Zentrum der Gesundheit
  • Mann fasst sich an Rücken mit schmerzverzerrtem Gesicht
5 min

Wie negative Gedanken Nacken und Rücken schädigen können

Wenn Sie sich psychisch schlecht fühlen und gleichzeitig etwas Schweres heben, steigt plötzlich die Belastung auf Nacken und Rücken, obwohl das Gewicht des Gegenstandes unverändert bleibt. Negative Gedanken können Ihre Wirbelsäule aber auch dann belasten, wenn Sie nichts tragen.

Fachärztliche Prüfung: Gert Dorschner
Aktualisiert: 22 April 2024

Kostenlosen Newsletter abonnieren

Mit Ihrer Anmeldung erlauben Sie die regelmässige Zusendung des Newsletters und akzeptieren die Bestimmungen zum Datenschutz.

Negative Gedanken belasten Ihre Wirbelsäule

Negative Gedanken aufgrund von kognitiver Dissonanz können Ihre Wirbelsäule belasten und so zu Nackenbeschwerden und Rückenschmerzen führen. Von kognitiver Dissonanz spricht man beispielsweise, wenn Sie genau wissen, wie gut Sport Ihnen tut, Sie aber dennoch den Fitnesskurs sausen lassen, um den Abend auf dem Sofa zu verbringen.

Oder wenn Sie sich vornehmen, weniger Süssigkeiten zu essen, dann aber doch zum nächstbesten Schokoriegel greifen. Meist fühlt man sich danach nicht so gut, hat ein schlechtes Gewissen und somit negative Gedanken – die typische Folge von kognitiver Dissonanz. Das Dilemma der kognitiven Dissonanz kann sich auch auf die körperliche Gesundheit auswirken – etwa auf Ihre Wirbelsäule.

Psychischer Stress erhöht Belastung der Wirbelsäule

Angenommen Sie sind mitten im Umzug, packen und schleppen Kisten. Dann kann sich ein und dieselbe Kiste auf Ihre Wirbelsäule ganz unterschiedlich auswirken – abhängig davon, wie es Ihnen psychisch geht und was Sie gerade denken.

Eigentlich wollten Sie ein Umzugsunternehmen beauftragen. Ein Bekannter aber hat Sie überredet, das nicht zu tun. Er würde Ihnen mit seinem Kumpel helfen und Sie könnten viel Geld sparen. Sie hatten kein so gutes Gefühl, da er nicht gerade der Zuverlässigste ist, haben sich dann aber doch breitschlagen lassen. Kurz vor der vereinbarten Zeit am Umzugstag erhalten Sie eine Nachricht: „Schaffen es doch nicht, sorry.“ Plötzlich scheinen die Kisten viel mehr zu wiegen als noch zuvor. Das ist nicht nur Einbildung.

Negative Gedanken können Ursache für Nacken- und Rückenschmerzen sein

In einer Studie von Wissenschaftlern der Ohio State University in Columbus/Ohio (März 2023 im Fachmagazin Ergonomics) zeigte sich, dass psychischer Stress durch kognitive Dissonanz beim Tragen einer Last zu einer höheren Belastung der Wirbel im Nacken und im unteren Rückenbereich führt, als es dieselbe Last ohne Psychostress/negative Gedanken tut. Je stärker die kognitive Dissonanz der Studienteilnehmer war, umso grösser war die Belastung der Wirbelsäule ( 1 ). Die Studienergebnisse belegen, dass kognitive Dissonanz und die daraufhin entstehenden negativen Gedanken ein bisher unbekannter Risikofaktor für Nacken- und Kreuzschmerzen sein könnte.

„Da in der Studie die erhöhte Belastung der Wirbelsäule schon bei einem geringen Gewicht auftrat, kann man sich vorstellen, was passiert, wenn jemand schwere Gewichte bewegen oder komplexere Aufgaben lösen muss“, gibt William Marras zu bedenken, Studienautor und Professor für integrierte Systemtechnik, der am College of Medicine in den Bereichen Neurochirurgie, Orthopädie sowie physikalische Medizin und Rehabilitation an der Ohio State University tätig ist.

Studie: Wie negative Gedanken und Gefühle die Wirbelsäule belasten

17 Forschungsteilnehmer – neun Männer und acht Frauen im Alter von 19 bis 44 Jahren – sollten eine leichte Kiste anheben und an einer bestimmten Stelle abstellen. Zunächst erhielten die Leute ein positives Feedback, wurden also gelobt, dass sie alles richtig machten. Im nächsten Teil der Untersuchung wurden die Leute während der Kistenaktion kritisiert, erhielten also negatives Feedback (obwohl sie im Grunde alles richtig machten).

Der Grad der kognitiven Dissonanz (negative Gedanken und Gefühle und wie sich diese während des Experiments veränderten) wurde bei jedem Teilnehmer anhand des Blutdrucks und der Herzfrequenz festgestellt. Auch wurden die ProbandInnen nach ihren Gefühlen befragt, ob sie sich also eher stark und motiviert oder eher beschämt fühlten. Bestimmte Sensoren nahmen die Belastung im Nacken und unteren Rücken auf – sowohl die Kompression der Wirbel als auch die Bewegung der Wirbel (Scherung) von einer Seite zur anderen (lateral) sowie vorwärts und rückwärts.

Belastung der Wirbelsäule steigt besonders im Nacken

Im Vergleich zur Belastung nach positivem Feedback, stieg die Belastung der Wirbelsäule im Nackenbereich nach negativem Feedback bei der Kompression um 11,1 Prozent, bei der Vorwärts/Rückwärtsbewegung der Wirbel um 9,4 Prozent und bei der lateralen Bewegung der Wirbel um 19,3 Prozent.

Im Lendenwirbelbereich (unterer Rücken) – einem Bereich, der stets die Hauptlast der Wirbelsäulenbelastung trägt – erhöhte sich die Belastung um 1,7 Prozent bei der Kompression und um 2,2 Prozent bei der Scherung.

„Wir dachten, wir würden Auswirkungen kognitiver Dissonanz (negative Gedanken und Gefühle) insbesondere im unteren Rückenbereich feststellen. Nun aber haben wir eine starke Reaktion im Nacken gefunden“, sagte Marras.

Eine Erhöhung der Belastung um wenige Prozent klingt nach nicht viel. Doch Marras erklärte: „Unsere Toleranz gegenüber Scherkräften ist viel, viel geringer als gegenüber Kompression.“ Und wenn Sie womöglich im Alltag oder im Beruf immer wieder aufgrund psychischer Belastung Nacken und Lendenwirbelsäule überlasten, dann kann das Folgen haben.

Auch allein Psychostress kann Nacken- und Rückenprobleme verursachen

Im Institut von Marras untersucht man seit Jahrzehnten, welchen alltäglichen und beruflichen Belastungen die Wirbelsäule ausgesetzt ist. Schon vor etwa 20 Jahren fand Marras heraus, dass psychischer Stress die Wirbelsäule beeinflussen kann. Im damaligen Studiendesign täuschten die Wissenschaftler in Gegenwart der Teilnehmer einen Streit vor.

Bei manchen Teilnehmern nahm dadurch die Belastung der Wirbelsäule um bis zu 35 Prozent zu. Denn bei psychosozialem Stress neigt man dazu, die Muskeln in seinem Rumpf anzuspannen, was dann wiederum die Wirbelsäule belastet. Man muss also nicht einmal, während man negative Gedanken hegt, eine Last tragen, um die Wirbelsäule zu belasten. Es genügt bereits der Psychostress allein, um die Nacken- und Rückengesundheit zu beeinträchtigen.

Negative Gedanken umwandeln - der Wirbelsäule zuliebe

Marras ist ausserdem Hauptforscher einer klinischen Studie ( 2 ), in der verschiedene Behandlungen für Schmerzen im unteren Rückenbereich untersucht werden. Die Therapiebreite reicht dabei von Medikamenten über Bewegung bis hin zu kognitiver Verhaltenstherapie. Gerade letzteres soll die Folgen kognitiver Dissonanz auf die Wirbelsäule beheben helfen. Die Studie wird voraussichtlich im März 2024 beendet sein.

„Wir versuchen, all die unterschiedlichen und wirklich sehr komplexen Faktoren herauszufinden, die sich auf Wirbelsäulenerkrankungen auswirken“, sagte Marras.„Genau wie bei einem Auto das gesamte System funktionieren muss, damit es richtig läuft, verhält es sich auch bei der Wirbelsäule. Man könnte körperlich in Topform sein, aber wenn man negative Gedanken hat, z. B. in Form von kognitiven Dissonanzen, dann kann die Wirbelsäule nicht gesund bleiben.“

(Dies gilt jedoch für andere Organe und Körperbereiche ebenso.)

Da es gar nicht so einfach ist, immer schön positiv gestimmt zu bleiben und nur frohe oder wenigstens neutrale Gedanken zu hegen, gibt es verschiedene Methoden, die dabei helfen, negative Gedanken umzuwandeln und ihnen ihre Macht zu nehmen, z. B. die Selbsthilfemethode The Work von Byron Katie oder generell mehr Achtsamkeit im Alltag.

🌟 Bewerten Sie unsere Arbeit 🌟

Auf unserem Portal Zentrum der Gesundheit haben wir mittlerweile mehr als 2700 Artikel zu zahlreichen Themen rund um Gesundheit, Ernährung und Naturheilkunde veröffentlicht. Wenn Sie Zeit und Lust haben, freuen wir uns über Ihre Bewertung unseres Portals bei Trustpilot.

Wichtiger Hinweis

Dieser Artikel wurde auf Grundlage (zur Zeit der Veröffentlichung) aktueller Studien verfasst und von MedizinerInnen geprüft, darf aber nicht zur Selbstdiagnose oder Selbstbehandlung genutzt werden, ersetzt also nicht den Besuch bei Ihrem Arzt. Besprechen Sie daher jede Massnahme (ob aus diesem oder einem anderen unserer Artikel) immer zuerst mit Ihrem Arzt.