Ernährung bei Akuter Lymphatischer Leukämie
Die Akute Lymphatische Leukämie (ALL) wird auch als Blutkrebs oder Akute Lymphoblastische Leukämie bezeichnet. Sie kommt am häufigsten bei Kindern unter 5 Jahren vor. Ab dem 6. Lebensjahr sinkt das Risiko für die Krankheit deutlich und nimmt erst wieder ab dem 50. Lebensjahr zu. Die ALL wird sofort mit einer Chemotherapie behandelt. Auch Bestrahlung und Knochenmark- bzw. Stammzelltransplantationen kommen zum Einsatz.
Bei der Akuten Lymphatischen Leukämie empfahl man lange Zeit eine keimfreie Ernährung (die sog. Aplasie-Kost) – nicht weil es dem kranken Körper helfen würde, sich vom Krebs zu befreien, sondern weil die Therapie das Immunsystem so weit herunterfährt, dass man Angst hatte, Keime in der Ernährung könnten den anfälligen Patienten noch kränker machen. Aus diesem Grund müssen die Kranken während der Therapie häufig auch in Isolation leben.
Keimfreie Ernährung – Aplasie-Kost
Der Begriff Aplasie bedeutet eigentlich „Nicht-Vorhandensein eines Organs“. Bei der Aplasie-Kost bezieht sich der Begriff auf das Nicht-Vorhandensein der gesunden Knochenmarkfunktion (im Knochenmark werden die Zellen des Immunsystems gebildet). Das Knochenmark wird bei der Blutkrebs-Therapie zunächst zerstört (da es die kranken Blutkrebszellen bildet). Anschliessend wird neues Knochenmark transplantiert, das dann wieder gesunde Zellen bilden soll.
Bei der Aplasie-Kost sind frisches Obst und Gemüse, Salate sowie frisch gepresste Obst- und Gemüsesäfte tabu. Auch Vollkornprodukte darf man nicht essen, genausowenig frische Nüsse und probiotische Joghurts. Alles – inklusive Fleisch und Fisch – muss gut gekocht und durchgegart sein. Obst soll man aus der Dose essen und wenn man Kräuter zum Würzen verwendet, müssen auch diese erst abgekocht werden ( 1 ). Im Grunde ist bei dieser Kost alles verboten, was (aus naturheilkundlicher Sicht) dem Organismus bei der Heilung helfen könnte.
Keimfreie Ernährung doch nicht so gut
Mittlerweile liegen jedoch Erkenntnisse vor, dass die seit 1966 empfohlene keimfreie Kost bei isolierten Patienten keine Vorteile bietet. Im Gegenteil, sie fördere die Gewichtsabnahme und sei ausserdem wenig appetitlich – so Forscher der Uni Köln. In der dortigen Uniklinik kocht man nun nach dem Motto „Lasst sie haben, was sie wollen“. Das heisst, es gibt auch Vollkornprodukte, gewaschenes Obst und Süssigkeiten ( 3 ).
Neben der Aplasie-Kost gibt es bei ALL noch Empfehlungen, welche Lebensmittel man essen könnte, um die Wirkung der Chemotherapie zu unterstützen bzw. welche man nicht essen sollte, da sie die Chemo-Wirkung abschwächen könnten. Allerdings kommt es hier auf das verwendete Chemo-Medikament an. Wird z. B. Cytarabin eingesetzt, soll man laut mancher Webseiten bei der B-Zell ALL z. B. Adzuki-Bohnen meiden, aber Mandeln essen – umfangreiche Studien dazu gibt es aber unseres Wissens nach nicht ( 5 ).
Studie: Aminosäure Valin fördert den Krebs
Was fehlt, sind echte Ernährungstipps, die direkt auf das Krebsgeschehen einen heilenden (!) Einfluss haben könnten. Forscher von der pathologischen Fakultät der New York University und dem Laura and Isaac Perlmutter Cancer Center haben dazu nun erste Erkenntnisse gesammelt. Ihre Studie erschien am 22. Dezember 2021 im Fachjournal Nature ( 2 ).
Darin heisst es, dass bei der T-Zell-Form der Akuten Lymphatischen Leukämie in den entarteten T-Zellen bestimmte Gene aktiver seien als in den gesunden T-Zellen – und genau diese Gene verbrauchen offenbar besonders viel der Aminosäure Valin.
Die T-Zell Akute Lymphatische Leukämie
T-Zellen gehören zu den Lymphozyten, einer Gruppe von Abwehrzellen des Immunsystems. T-Zellen haben dabei die Aufgabe, ständig im Körper zu patrouillieren und die körpereigenen Zellen auf krankhafte Veränderungen hin zu überprüfen.
Wenn bei der Akuten Lymphatischen Leukämie die T-Zellen entarten und sich unkontrolliert vermehren, spricht man von der T-Zell ALL. Sie macht 25 Prozent aller ALL-Erkrankungen aus. Die übrigen 75 Prozent der ALL-Betroffenen leiden an der B-Zell ALL. B-Zellen sind ebenfalls Zellen des Immunsystems.
Ohne Valin sterben die Krebszellen
Wenn man die oben genannten Valin-abhängigen Gene blockiert, nimmt der Valingehalt in den befallenen T-Zellen ab und die entarteten Zellen wachsen nicht mehr weiter – zumindest in Laborversuchen. Nur 2 Prozent der entarteten T-Zellen blieben bei den entsprechenden Versuchen am Leben.
Eine andere wichtige Beobachtung der Forscher ist, dass bei Patienten mit Leukämie besonders häufig eine Mutation in der DNA eines bestimmten Gens (es heisst NOTCH1) beobachtet wird. Durch diese Mutation wird der Krebsprozess vorangetrieben und zwar abhängig vom Valinspiegel.
Valinarme Ernährung stoppt Blutkrebs bei Mäusen
Als die Forscher Mäusen (die an Leukämie erkrankt waren) drei Wochen lang valinarmes Futter gaben, stoppte der Blutkrebs. Auch die Zahl der zirkulierenden Blutkrebszellen nahm um mindestens die Hälfte ab. In manchen Fällen sank die Zahl auf Null. Gab man den Tieren dann wieder Valin ins Futter, nahm der Krebs seine Aktivitäten wieder auf und begann sich wieder auszubreiten.
„Unsere Studie zeigt, dass die T-Zell ALL eindeutig vom Valin-Nachschub abhängig ist und dass das Fortschreiten des Krebses durch einen Valinmangel gestoppt werden kann“, bestätigt einer der beteiligten Forscher, Dr. Palaniraja Thandapani vom Perlmutter Cancer Center.
Fleisch und Fisch enthalten besonders viel Valin
Nun will das Forscherteam im Jahr 2022 eine valinarme Diät bei Leukämie-Patienten testen. Dabei werden valinreiche Lebensmittel – die Forscher nennen hier Fleisch, Fisch und Bohnen – gemieden.
Wenn Sie sich jedoch die untenstehende Liste mit den valinreichen Lebensmitteln anschauen, sehen Sie, dass trockene Bohnen zwar valinreich sind, dass gekochte Bohnen dann aber aufgrund der viel kleineren Verzehrmenge nicht mehr so sehr viel Valin enthalten. Fleisch und Käse sind eher ein Problem.
Auch Kerne wie Kürbiskerne, Sonnenblumenkerne oder Erdnüsse sind valinreich. Doch isst man davon im Allgemeinen pro Portion nicht so viel wie von Fleisch und Käse. Natürlich sollten sie in einer valinarmen Ernährung aber dennoch gemieden oder stark reduziert werden.
Ernährungstherapie mit Medikamenten kombinieren
Allerdings – so die Forscher – müsse auch die Ernährungstherapie mit Medikamenten kombiniert werden, da die valinarme Ernährung auf Dauer nicht durchgeführt werden könne. Wer nämlich langfristig zu wenig Valin zu sich nehme (und damit zu wenig Protein), laufe Gefahr, aufgrund des Mangels Muskelschwund und Gehirnschäden zu entwickeln.
„Wir würden die valinarme Diät zur Reduzierung der Krebszellen einsetzen. Wenn dann nur noch wenige Krebszellen vorhanden sind, können die Medikamente das Krebswachstum stoppen“,
sagt Professor Iannis Aifantis, Leiter des Perlmutter Cancer Centers.
Die Aminosäure Valin
Valin ist eine Aminosäure, noch dazu eine essentielle Aminosäure, was bedeutet, dass der Organismus sie nicht selbst herstellen kann. Sie muss daher regelmässig mit der Nahrung verspeist werden, um den täglichen Bedarf an Valin zu decken.
Der Valin-Bedarf liegt offiziellen Quellen zufolge bei etwa 26 mg pro Kilogramm Körpergewicht. Die Bedarfsdeckung ist im Allgemeinen auch kein Problem, da Valin als Proteinbaustein in allen proteinhaltigen Lebensmitteln vorkommt.
Die valinarme Ernährung bei Leukämie
Valin hat im Körper wichtige Aufgaben. So ist die Aminosäure am Muskelaufbau, am Wachstum und an der Wundheilung beteiligt. Da Aminosäuren meist immer gemeinsam in Form von Proteinen in Lebensmitteln vorkommen, gibt es einen einzelnen Valinmangel eher nicht. Wer einen Valinmangel hat, leidet daher auch an einem Proteinmangel – und damit an einem Mangel aller essentieller Aminosäuren.
Umgekehrt verhält es sich ähnlich. Wer zu viel Valin isst, isst meist auch zu viel der anderen Aminosäuren und damit insgesamt zu viel Protein. Daher besteht eine valinarme Ernährung aus einer proteinarmen Ernährung.
Bei einer valinarmen Diät jedoch, die therapeutisch bei einer Akuten Lymphatischen Leukämie eingesetzt werden würde, handelt es sich um eine Fertignahrung, der man konkret das Valin entzogen hat und die dann auf Dauer tatsächlich Symptome eines isolierten Valinmangels hervorrufen würde. Sollten Sie diese Diät während Ihrer Therapie nicht erhalten, können Sie – in Absprache mit Ihren Ärzten – wenigstens die valinreichen Lebensmittel meiden.
Valin in Lebensmitteln
Nachfolgend finden Sie den Valin-Gehalt (gerundet) in einigen beispielhaft ausgewählten Lebensmitteln, damit Sie einen groben Überblick erhalten, welche Lebensmittel reich an Valin sind und welche arm an Valin sind. Der angegebene Valin-Gehalt bezieht sich jeweils auf 100 g Lebensmittel (in aufsteigender Reihenfolge) ( 4 ).
- Apfel 10 mg
- Paprika rot frisch 50 mg
- Banane 60 mg
- Kopfsalat 60 mg
- Salzkartoffeln 105 mg
- Brokkoli gegart 150 mg
- Spinat gegart 160 mg
- Vollkornreis gekocht 170 mg
- Haferflocken gekocht ( Porridge) 175 mg
- Quinoa gekocht 215 mg
- Vollkornnudel gekocht 260 mg
- Joghurt Magerstufe 270 mg
- Kidney-Bohne Konserve abgetropft 280 mg
- Brennnessel (frisch/gegart) 400 mg
- Linsen gegart 475 mg
- Vollkornbrot Dinkel 495 mg
- Walnüsse 635 mg
- Haferflocken ungekocht 810 mg
- Tofu 870 mg
- Lachs 975 mg
- Frischkäse Magerstufe 980 mg
- Räucherlachs 1030 mg
- Tempeh 1040 mg
- Forelle gegart 1265 mg
- Sonnenblumenkerne 1330 mg
- Erdnüsse 1450 mg
- Schweineschnitzel gebraten 1500 mg
- Sojabohne trocken 1580 mg
- Rindersteak gebraten 1780 mg
- Emmentaler Vollfettstufe 1800 mg
- Kürbiskerne 2460 mg
Valinreiche Lebensmittel bei einer Leukämie meiden
Die Aminosäure Valin ist ein essentieller Nährstoff, aber hohe Konzentrationen dieser Aminosäure im Blut können das Risiko für eine Leukämie erhöhen.