Was sind Phytoöstrogene?
Phytoöstrogene sind eine große Gruppe an sekundären Pflanzenstoffen, die eine ähnliche chemische Struktur wie das Geschlechtshormon 17-Beta-Östradiol aufweisen ( 1 ). 17-Beta-Östradiol ist das am stärksten wirksame natürliche Östrogen und wird sowohl im weiblichen als auch im männlichen Körper gebildet.
In Pflanzen haben Phytoöstrogene die folgenden Aufgaben:
- Sie dienen als Abwehrstoffe gegen Krankheitserreger.
- Sie sind wichtige Signalstoffe zur Kommunikation zwischen Pflanze und nützlichen Mikroorganismen (z. B. den Knöllchenbakterien an den Wurzeln von Leguminosen, die mit diesen Pflanzen in Symbiose leben).
- Sie sind Signalstoffe zur Kommunikation mit anderen Pflanzen.
- Sie sind wichtig für die Entwicklung der Pflanze ( 2 ).
Die Phytoöstrogene können anhand ihrer chemischen Struktur in die beiden großen Gruppen der Flavonoide und der Nicht-Flavonoide aufgeteilt werden. Diesen beiden großen Gruppen können wiederum verschiedenen Substanzklassen zugeordnet werden ( 3 ) ( 4 ):
- Flavonoide: Isoflavone, Coumestane, Prenylflavonoide
- Nicht-Flavonoide: Lignane, Resveratrol
Besonders bekannt und in zahlreichen wissenschaftlichen Studien untersucht, sind hierbei die Isoflavone, die vor allem in Soja und Sojaprodukten vorkommen.
Wie wirken Phytoöstrogene?
Da Phytoöstrogene eine chemische Struktur aufweisen, die der Struktur des körpereigenen 17-Beta-Östradiols ähnelt, sind die Pflanzenstoffe in der Lage an Östrogen-Rezeptoren im Körper zu binden. Östrogen-Rezeptoren befinden sich z. B. in den Geschlechtsorganen und dem Knochengewebe.
Die Rezeptoren befinden sich im Zellplasma entsprechender Zellen. Die Östrogene (oder Phytoöstrogene) durchqueren zunächst die Zellmembran und binden dann im Zellplasma nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip an den Östrogen-Rezeptor. Phytoöstrogene können nun entweder eine Hemmung (antiöstrogener Effekt) oder eine Aktivierung (östrogener Effekt) der Östrogen-Rezeptoren auslösen ( 5 ).
Welcher Effekt eintritt, hängt u. a. davon ab, wie viel körpereigene Östrogene momentan im Körper gebildet werden. Die körpereigenen Östrogene binden wesentlich stärker an die Östrogen-Rezeptoren als die Phytoöstrogene und haben damit eine stärkere östrogene Wirkung.
Liegt also ein hoher Östrogenspiegel vor, dann konkurrieren die Phytoöstrogene mit den körpereigenen Östrogenen um die Rezeptorbindungsstellen und reduzieren damit die Wirksamkeit der körpereigenen Östrogene. Es kommt zu einem antiöstrogenen Effekt. Bei niedrigem Östrogenspiegel, wie z. B. in der Menopause, führen die Phytoöstrogene hingegen zu einer östrogenen Wirkung, da sie nicht mit körpereigenen Östrogenen konkurrieren und somit auch nicht deren Wirkung abschwächen ( 6 ) ( 7 ).
Ein weiterer Einflussfaktor, der darüber entscheidet, ob es zu einem östrogenen oder einem antiöstrogenen Effekt kommt, ist das jeweilige Gewebe, in dem die Pflanzenstoffe wirken. Denn die Verteilung von Östrogen-Rezeptor-Typen unterscheidet sich je nach Gewebe, sodass ein Phytoöstrogen z. B. im Brustgewebe eine andere Wirkung haben kann als im Prostatagewebe.
Zusätzlich kommt es auf die Art des Pflanzenstoffs an, denn verschiedene Phytoöstrogene unterscheiden sich in ihrer Wirkungsweise. Schließlich kann auch das Vorliegen oder Fehlen verschiedener anderer „Begleitstoffe“ (sogenannter Co-Faktoren) die Wirksamkeit der Phytoöstrogene beeinflussen.
Sie sehen, diese Thematik ist alles andere als schwarz und weiß und die Annahme, dass die Pflanzenstoffe wie weibliche Geschlechtshormone wirken, ist nicht pauschal korrekt, denn viele Faktoren spielen eine Rolle.
Phytoöstrogene besitzen zwar das Potential, die normale Funktionsweise des Hormonsystems zu beeinflussen, dies kann aber sowohl in positiver als auch in negativer Weise der Fall sein. Aufgrund ihrer möglichen Störwirkung auf das Hormonsystem, werden sie auch zu den sogenannten „Antinährstoffen“ gerechnet.
Wo sind Phytoöstrogene enthalten?
Phytoöstrogene kommen in zahlreichen pflanzlichen Lebensmitteln vor. Am häufigsten in der menschlichen Ernährung sind dabei die Isoflavone und die Lignane ( 8 ) ( 9 ).
Tabelle: Phytoöstrogene in Lebensmitteln
Im verlinkten PDF finden Sie unsere Tabelle, die einige Lebensmittel aufführt, die Phytoöstrogene enthalten: Tabelle 1: Lebensmittel mit Phytoöstrogenen
Isoflavone
Besonders hohe Gehalte an Isoflavonen finden sich in Soja und Sojaprodukten. Die nachfolgende Tabelle ( 10 ) zeigt Ihnen beispielhaft den Isoflavongehalt verschiedener Lebensmittel: Tabelle 2: Isoflavone
Dabei wird unterschieden zwischen dem Gesamtgehalt an Isoflavonen sowie dem Gehalt der Isoflavone Daidzein und Genistein, die einen großen Anteil der Isoflavone in Soja ausmachen und beide in zahlreichen Studien untersucht wurden. Die angegebenen Zahlenwerte sind Mittelwerte aus verschiedenen Studien. In Klammern hinter dem Gesamtgehalt an Isoflavonen findet sich die Spannbreite vom geringsten zum höchsten gemessenen Wert (sofern mehrere Studien existieren).
Verschiedene Gemüsesorten, Früchte und Nüsse enthalten ebenfalls Isoflavone, jedoch zumeist in vernachlässigbar geringen Konzentrationen ( 11 ) ( 12 ). Wissenschaftler aus England verglichen die Gehalte an Isoflavonen (genau genommen die Summe an Daidzein und Genistein) in Sojabohnen und daraus erzeugten Produkten mit den Gehalten in 114 Gemüsesorten. Die Gehalte in Sojabohnen und Sojaprodukten variierten zwischen 47 und 142 mg pro 100 g frischem Lebensmittel. Die Gehalte in den getesteten Gemüsesorten lagen hingegen im Bereich von 0,002 bis 0,575 mg pro 100 g, also um ein Vielfaches geringer.
Coumestane
Coumestane kommen eher selten in unserer täglichen Ernährung vor. Hohe Gehalte finden sich besonders in Luzerne (Alfalfa) (36 mg pro 100 g Trockenmasse) und Klee (14 mg pro 100 g Trockenmasse). In den in Tabelle 1 genannten Bohnensorten findet man Gehalte von 0,8 bis 1,8 mg pro 100 g Trockenmasse ( 13 ). Würde man den Wassergehalt einberechnen (der bei getrockneten Kernbohnen 10 – 15 Prozent betragen kann), so wären die Gehalte nochmals niedriger.
Prenylflavonoide
Prenylflavonoide kommen ebenfalls nur selten in unserer Ernährung vor. Eine reiche Quelle ist der Hopfen, sodass Prenylflavonoide auch in verschiedenen Biersorten enthalten sind.
Der Prenylflavonoidgehalt in verschiedenen Biersorten reicht von 0 bis 0,95 mg pro 100 ml ( 14 ). In Schwarzbier findet sich ein Gehalt von 0,18 mg pro 100 ml, in Pils von 0,22 mg pro 100 ml und in Starkbier von 0,52 mg pro 100 ml. Alkoholfreies Bier enthält hingegen nur 0,02 mg pro 100 ml ( 15 ).
Lignane
Lignane sind nach den Isoflavonen die zweitwichtigste Gruppe an Phytoöstrogenen in der menschlichen Ernährung. Sie kommen in vielen Pflanzenarten vor, aber meist nur in kleinen Mengen. Hohe Gehalte finden sich in Sesamsamen mit 405 bis 1178 mg pro 100 g Frischmasse (14 verschiedene Sorten wurden untersucht) ( 16 ), in Leinsamen mit 379,4 mg pro 100 g (1) und in Kürbiskernen mit 265 mg pro 100 g ( 17 ). In Nüssen variieren die Gehalte zwischen 0,025 mg und 0,198 mg pro 100 g, während die Gehalte in Hülsenfrüchten, Obst, Gemüse und Getreide oft noch geringer sind (1).
Resveratrol
Resveratrol ist ein Phytoöstrogen, das besonders durch sein Vorkommen im Rotwein bekannt ist, und dazu geführt hat, dass Rotweinliebhaber behaupten, dass Rotwein so gesund sei. Es gibt tatsächlich zahlreiche Studien, die die vielen gesundheitsförderlichen Wirkungen von Resveratrol beim Menschen belegen.
Allerdings wurden die Gehalte, die zu diesen Wirkungen geführt haben, im Falle von Resveratrol nicht durch die Ernährung erreicht (Achtung: wichtiger Unterschied zu Isoflavonen!). Eine wirksame Dosierung von Resveratrol liegt im Bereich von etwa 500 bis 1500 mg pro Tag. Solche Mengen sind über eine normale Ernährung nicht zu erreichen.
Die Gehalte an Resveratrol in den Lebensmitteln in unserer oben verlinkten Tabelle 1 liegen bei den Lebensmitteln mit „höheren Gehalten“ zwischen 0,5 und 3 mg/100 g und bei den Lebensmitteln mit „niedrigeren Gehalten“ bei unter 0,5 mg/100 g bzw. 100 ml. Um also z. B. 500 mg Resveratrol pro Tag aufzunehmen, müsste man 185 l Rotwein trinken (Gehalt: 0,27 mg/100 ml) oder 17 kg Preiselbeeren (Gehalt: 3 mg/100 g) essen, was utopisch ist.
Ausführliche Informationen zu Resveratrol erhalten Sie unter vorigem Link.
Wovon hängt der Gehalt an Phytoöstrogenen ab?
Da Phytoöstrogene, wie die meisten sekundären Pflanzenstoffe, den Pflanzen als Abwehrstoffe dienen, steigt ihr Gehalt bei ungünstigen Bedingungen in der Pflanze an. Dies können z. B. ungünstige Wachstumsbedingungen wie starke Trockenheit oder Kälte sein oder ein Befall mit Schädlingen.
Neben den Wachstumsbedingungen haben auch die Pflanzensorte (Zucht), das Wachstumsstadium der Pflanze bei der Ernte und die Handhabung der Pflanzen bei der Ernte und Lagerung einen Einfluss auf den Phytoöstrogengehalt. So steigt z. B. der Gehalt der Pflanzenstoffe bei einer Beschädigung der Pflanzen an ( 18 ).
Menge an Phytoöstrogenen in der täglichen Ernährung
Die Ernährungsgewohnheiten unterscheiden sich je nach Kultur mitunter stark und so auch die tägliche Aufnahmemenge an Phytoöstrogenen. Dies gilt besonders für die Isoflavone, die den größten Anteil der hormonwirksamen Pflanzenstoffe in der menschlichen Ernährung ausmachen.
In asiatischen Ländern hat der Verzehr von Soja und Sojaprodukten eine lange Tradition. Bei einer traditionellen asiatischen Ernährungsweise gehen Wissenschaftler von einer täglichen Aufnahme von 70 bis 150 g an Soja bzw. Sojaprodukten aus. Dies entspricht etwa 30 bis 60 mg an Isoflavonen pro Tag. Bei einer „westlichen Ernährungsweise“ wie in Europa und den USA liegt die durchschnittliche tägliche Aufnahmemenge bei nur etwa 2,5 mg an Isoflavonen ( 19 ).
Die Rolle der Darmflora
Doch nicht nur die Menge an Phytoöstrogenen, die man mit der Nahrung zu sich nimmt, ist entscheidend. Auch die Zubereitungsweise der Lebensmittel (z. B. Erhitzen, Fermentieren – siehe Abschnitt weiter unten) und insbesondere die individuelle Zusammensetzung der Darmflora haben einen wichtigen Einfluss auf die Menge an wirksamen Stoffwechselprodukten, die während der Verdauung und Verstoffwechslung im Körper aus den Pflanzenstoffen entstehen.
So kann es vorkommen, dass zwei Personen, die genau die gleiche Menge an Phytoöstrogenen gegessen haben, deutlich unterschiedliche Werte der aktiven Stoffwechselprodukte der Pflanzenstoffe im Blut aufweisen. Wie kann das sein?
Die Darmflora spielt eine wichtige Rolle für den Stoffwechsel und die Aktivierung von Phytoöstrogenen, indem sie die Pflanzenstoffe zu für den Menschen besser verwertbaren Stoffen (Metaboliten = Stoffwechselprodukten) aufspaltet.
Mehr als 20 verschiedene Isoflavon-Metaboliten wurden bereits nachgewiesen. In zahlreichen Studien untersucht wurde dabei der Metabolit Equol, der von der Darmflora aus dem Isoflavon Daidzein gebildet wird ( 20 ). Der Vergleich von Bevölkerungsgruppen zeigt, dass die Equol-Produktion in Abhängigkeit von der Ernährungsweise stark variieren kann. In der westlichen Gesellschaft (Europa, USA) liegt der Anteil an Personen, die Equol bilden können, nur bei etwa 25 bis 30 %. Asiatische Bevölkerungsgruppen und Vegetarier haben hingegen einen Anteil an „Equol-Produzenten“ von 50 bis 60 % ( 21 ) ( 22 ).
Die Unterschiede werden mit einer Anpassung der Darmflora an die Ernährungsweise begründet. Werden isoflavonreiche Nahrungsmittel regelmäßig konsumiert, so vermehren sich die Bakterien, die die Pflanzenstoffe abbauen können, sofern diese Bakterienarten überhaupt im Darm vorhanden sind.
Es wurden bereits mehr als 10 verschiedene Bakterienspezies, die Equol bilden können, identifiziert. Hierzu zählen z. B. Asaccharobacter celatus, Bacteroides ovatus, Lactobacillus mucosae, Slackia equolifaciens, Slackia isoflavoniconvertens und Streptococcus intermedius ( 23 ). Ob eine Person Equol produzieren kann oder nicht, wird in Studien meist über den Vergleich des Gehalts an Daidzein und Equol im Urin bestimmt. Je mehr Equol im Verhältnis zu Daidzein vorhanden ist, desto effektiver ist die Equol-Produktion ( 24 ) ( 25 ).
Auch für die Verwertbarkeit der Lignane ist die Darmflora entscheidend. Beim Abbau von Lignanen durch die Darmflora entstehen die beiden Metabolite Enterodiol und Enterolakton, die durch die Darmschleimhaut aufgenommen werden.
(Hinweis: Die Phytoöstrogene selbst können natürlich ebenfalls eine Wirkung im Körper haben, oftmals sind aber die entstehenden Abbauprodukte deutlich wirksamer.)
Sind Phytoöstrogene schädlich?
Häufige Kritikpunkte und Bedenken, die immer wieder im Zusammenhang mit dem Verzehr von Phytoöstrogenen geäußert werden, sind:
- Phytoöstrogene würden das Brustkrebsrisiko erhöhen und bei bestehendem Krebs die Rückfallquote steigern.
- Sie könnten das Hormonsystem stören und würden z. B. die Schilddrüsenfunktion negativ beeinflussen.
- Bei Männern könnten Phytoöstrogene zu einer „Verweiblichung“ führen.
- Bei Kindern würden Phytoöstrogene die Entwicklung stören.
In den folgenden Abschnitten werden wir auf all diese Punkte eingehen. Dabei werden Sie sehen, dass oftmals genau das Gegenteil der genannten Bedenken der Wahrheit entspricht. Mittlerweile existieren nämlich zahlreiche wissenschaftliche Studien am Menschen, die die vielfältigen gesundheitsförderlichen Wirkungen von Phytoöstrogenen in der Ernährung (also v. a. von Isoflavonen und Lignanen) belegen und zeigen, dass viele der vorgebrachten Kritikpunkte nicht mehr haltbar sind.
Auf unserer Seite befinden sich bereits zahlreiche Beiträge zu diesen Themen, die wir im weiteren Text an passender Stelle für Sie verlinkt haben.
Insbesondere über Soja kursieren viele Vorbehalte. Diese betreffen jedoch nicht nur die Phytoöstrogene, sondern auch weitere Inhaltsstoffe wie die Lektine und die Phytinsäure, sowie die Nachhaltigkeit der Sojaproduktion und den hohen Anteil an genmanipuliertem Soja. Unser Beitrag Soja – gesund oder schädlich? geht auf diese Kritikpunkte im Detail ein.
Im folgenden Link finden Sie weiterhin einen Beitrag speziell zum Thema Soja und Entzündungen, da es ebenfalls immer wieder heißt, Soja fördere verschiedene chronisch entzündliche Erkrankungen. Diese Aussagen werden mittels zahlreicher Studien in unserem Beitrag widerlegt.
Sind Phytoöstrogene krebserregend oder krebshemmend?
Phytoöstrogene, so heißt es immer wieder, würden das Rückfallrisiko bei östrogenabhängigem Brustkrebs erhöhen und sollten bei einer solchen Diagnose strikt gemieden werden. Weiterhin heißt es, dass Phytoöstrogene, insbesondere die Isoflavone aus Soja, die antihormonelle Therapie nach einer Brustkrebserkrankung stören würden.
Im Artikel Soja schützt vor Brustkrebs können Sie über verschiedene Mechanismen nachlesen, wie die Isoflavone aus Soja (z. B. Genistein) vor Krebs schützen. So kommt es durch den Sojaverzehr z. B. zu einer Aktivierung bestimmter Abwehrzellen (zytotoxische T-Zellen), die Krebszellen erkennen und abtöten können. Ebenfalls können Sie dort nachlesen, warum es besonders günstig ist, bereits in der Jugend mit einem regelmäßigem Sojakonsum zu beginnen.
In unserem Beitrag Soja bei Brustkrebs – wann schädlich, wann nützlich erhalten Sie eine ausführliche Klärung dieser Frage. Kurz gesagt: Ob die Isoflavone krebshemmend oder krebsfördernd wirken, hängt davon ab, wie sie vorliegen. Die Isoflavone in einem vollwertigen Sojaprodukt (z. B. Tofu, Sojamilch, Tempeh) wirken in Kombinationen mit anderen Pflanzenstoffen und haben vielfältige krebshemmende Wirkungen. Vollwertige Sojaprodukte wirken (in Maßen verzehrt) auch bei östrogenabhängigem Brustkrebs krebshemmend. Isolierte Isoflavone, die als hoch konzentriertes Nahrungsergänzungsmittel eingenommen werden, könnten hingegen Gene aktivieren, die die Krebsentwicklung fördern und sollten daher mit Vorsicht betrachtet werden.
Die antihormonelle Therapie nach einer Brustkrebserkrankung ist mit zahlreichen Nebenwirkungen behaftet. Der durch die Medikamente induzierte Östrogenmangel führt zu Beschwerden wie Hitzewallungen, Schweißausbrüchen, Gelenkschmerzen und Müdigkeit. Unter folgendem Link lesen Sie wie Soja und Kohlgemüse die Nebenwirkungen der Anti-Hormontherapie bei Brustkrebs lindern können.
Bei der Anti-Hormontherapie werden die körpereigenen Östrogenformen, die potentiell zum Tumorwachstum führen könnten, ausgeschaltet. Dies führt zu Beschwerden ähnlich denen der Wechseljahre.
Durch den Wegfall der körpereigenen Östrogene kommt der schwach östrogene Effekt der Soja-Isoflavone zum Tragen, wodurch der Östrogenmangel abgemildert wird. Auch das Rückfallrisiko bei östrogensensitivem Brustkrebs ist bei regelmäßigem Sojaverzehr geringer, denn die Isoflavone blockieren die Östrogenrezeptoren, sodass die „gefährlichen“ körpereigenen Östrogene gehemmt werden.
Im oben verlinkten Artikel erfahren Sie weiterhin, wie viel Soja Sie pro Tag essen könnten, um eine entsprechende Wirkung zu erhalten, wobei immer auch darauf hingewiesen werden muss, dass jeder Mensch sehr individuell auf Maßnahmen aus dem Bereich der Ernährung reagiert, eine Garantie für Krebsschutz kann daher leider nie gegeben werden. Neben den Isoflavonen werden Sie in dem Beitrag weiterhin über die nützlichen Wirkungen der Glucosinolate (Synonym: Senfölglykoside) aus Kohlgemüse bei Brustkrebs informiert.
Neben Brustkrebs hat Soja auch eine Wirksamkeit gegenüber anderen Krebsarten gezeigt. In unserem Beitrag Soja schützt die Prostata erfahren Sie anhand zahlreicher Studien, wie der Verzehr von Soja die Entstehung von Prostatakrebs verhindern und die Weiterentwicklung hemmen kann.
Auch zur Prophylaxe von Lungenkrebs ist der regelmäßige Verzehr von Sojaprodukten günstig. Besonders Frauen und Nichtraucher profieren von dem prophylaktischen Effekt. Weiterhin zeigen Patienten, die schon vor der Diagnose von Lungenkrebs regelmäßig Sojaprodukte auf ihrem Speiseplan hatten, eine verbesserte Überlebensrate.
Weitere Krebsarten, bei denen der Konsum von Sojaprodukten in Studien eine krebshemmende Wirkung gezeigt hat, sind Gebärmutterkrebs ( 26 ) und Dickdarmkrebs ( 27 ) ( 28 ).
Neben den Isoflavonen haben auch die Lignane, die z. B. in Leinsamen vorkommen, eine Wirksamkeit gegen verschiedene Krebsarten erwiesen. Im Artikel Lignane gegen Prostatakrebs und Brustkrebs erfahren Sie anhand wissenschaftlicher Studien, wie die Lignane sowohl vorbeugend als auch hemmend gegen die genannten Krebsarten wirken. Weiterhin erfahren Sie, wie man einen wirksamen Gehalt an Lignanen in der Ernährung erreichen kann.
Überblick: Wie Phytoöstrogene gegen Krebs wirken
Hier finden Sie nochmal eine Auflistung der verschiedenen bekannten Mechanismen, wie Phytoöstrogene gegen Krebs wirken können:
- antioxidative Wirkung (siehe unten)
- Förderung von DNA-Reparaturmechanismen
- Aktivierung von Genen, die die Tumorabwehr steigern
- Aktivierung der antitumoralen Abwehrkraft des Immunsystems
- Erhöhung der Apoptoserate der Krebszellen (programmierter Zelltod)
- Verminderung der Angiogenese des Tumors (Aufbau der Blutgefäßversorgung des Tumors; wichtige Voraussetzung für das Tumorwachstum)
- Reduktion des Risikos für Metastasen
- Abschwächung der Nebenwirkungen bei Strahlen- und Chemotherapien
Stört Soja das Hormonsystem?
Phytoöstrogene, insbesondere die Isoflavone von Soja, werden immer wieder als endokrine Disruptoren bezeichnet (Stoffe, die das Hormonsystem auf negative Weise beeinflussen). Dies betrifft vor allem die Schilddrüse und die Fruchtbarkeit (siehe nächste Abschnitte).
Isoflavone werden aufgrund ihres Potentials den Jodstoffwechsel der Schilddrüse negativ zu beeinflussen zu den sogenannten Goitrogenen gerechnet. In unserem Beitrag Soja und die Schilddrüse wird Ihnen erklärt, warum Soja nicht zu einer Schilddrüsenunterfunktion führt, auch nicht bei einem regelmäßigem Konsum. In unserem oben verlinkten Artikel zu den Goitrogenen erhalten Sie einen detaillierten Überblick darüber, welche Stoffe die Schilddrüse beeinflussen könnten und erfahren auch, warum Sie auf eine gute Jodversorgung achten sollten.
In unserem Artikel zu Soja erklären wir, dass die Phytoöstrogene in Soja anstatt zu einer Störung des Hormonsystems zu führen, uns sogar vor den Wirkungen hormoneller Disruptoren schützen können. Bisphenol A ist ein Weichmacher in Kunststoffen. Der nachweislich zu Fruchtbarkeitsstörungen beim Menschen führende Stoff kommt in vielen Gegenständen des täglichen Gebrauchs vor (z. B. Lebensmittelverpackungen). Der regelmäßige Konsum von Soja schützt vor den Schadeffekten des Weichmachers.
Fruchtbarkeitsstörungen durch Phytoöstrogene beim Mann?
Können Phytoöstrogene in der Nahrung die Fruchtbarkeit von Männern negativ beeinflussen oder gar zu einer „Verweiblichung“ führen?
Die drei hier verlinkten Review-Artikel ( 29 ) ( 30 ) ( 31 ) haben jeweils zahlreiche Studien ausgewertet, die die Wirkung von Phytoöstrogenen, insbesondere den Soja-Isoflavonen, in der Nahrung auf die männliche Fruchtbarkeit untersucht haben. Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass es keine stichhaltigen Hinweise dafür gibt, dass es durch Phytoöstrogene zu einer Unfruchtbarkeit kommt. Verschieden Blutwerte, die im Zusammenhang mit der Fruchtbarkeit untersucht werden (z. B. freies Testosteron), wurden aus verschiedenen Studien ausgewertet. Keiner der Werte zeigte eine signifikante Änderung.
Sogar die Einnahme von isolierten Isoflavonen als Supplements zeigte keinen negativen Effekt bei Männern. In einer schottischen Studie ( 32 ) erhielten die gesunden Probanden 40 mg isolierte Isoflavone pro Tag über einen Zeitraum von zwei Monaten (dies entspricht der Menge wie in einer „typischen asiatischen Ernährungsweise“). Weder die Qualität noch das Volumen der Samenflüssigkeit noch die Hormonwerte im Blut wurden durch die Einnahme verändert.
Diese Ergebnisse legen also nahe, dass Sie auch als Mann bedenkenlos Sojaprodukte wie Tofu regelmäßig auf dem Speiseplan haben können. Dies hat viele gesundheitsförderliche Effekte, besonders auch für die Gesundheit der Prostata.
Entwicklungsstörungen bei Kindern?
Immer wieder hört man die Befürchtung, dass der Konsum von Sojaprodukten bei Kindern z. B. die Fruchtbarkeit im späteren Leben negativ beeinflussen könnte oder zu einem verfrühten Eintritt der Pubertät führen könnte.
Es gibt nur wenige Studien, die sich mit dem Einsatz von Sojaprodukten in der Ernährung von Säuglingen, Kindern und Jugendlichen beschäftigen. Die bisher bekannten Studienergebnisse liefern jedoch keine Hinweise auf eine schädliche Wirkung der Sojaprodukte, nicht einmal für Säuglinge ( 33 ).
Vielmehr ist bekannt, dass Personen, die bereits in ihrer Kindheit und Jugend regelmäßig Soja konsumiert haben, noch besser von den gesundheitsförderlichen Wirkungen profitieren können als Personen, die erst im Erwachsenenalter Soja in die Ernährung integrieren ( 34 ). In asiatischen Ländern ist es beispielsweise üblich, dass Kinder ab dem 1. bis 2. Lebensjahr bereits regelmäßig Soja auf dem Speiseplan haben ( 35 ).
In einer langjährigen Studie von Wissenschaftlern von der University of Pennsylvania erhielten Säuglinge entweder Säuglingsnahrung, die auf Soja (248 Probanden) oder auf Kuhmilch basierte (563 Probanden). Im Alter von 20 bis 34 Jahren wurden die entsprechenden Personen untersucht und befragt.
In über 30ig verschiedenen Kriterien (z. B. Eintritt und Ablauf der Pubertät, verschiedene gesundheitliche Aspekte) gab es keine Unterschiede zwischen den beiden Gruppen. Der einzig festgestellte Unterschied war eine um 0,37 Tage längere Periodendauer und eine leicht erhöhte Schmerzhaftigkeit der Periode bei der Soja-Gruppe im Vergleich zur Kuhmilch-Gruppe. Diese beiden Kriterien sind jedoch mit Vorsicht zu betrachten, da es sich um eine subjektive Einschätzung der Probanden handelt und die Unterschiede vernachlässigbar gering erscheinen.
An dieser Stelle sollte nochmals gesagt werden, dass Sojaprodukte natürlich keine erwünschte Nahrung für Säuglinge sind. Säuglinge sollten die Milch ihrer Mutter erhalten und sonst nichts. Weder Sojaprodukte, noch Kuhmilch, noch sonst eine Alternative ist ein guter oder gar gleichwertiger Ersatz zur Muttermilch.
Phytoöstrogene zur Hormonregulation bei der Frau
Je nach körpereigener Östrogenproduktion, wirken die Phytoöstrogene antiöstrogen (blockieren also die Östrogenwirkung) oder sie wirken als schwache Östrogene und gleichen somit einen Östrogenmangel aus. Entsprechend haben sie einen regulierenden Effekt auf das Hormonsystem und können bei Zyklusstörungen und in den Wechseljahren hilfreich sein.
Dieses Prinzip macht sich auch das Konzept des Seed Cyclings zu Nutze, das bei Zyklusstörungen helfen soll. Hier werden in Abhängigkeit von der Zyklusphase verschiedene Saaten (Leinsamen, Kürbiskerne, Sesam, Sonnenblumenkerne) im zweiwöchigen Wechsel täglich verzehrt. Die Wirksamkeit wird dabei auf die in den Saaten enthaltenen Lignane zurückgeführt.
Auch bei Beschwerden in den Wechseljahren wie z. B. Hitzewallungen und vaginaler Trockenheit kann sich der Verzehr von phytoöstrogenhaltigen Lebensmitteln günstig auswirken. Dies wird von zahlreichen Studien bestätigt ( 36 ) ( 37 ), die den Effekt der Soja-Isoflavone untersucht haben.
Unterschiede bei den Ergebnissen verschiedener Studien könnten auch dadurch bedingt sein, dass einige Probandinnen „Equol-Produzenten“ sind, während andere kein Equol aus dem Isoflavon Daidzein bilden können ( 38 ). Eine ausführliche Erklärung hierzu finden Sie im obigen Abschnitt über die Rolle der Darmflora.
Antioxidative Wirkung
Im Rahmen von Stoffwechselprozessen entstehen freie Radikale (oxidativer Stress), das sind hoch reaktive Verbindungen, die das Potential haben unsere Zellen zu schädigen, falls sie nicht rechtzeitig durch sogenannte Antioxidantien unschädlich gemacht werden. Durch Umwelttoxine steigt die Bildungsrate an freien Radikalen noch weiter an. Eine Belastung mit freien Radikalen erhöht das Risiko für die Entstehung zahlreicher Krankheiten, darunter Krebs und chronisch entzündliche Erkrankungen im gesamten Körper.
Viele sekundäre Pflanzenstoffe besitzen eine antioxidative Wirkung und können daher unsere Zellen vor oxidativem Stress schützen. Studien haben sowohl für die Isoflavone ( 39 ) ( 40 ) als auch für die Lignane ( 41 ) eine antioxidative Wirkung nachgewiesen. So besitzen die Enterolignane, die von der Darmflora aus Lignanen gebildet werden, sogar eine größere antioxidative Aktivität als Vitamin E, das im Allgemeinen als besonders starkes Antioxidans gilt ( 42 ).
Schutz des Herz-Kreislauf-Systems und des Stoffwechsels
Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems (z. B. Arteriosklerose, Schlaganfall) und des Stoffwechsels (z. B. Diabetes Typ II, Fettstoffwechselstörungen) nehmen immer weiter zu. Phytoöstrogene können auf verschiedene Weise den genannten Erkrankungen entgegenwirken. Wissenschaftliche Studien befassen sich dabei vor allem mit den Soja-Isoflavonen.
Unser Artikel Soja stellt Ihnen mehrere Studien vor, die den Zusammenhang zwischen einem regelmäßigen Konsum von Sojaprodukten und einem verminderten Risiko für Diabetes Typ II (erworbener Diabetes mellitus) sowie für verschiedene Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie koronare Herzkrankheit und Schlaganfall darlegen. Wesentliche Zusammenhänge sind dabei die senkende Wirkung der Soja-Isoflavone auf den LDL-Cholesterinwert sowie eine Erhöhung der Insulinsensitivität des Gewebes, sodass dieses besser auf Insulin anspricht und Glucose in die Zellen aufgenommen wird. Eine Insulinresistenz ist hingegen ein wesentlicher Krankheitsmechanismus bei der Entstehung von Diabetes Typ II.
Über die günstige Wirkung von Sojaprodukten auf des Herz-Kreislauf-System, können Sie weiterhin in unserem Beitrag zu Tofu und einer Senkung des Risikos für Herz-Kreislauf-Erkrankungen nachlesen. Wie Soja den Cholesterinspiegel senkt und welche weiteren Komponenten hilfreich sind, um den Cholesterinspiegel auf natürliche Weise zu senken finden Sie unter vorigen Links.
Stärkung der Knochengesundheit
In einem Review-Artikel aus dem Jahr 2016 ( 43 ) wurden 32 verschiedene Studien mit insgesamt 3494 Teilnehmerinnen, die den Zusammenhang von Isoflavonen auf die Knochendichte bei Frauen in der Menopause untersuchten, ausgewertet. In den Studien erhielten die Frauen entweder vollwertige Sojaprodukte oder isolierte Isoflavone in unterschiedlicher Dosierung.
Die Studien dauerten zwischen 7 Monaten und 3 Jahren. Die Autoren kamen abschließend zu dem Ergebnis, dass Isoflavone wahrscheinlich positive Auswirkungen auf die Knochengesundheit bei Frauen in den Wechseljahren haben, indem sie den Rückgang der Mineralisierungsdichte der Knochen verhindern und zum Erhalt einer gesunden Knochenstruktur beitragen.
Wie Soja die Knochengesundheit und weitere Stoffwechselfunktionen positiv beeinflusst, erfahren Sie auch in unserem Beitrag Soja stärkt die Knochen.
Wie beeinflusst die Lebensmittelzubereitung den Gehalt an Phytoöstrogenen?
Die Isoflavone liegen in der Sojabohne als sogenannte glykosidische Verbindungen vor, das heißt, sie sind an eine Zuckerstruktur gebunden. Diese Zuckerstruktur wird im Darm abgespalten (durch körpereigene oder bakterielle Enzyme), wodurch die Isoflavone besser verwertbar werden ( 44 ).
Bei fermentierten Sojaprodukten (z. B. Tempeh, Sojajoghurt) übernehmen Bakterien bei der Lebensmittelherstellung diese Aufspaltung ( 45 ) ( 46 ). Auch beim Erhitzen (z. B. Kochen, Dämpfen, Braten) von Sojaprodukten kommt es (in variablem Ausmaß) zu einer Aufspaltung, sodass sich die Bioverfügbarkeit der Isoflavone verbessert ( 47 ). Die prozentualen Angaben in verschieden Studien variieren zum Teil deutlich.
Bei einer starken Verarbeitung (z. B. isolierte Sojakomponenten, Fertiggerichte mit vielen Zusatzstoffen etc.) kann es hingegen zu einem großen Verlust der verfügbaren Isoflavone kommen ( 48 ).
Eine Studie ( 49 ), die den Einfluss des Erhitzens auf die Lignane in ganz belassenen Leinsamen, Sesamsamen und Roggenkörnern untersuchte, kam zu dem Ergebnis, dass ein Erhitzen (Rösten) auf 100 °C nicht zu einem Abbau der Lignane führte. Bei höheren Temperaturen kam es jedoch zu einem Abbau der Lignane in Sesam und Roggen, nicht aber der Lignane in Leinsamen. Diese waren sogar bei 250 °C noch stabil.
Worauf sollten Sie beim Kauf von Soja achten?
Achten Sie beim Kauf von Sojaprodukten darauf, dass sie Produkte in Bioqualität aus Europa kaufen. So vermeiden Sie, dass Sojaprodukte, die mit Glyphosat belastet sind, auf Ihrem Teller landen. Soja wird inzwischen auch in Deutschland, Österreich und Frankreich angebaut.
Fazit
Phytoöstrogene sind Pflanzenstoffe mit zahlreichen gesundheitsstärkenden Wirkungen, die sich bei den unterschiedlichsten Krankheitsbildern als nützlich erwiesen haben. In der menschlichen Ernährung sind die Isoflavone und die Lignane die häufigsten Phytoöstrogene. Innerhalb eines vollwertigen Lebensmittels wirken die Phytoöstrogene in Kombination mit zahlreichen anderen Pflanzenstoffen und können so ihre Wirkkraft am besten entfalten.