen werden und der ausgereifte Samen verbreitet wird. So haben z. B. unreife Tomaten einen Glykoalkaloidgehalt von etwa 100 bis 300 mg/kg Gesamtmasse und reife Tomaten meist einen Gehalt von weniger als 10 mg/kg.

In Kartoffelknollen sind die Glykoalkaloide ungleichmäßig verteilt. 30 – 80 % der Glykoalkaloide befinden sich dabei im Bereich der Schale. Entsprechend können Sie durch ein Schälen der Kartoffeln die Glykoalkaloidaufnahme deutlich reduzieren ( 22 ). Erhöhte Gehalte befinden sich weiterhin in den Keimansätzen („Augen“) der Kartoffelknollen und in den Trieben. Diese sollten Sie großzügig entfernen.

Sorten und Züchtung

Eine irische Studie aus dem Jahr 2014 ( 23 ) hat den Glykoalkaloidgehalt von 60 verschiedenen Kartoffelsorten über zwei Anbauperioden hinweg verglichen. Der Gehalt an Glykoalkaloiden variierte dabei beträchtlich. Für die meisten Sorten lag jedoch der Gesamtgehalt an Glykoalkaloiden (Fruchtfleisch + Schale) unter dem einstigen Grenzwert von 200 mg/kg. Nur einzelne wenige Sorten, sowohl historische/seltene als auch eine kommerziell genutzte Sorte, zeigten in dieser Studie einen Gesamtgehalt, der den Grenzwert übersteigt und daher besser geschält werden sollten. (Die in der Studie untersuchten Sorten sind in Deutschland jedoch eher unbekannt.)

In der modernen Landwirtschaft werden entsprechend überwiegend Kartoffelsorten mit einem geringen Glykoalkaloidgehalt angebaut. Seltene bzw. historische Kartoffelsorten enthalten zwar unter Umständen etwas höhere Gehalte an Glykoalkaloiden, können in der Regel aber trotzdem bedenkenlos konsumiert werden, vor allem, wenn sie geschält wurden.

Anbau und Lagerung

Die Witterungsbedingungen während des Anbaus sowie die Lagerungsbedingungen haben einen wichtigen Einfluss auf den Glykoalkaloidgehalt. So kommt es bei kühlem und feuchtem Wetter während des Anbaus zu einem Anstieg der Gehalte an Solanin und Chaconin in Kartoffelknollen. Auch eine mechanische Schädigung der Knollen während des Anbaus, bei der Ernte oder im Zuge der Lagerung führt zu einem Anstieg des Glykoalkaloidgehalts.

Die Lagerung von Kartoffeln sollte in einer abgedunkelten Umgebung erfolgen. Durch Lichtexposition kann es bereits innerhalb von zwei Wochen zu einem 10- bis 30-fachen Anstieg der Glykoalkaloidgehalte kommen. Die erhöhten Gehalte können auch schon vor einer grünlichen Verfärbung der Kartoffeln auftreten, da die Bildung der Glykoalkaloide vor der Bildung von Chlorophyll (grüner Pflanzenfarbstoff) erfolgt.

Grün verfärbte Kartoffeln oder Kartoffeln mit mehreren Trieben sollten also nicht mehr verzehrt werden. Seien Sie jedoch auch vorsichtig mit normal aussehenden Kartoffeln, die nicht abgedunkelt gelagert wurden! Von Kartoffeln, die im Supermarkt bei Licht gelagert wurden, sollte man sich also besser keine großen Vorräte anschaffen.

Die Lagerung sollte weiterhin kühl und trocken erfolgen, da der Glykoalkaloidgehalt bei Nässe und zu hohen Temperaturen ebenfalls ansteigt. Außerdem sollten Sie keine zugeschnittenen oder geschälten rohen Kartoffeln vor dem Verzehr lagern, sondern diese direkt verbrauchen.

Bei Tomaten kommt es, im Gegensatz zu Kartoffeln, zu einer Abnahme des Gehalts an Glykoalkaloiden mit zunehmender Lagerungsdauer.

Frühkartoffeln vs. Spätkartoffeln

Bei Frühkartoffeln handelt es sich um Kartoffeln, die von der Pflanzung bis zur Erntereife weniger als 120 Tage benötigen. Die Ernte beginnt bereits ab Mitte Juni. Frühkartoffeln haben eine vergleichsweise dünne Schale, die oftmals mitgegessen wird. Sie sind aus diesem Grund jedoch auch nur kurzzeitig lagerfähig.

Spätkartoffeln werden, wie der Name sagt, später im Jahr geerntet und besitzen in der Regel eine dickere Schale. Sie können bei passenden Bedingungen mehrere Wochen bis Monate gelagert werden ( 24 ).

Da bei Frühkartoffeln oftmals die Schale mitgegessen wird, nimmt man beim Verzehr von Frühkartoffeln i. d. R. eine größere Menge an Glykoalkaloiden auf als beim Verzehr von (geschälten) Spätkartoffeln. Weiterhin kommt es bei Frühkartoffeln aufgrund der dünneren, weniger widerstandfähigen Schale schneller zu einem Anstieg des Glykoalkaloidgehalts bei unpassenden Lagerungsbedingungen als bei Spätkartoffeln.

Verarbeitung

Das Fermentieren ist eine Methode, um z. B. bei unreifen Tomaten den Gehalt an Glykoalkaloiden zu senken. Tomaten können sowohl im reifen als auch im unreifen Zustand fermentiert werden. Hier finden Sie weitere Informationen zur Fermentation von Gemüse.

Grüne Tomatensorten - Sind diese essbar?

Doch was ist mit grünen Tomatensorten? Für viele Menschen erscheint der Verzehr einer grünen Tomate erstmal ungewohnt, schließlich assoziiert man die grüne Farbe mit Unreife. Doch wie sieht es mit den reifen Früchten einer grünen Tomatensorte aus? Welche Unterschiede bestehen zu der reifen Frucht einer „normalen“ roten Tomatensorte und wie erkennt man die Reife der grün bleibenden Früchte?

Unreife Tomatenfrüchte sind grün durch Chlorophyll zur Tarnung und enthalten bittere Glykoalkaloide als Fressschutz. Sie haben eine feste Konsistenz durch einen hohen Pektingehalt (langkettige pflanzliche Kohlenhydrate).

Während des Reifungsprozesses kommt es zur Entwicklung des Tomatensamens. Parallel hierzu werden Chlorophyll, Pektine und Glykoalkaloide abgebaut und verschiedene Zucker, Fruchtsäuren, Aromastoffe sowie der rötliche Farbstoff Lycopin ( ein Carotinoid ) gebildet.

Der Farbwechsel von Grün zu Rot erfolgt, wenn der Samen ausgereift ist und somit die Frucht zur Verbreitung des Samens von Tieren gefressen werden soll ( 25 ). Aufgrund von Mutationen innerhalb der Gene für die Farbvererbung kommt es bei grünen Tomatensorten nicht zu einer Bildung von Lycopin und zum Abbau von Chlorophyll im Zuge der Reifung. Die anderen Reifungsprozesse laufen jedoch normal ab. Der Gehalt an Glykoalkaloiden ist also nicht höher als bei roten Tomaten ( 26 ).

Und wie erkennt man die Reife einer grünen Tomate? Bei Erreichen der Vollreife zeigen die Früchte von grünen Tomatensorten oftmals einen leichten Gelbstich. Aufgrund des Abbaus der Pektine sind die reifen Tomaten auch leichter mit dem Finger eindrückbar als unreife Früchte.

Wie viel Solanin ist giftig? - Grenzwerte für Glykoalkaloide

Studiendaten und Empfehlungen für Grenzwerte liegen hauptsächlich für Solanin und Chaconin, die beiden wichtigsten Glykoalkaloide der Kartoffel, vor. Dies liegt an der großen Verzehrmenge von Kartoffeln in der menschlichen Ernährung und dem vergleichsweise hohen Gehalt an Glykoalkaloiden im Vergleich zu anderen Nahrungspflanzen.

Risikobewertung der EFSA

Auf Anfrage der EU-Kommission hat die EFSA im Jahr 2020 eine Risikobewertung über die in Lebens- und Futtermitteln vorkommenden Glykoalkaloide erstellt. Der Schwerpunkt lag dabei auf Kartoffeln und weiterverarbeiteten Lebensmitteln aus Kartoffeln.

Folgende Grenzwerte für die Aufnahme von Kartoffel-Glykoalkaloiden (Solanin und Chaconin) wurden für Erwachsene ermittelt:

  1. Niedrigste Dosis, bei der eine akut toxische Wirkung auftreten kann (LOAEL, Lowest Observed Adverse Effect Level): 1 mg Glykoalkaloide/kg Körpermasse pro Tag
  2. Potenziell tödliche Dosis: 3 – 6 mg Glykoalkaloide/kg Körpermasse pro Tag

Für Kinder wird eine höhere Empfindlichkeit vermutet. Es gibt hierzu jedoch keine Studienergebnisse. Für andere Gemüsesorten, wie Tomaten und Auberginen, konnte das Risiko nicht abgeschätzt werden, da es bisher nur wenige Daten dazu gibt.

Neue EU-Empfehlung 2022

Auf Basis der Risikobewertung der EFSA setzte die EU-Kommission 2022 einen Richtwert für den Gesamtgehalt an Glykoalkaloiden in Kartoffeln und Kartoffelerzeugnissen von 100 mg/kg Gesamtmasse fest. Bei einer Überschreitung dieses Grenzwerts soll eine Ursachenforschung erfolgen. Die Probennahme wird dabei über die EU-Mitgliedsstaaten und die Lebensmittelunternehmer organisiert. Die Meldung der Daten erfolgt an die EFSA. Zusätzlich erfolgt ein jährliches Monitoring der Gehalte an Kartoffel-Glykoalkaloiden und deren Abbauprodukten ( 27 ).

Wie viele Kartoffeln müssten verzehrt werden für eine Vergiftung?

Die folgende Beispielrechnung soll Ihnen helfen einzuschätzen, welche Menge an Kartoffeln Sie an einem Tag konsumieren könnten, bevor es potentiell zu den ersten Vergiftungsanzeichen kommt.

In dieser Rechnung gehen wir von einem 70 kg schweren Erwachsenen aus, der Kartoffeln mit einem Glykoalkaloid-Gehalt von 100 mg/kg verzehrt. Dies ist gemäß obiger Angaben ein möglicher, aber eher überdurchschnittlich hoher Gehalt und ausserdem der Grenzwert. Um erste Vergiftungsanzeichen zu entwickeln, müsste diese Person mindestens 70 mg an Kartoffel-Glykoalkaloiden aufnehmen. Entsprechend müssten 700 g an Kartoffeln (inklusive der Schale) an einem Tag verzehrt werden. Dies gilt für eine empfindlich reagierende Person.

Kann man Solanin aus Kartoffeln entfernen?

Solanin und andere Glykoalkaloide sind sehr hitzebeständig und werden erst bei Temperaturen im Bereich von 260 – 270 °C zersetzt. Die Zersetzungstemperatur liegt also deutlich oberhalb der in der Küche üblicherweise eingesetzten Temperaturen.

Kocht man aber Kartoffeln in Wasser, dann geht ein Teil des Solanins ins Kochwasser über und kann mit diesem weggeschüttet werden. Würden Sie im selben Wasser andere Lebensmittel kochen, könnte es sogar sein, dass das Solanin in diese anderen Lebensmittel übergeht.

Da Solanin nicht nur wasserlöslich, sondern auch fettlöslich ist, verhält es sich beim Frittieren ähnlich. In diesem Fall geht ein Teil des Solanins ins Frittierfett über.

Die Angabe, wie viel Prozent der Glykoalkaloide bei der jeweiligen Zubereitungsart entfernt werden können, variiert je nach Quelle. Auf der Homepage der EFSA wird in Bezug auf Kartoffeln angegeben, dass durch ein Schälen der Glykoalkaloidgehalt um 25 bis 75 % reduziert wird, durch Kochen um 5 bis 65 % und beim Braten in Öl um 20 bis 90 % (11). Dies gilt für die Zubereitung in frischem Kochwasser bzw. Öl.

Tipps für die Zubereitung von Kartoffeln

  1. Verwenden Sie keine Kartoffeln mit flächigen grünen Bereichen, mehreren Sprossen oder umfangreichen Schäden
  2. Schneiden Sie einzelne Sprossen, Sprossknospen („Augen“) und Schäden großflächig weg
  3. Verwenden Sie keine schrumpeligen, alten Kartoffeln
  4. Schälen Sie die Kartoffeln am besten oder verzehren Sie nur Schalen von frischen, unbeschädigten Kartoffeln
  5. Kleine Kinder sollten keine Schalen verzehren
  6. Verwenden Sie das Kochwasser von Kartoffeln nicht weiter
  7. Tauschen Sie Frittierfett regelmäßig aus
  8. Verzehren Sie keine Kartoffelgerichte mit bitterem Geschmack

Fazit

Die Nahrungspflanzen aus der Familie der Nachtschattengewächse besitzen viele gesunde Inhaltsstoffe und sind ein wichtiger Bestandteil der menschlichen Ernährung. Bei normalen Verzehrmengen können wir auch von den gesundheitsförderlichen Eigenschaften der enthaltenen Glykoalkaloide profitieren. Vorsicht gilt für Personen, die eine spezielle Empfindlichkeit gegenüber Glykoalkaloiden besitzen. Um die Aufnahme einer ggf. gesundheitsschädlichen Menge an Glykoalkaloiden zu vermeiden, ist ein bewusster Umgang mit diesen Lebensmitteln erforderlich.

Der Einsatz von Glykoalkaloiden in der Medizin, z. B. in der Krebstherapie, ist Gegenstand der aktuellen Forschung.

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Wichtiger Hinweis

Dieser Artikel wurde auf Grundlage (zur Zeit der Veröffentlichung) aktueller Studien verfasst und von MedizinerInnen geprüft, darf aber nicht zur Selbstdiagnose oder Selbstbehandlung genutzt werden, ersetzt also nicht den Besuch bei Ihrem Arzt. Besprechen Sie daher jede Massnahme (ob aus diesem oder einem anderen unserer Artikel) immer zuerst mit Ihrem Arzt.